Alternative Stadtgeschichte

Linkes Zentrum blickt auf 900 Jahre Freiburg im Breisgau

  • Dirk Farke
  • Lesedauer: 3 Min.

Warum das Jubiläum der Stadt im heutigen Dreiländereck Frankreich, Schweiz und Deutschland nicht »pünktlich« gefeiert werden konnte, ist bekannt. Pandemiebedingt wurden viele bereits 2020 zum 900. Jahrestag der Verleihung des Marktrechts geplante Festivitäten um ein Jahr verschoben. Auch das örtliche »Informationszentrum Dritte Welt« (iz3w) holt eine damals geplante in Veranstaltungsreihe jetzt nach. Unter dem Motto »War da was? Freiburger Geschichte ungeschönt« nehmen die »Freiburger Freigeister« das Jubiläum zum Anlass, sich an die kritische Öffentlichkeit zu wenden. Denn zu Jubiläen werden die Schattenseiten der eigenen Geschichte nur zu gern verdrängt. Da macht auch das sich linksalternativ gebende Studierendenstädtchen am Oberrhein keine Ausnahme. Deshalb ist es nicht unbedeutsam, dass die Themen wie Rassismus, Kolonialismus, Antiziganismus, Migration, Nationalsozialismus und jüdisches Leben, die bei offiziellen Feierlichkeiten nicht zur Sprache kommen, hier thematisiert werden.

»Wir wollen nicht in die allgemeine Euphorie mit einstimmen«, stellt Rosaly Magg, Sprecherin des iz3w, gegenüber »nd« klar. Bei allen Veranstaltungen werde in aller Dringlichkeit deutlich, wie weit die Freiburger Geschichte bis in unsere Gegenwart reicht.

Den Auftakt bildete diese Woche Larissa Schobers Onlinevortrag »Erinnern, um zu vergessen. Erinnerungskultur zwischen Aufarbeitung und Instrumentalisierung«. Es ist der einzige, der eine Wiederholung darstellt. Denn wenige Tage vor dem ersten bundesweiten Lockdown hatte Schober ihn bereits im Rahmen einer außergewöhnlich gut besuchten analogen Veranstaltung in Freiburg gehalten. Die Journalistin forscht zu Post-Konflikt-Gesellschaften und fragt, nicht zuletzt mit Blick auf die deutsche NS-Vergangenheit: »Wer erinnert was und zu welchem Zweck, und was wird bewusst vergessen?« In Deutschland werde die eigene Erinnerungskultur immer noch zu unkritisch gesehen, meint sie. Auch gelinge es dem »Aufarbeitungsweltmeister« leider bis heute, sich durch den Bau von Denkmälern oder Museen und durch Veranstaltungen immer wieder selbst Absolution zu erteilen. Dabei sei man gerade hierzulande viel zu früh dazu übergegangen, das Vergangene auf sich beruhen zu lassen, um wieder stolz auf die eigene Geschichte blicken zu können.

Bis zum 24. Juni bietet das iz3w weitere Vorträge an, so zur jüdischen Geschichte, zur »Rassenkunde« an der Freiburger Universität, zur Geschichte städtischer Denkmäler. Noch unter Vorbehalt steht der für den 22. Juni geplante echte Stadtspaziergang. Dabei soll es Antworten auf Fragen wie: »War der Freiburger Reichstag von 1498 der G7 des Mittelalters?« »Wer trug vor 400 Jahren das größte Risiko, als Hexe ermordet zu werden?« oder »Wie kam die große ethnologische Sammlung nach Freiburg?« geben.

Alle Termine der sowie zeitnah den jeweiligen Link zur Teilnahme unter www.iz3w.org/ projekte/stadtjubilaeum/programm

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