Tesla zeigt sich genervt

US-Unternehmen kritisiert aufwendige Genehmigungsverfahren und beklagt auch hohe bürokratische Hürden für Autowerk in Grünheide

  • Tomas Morgenstern
  • Lesedauer: 4 Min.

Seit der US-Autobauer Tesla Ende 2019 Pläne verkündete, in Grünheide (Oder-Spree) eine Fabrik für Elektroautos zu bauen, ist er vor allem für die Verwaltungsbehörden aller Stufen in Brandenburg eine Herausforderung. Die erprobten Planungs- und Genehmigungsverfahren sind für die Geschwindigkeit, die der Technologiepionier und Milliardär Elon Musk mit seinem Team vorlegt, einfach nicht gemacht. Dennoch ist es geradezu atemberaubend, wie weit die Baustelle der Gigafactory vor den Toren Berlin gediehen ist - denn bisher liegt noch immer keine umweltrechtliche Gesamtgenehmigung des Vorhabens durch Brandenburg vor. Tesla baut seine Fabrik bislang auf eigenes Risiko mit vorläufigen Einzelgenehmigungen auf. Und das, weil im Juli die Pkw-Produktion anlaufen soll. Die Jahreskapazität soll bei 500.000 Pkw und SUV liegen. Zudem ist der Bau einer Batteriezellenfabrik angekündigt.

Nun scheint es, als hätte Tesla die Faxen dicke. In einem »nd« vorliegenden Schreiben, das als Amicus Curiae-(»Freund des Gerichts«)-Brief eine Art Stellungnahme zu einem Gerichtsverfahren darstellt, übt der Autobauer Kritik an den komplizierten Genehmigungsverfahren in Deutschland, wobei zunächst aber sein Werk in Grünheide gemeint sein dürfte. Das Schreiben der »Tesla Manufacturing Brandenburg SE« ist an das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg gerichtet und bezieht sich auf ein Verfahren, in dem es die Forderung der Deutschen Umwelthilfe (DUH) nach Aufstellung eines Klimaschutzprogrammes zur Erreichung des nationalen Klimaschutzziels 2030 durch die Bundesrepublik Deutschland geht.

Der US-Konzern argumentiert in der am Mittwoch versendeten Stellungnahme, die Fabrik helfe durch Verbreitung von E-Mobilität im Kampf gegen die Erderwärmung. »Der deutsche Genehmigungsrahmen für Industrie- und Infrastrukturprojekte sowie für die Raumplanung steht in direktem Gegensatz zu der für die Bekämpfung des Klimawandels notwendigen Dringlichkeit der Planung und Realisierung solcher Projekte«, kritisierte Tesla.

»Besonders irritierend« sei für Tesla, dass es 16 Monate nach dem Antrag noch keinen Zeitplan für die Erteilung einer endgültigen Genehmigung gebe. Das »eklatanteste Problem« sei, dass in aktuellen Verfahren und Gesetzen Projekte, die den Klimawandel bekämpften und solche, die ihn beschleunigten, gleichbehandelt würden.

Umwelthilfe-Chef Jürgen Resch sagte, er sei von dem Vorstoß des US-Unternehmens überrascht worden, begrüßte ihn aber. Der Brief sei »segensreich«: »Das Wesentliche ist, dass jetzt wieder Schwung in die Diskussion hineinkommt, wie wir diese Überbürokratisierung in Deutschland zurückfahren können, ohne dass die Mitwirkungsmöglichkeiten der Zivilgesellschaft und der Umweltverbände geschliffen werden.«

Man brauche eine schnellere Genehmigungspraxis in Deutschland, um Klimaschutz-Anforderungen gerecht zu werden. Genehmigungsverfahren dauerten zu lange und würden zum Beispiel für Windräder auch immer schwieriger. Ein Problem sei etwa, dass die Einreichung von Dokumenten per E-Mail von Behörden oft abgelehnt werde.

Umweltverbände haben wiederholt die Unterbrechung der Arbeiten erreicht. Unter anderem ging es dabei um die Umsiedlung von Tieren. Kritiker warnen auch vor Risiken für die Trinkwasser-Versorgung der Region.

In seinem Brief schlug Tesla zehn Maßnahmen vor, mit denen die Genehmigungsabläufe verbessert werden sollen. Dazu gehören beschleunigte Verfahren für nachhaltige Projekte sowie die Berücksichtigung auch indirekter Auswirkungen auf die Umwelt. Aktuell könnten Hinweise auf relativ geringe lokale Folgen in größerem Maßstab positive Projekte verhindern, argumentierte der US-Konzern. Tesla sprach sich ausdrücklich dafür aus, »uneingeschränkt die Beteiligung der Öffentlichkeit an der Entscheidungsfindung« zu ermöglichen, kritisierte aber, dass bei der Beteiligung der Öffentlichkeit »einige der aktuellen Bestimmungen zu Missbrauch einladen«. So belohnten große Anhörungen »Lautstärke statt Substanz«.

In diesem Punkt ging DUH-Chef Resch auf Distanz zu Teslas Brief: »Wir hätten das nicht geschrieben.« Alle Argumente von Umwelt- und Bürgerverbänden müssten abgewogen werden, »und am Ende entscheiden die Gerichte«. Zweifel äußerte Resch zudem daran, dass man von vornherein klimafreundliche und -schädliche Projekten trennen könne.

Auch Brandenburgs Landesregierung zeigte sich bei diesem Vorschlag skeptisch. Man halte zwar Verfahrensbeschleunigungen »an geeigneter Stelle« für sinnvoll. »Rechtlich kann es jedoch keine Unterscheidung zwischen scheinbar klimafreundlichen und eher klimabelastenden Investitionen geben, denn das Recht ist nicht teilbar.« Mit dpa

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