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  • »Für alle, nicht die Wenigen«

Alles für alle

Vertreter von Sozialverbänden, Gewerkschaften, Mieterbund und Umweltgruppen haben ein Plädoyer gegen das Profitstreben vorgelegt

  • Haidy Damm
  • Lesedauer: 3 Min.

»Auf einem Markt, den Profitmaximierung und Konkurrenzdenken beherrschen, geraten sowohl der Mensch als Individuum wie auch die kollektiven Güter, die er zum Leben braucht, aus dem Blick.« Mit diesen Worten formulierte Ulrich Schneider, Geschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes am Dienstag in Berlin seine Motivation, das Buch »Für alle, nicht die Wenigen: Warum wir unsere Zukunft nicht den Märkten überlassen dürfen« herauszugeben. Zu diesen Gütern gehören demnach soziale Sicherheit, bezahlbarer Wohnraum, ein gutes Gesundheitssystem, eine selbstbestimmte Arbeit, eine möglichst intakte Umwelt und die Möglichkeit, seine Existenz in einem kulturell vielfältigen Gemeinwesen selbst zu gestalten. Stattdessen habe der sogenannte freie Markt zu einer tiefen sozialen Spaltung und zur Ausgrenzung von immer mehr Menschen geführt.

Eingeladen hat Schneider deshalb Expert*innen aus den Bereichen Gesundheit, Kultur, Energie, Verkehr und Landwirtschaft. Sonst meist in politischen Bündnissen zusammengeschlossen, wollen sie mit dem Buchprojekt Alternativen zum generellen Profitstreben aufzeigen. Denn, so Schneider: »Die neoliberale, an Profitmaximierung und Konkurrenz orientierte Wirtschaftsweise folgt politischen Entscheidungen und ist weder natur- noch gottgegeben und schon gar nicht alternativlos.« Um die in vielen Jahren entstandenen Denkblockaden einzureißen, bräuchte es Konzepte, die ein solidarisches Miteinander, also die Menschen statt der Investor*innen in den Mittelpunkt stellten.

Das gilt laut Melanie Weber-Moritz, Bundesdirektorin des Deutschen Mieterbundes, auch für den Bereich Wohnen: »Die Mieten in Deutschland stiegen auch im Krisenjahr 2020 ungebremst, trotz Corona-Pandemie, Wirtschaftsabschwung und Kurzarbeit.« Angesichts steigender Mieten und sinkender Sozialwohnungsbestände brauche es »dringend einen großen gemeinnützigen Sektor mit dauerhaft preisgebundenen Wohnungen, um langfristig bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.« Damit Menschen mit niedrigen Einkommen keine Angst mehr haben müssten, ihr Dach über dem Kopf zu verlieren.

Konkret setzt der Mieterbund darauf, Boden wieder verstärkt in kommunaler Hand zu belassen und auch das Vorkaufsrecht auszubauen. Zudem forderte Weber-Moritz rund zehn Milliarden Euro Förderung für den sozialen und ökologischen Wohnungsbau. In Deutschland gebe es einen Bedarf an 6,3 Millionen Sozialwohnungen; statt diesen zu schaffen, würden jährlich 45 000 Sozialwohnungen dem freien Markt überlassen.

Verknüpft werden soll bei allen Ideen das Soziale mit dem Ökologischen, erklärt Olaf Bandt, Vorsitzender des Bundes für Naturschutz (BUND), der ebenfalls zu den Autor*innen gehört. Er rückt die Verwerfungen in den Fokus, die der Klimawandel mit sich bringt und fordert: »Für eine ökologische und gerechte Republik braucht es einen aktiven Staat und aktive Bürger*innen.«

Statt hier zu investieren, würde den Menschen etwa in der Landwirtschaft seit Jahrzehnten das Dogma verkauft, dass sich kleine Betriebe nicht lohnen. »Damit werden die Strukturen und die damit verbundenen Investitionen immer größer, die Menschen selbst dagegen werden ausgegrenzt«, so Bandt. Massenhafte Betriebsschließungen und dramatisches Artensterben seien die Folge. Das zeige auch, »die gesellschaftlichen Kosten werden nicht mit bedacht«. Hier wie auch in Energiefragen wie der Stromversorgung aus Erneuerbaren Energien seien jedoch kleinteilige, dezentrale und bürgernahe Unternehmen die bessere Variante. Die Bundesregierung habe stattdessen bewusst ihre Politik an den Wünschen der großen Energiekonzerne ausgerichtet.

Alle gesellschaftlichen Bereiche seien in den vergangenen Jahrzehnten unter immer stärkeren ökonomischen Druck geraten, sagt Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats, der ebenfalls mitgemacht hat. »Das Buch zu schreiben, birgt die Chance, dass wir uns gemeinsam gegen diese zügellose Marktorientierung wenden. Es kann mehr sein als nur die Beschreibung der Situation, es kann zur Aktion werden.«

U. Schneider (Hrsg.): »Für alle, nicht die Wenigen: Warum wir unsere Zukunft nicht den Märkten überlassen dürfen.« Westend Verlag, 22 Euro.

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