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  • Verfassungsschutz beobachtet "junge Welt"

»Gesichert extremistisch«

Ulrike Wagener über die Begründung der Bundesregierung, die »junge Welt« vom Verfassungsschutz beobachten zu lassen

  • Ulrike Wagener
  • Lesedauer: 2 Min.

»Die Aufteilung einer Gesellschaft nach dem Merkmal der produktionsorientierten Klassenzugehörigkeit widerspricht der Garantie der Menschenwürde.« Was auf den ersten Blick klingt wie ein Bekenntnis der Bundesrepublik zum Klassenkampf, ist in Wahrheit eine Kampfansage an die Pressefreiheit und alle linken Journalist*innen in diesem Land. Das Zitat stammt aus einer jüngst veröffentlichten Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag und benennt eine der »revolutionären marxistische Grundüberzeugungen«, aufgrund derer die »junge Welt« vom Verfassungsschutz beobachtet wird: Dass es in unserer Gesellschaft verschiedene Klassen gibt.

Weiter heißt es dort: »Menschen dürfen nicht zum ›bloßen Objekt‹ degradiert oder einem Kollektiv untergeordnet werden, sondern der Einzelne ist stets als grundsätzlich frei zu behandeln.« Nach dieser Definition müsste derzeit jede Fleischfabrik, jeder Spargelhof der Republik vom Verfassungsschutz beobachtet werden. Dort dürfen Arbeiter*innen teils nicht einmal mit ihren Lebenspartner*innen in einer Unterkunft wohnen, wenn es dem Unternehmen und seiner Lagerarchitektur nicht in den Kram passt.

Spaß und Verantwortung

Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann

Das ist aber nicht gemeint. Frei nach dem Motto: Es kann nicht sein, was nicht sein darf - Stichwort Polizeigewalt, Klassengesellschaft, Rassismus - greift der Staat all jene an, die sich gegen diese menschenfeindlichen Zustände einsetzen. Denn sie sind es, die in der Logik des kapitalistischen Systems das Problem darstellen, nicht diese Strukturen. Fast schon zynisch ist es, wenn auch die Lektüre samt positiven Bezugs auf Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht als weiterer Beweis für die marxistische und damit »gesichert extremistische« Einstellung der Zeitung angeführt wird. Beider wird in offiziellen Gedenkritualen der Bundesregierung gedacht. Und beide wurden vor mehr als hundert Jahren von rechten Soldaten ermordet. Ein weiteres Phänomen, das die heutige Bundesregierung am liebsten unter »nicht-existent« verbuchen würde.

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