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Hoffnung für rares Beuteltier

Einige Tierarten der australischen Insel Tasmanien gibt es nur hier. Doch der Bestand des »Tasmanischen Teufels« wird von einem ansteckenden Krebs bedroht. Die Wiederansiedlung auf dem australischen Festland soll helfen

  • Michael Marek
  • Lesedauer: 6 Min.

Ein wildes, nahezu unbewohntes Land mit ein paar bunten Sittichen und schwarzen Krähen darüber. Ein Bachlauf mit fauligem Schwemmholz. Links und rechts des zweispurigen schwarzen Asphaltbandes: immergrüne Riesen-Eukalyptusbäume, deren Borke in Streifen an den Stämmen hängt. Es ist Herbst, aber immer noch heiß und schwül.

Ich bin unterwegs zum »Trowunna Wildlife Sanctuary«, drei Autostunden von Tasmaniens Hauptstadt Hobart entfernt. Am Eingang des Parks im Norden der Insel wartet Androo Kelly und begrüßt mich mit einem »Teufel« auf dem Arm: gedrungener Körper, kurze Beine, schwarzes Fell und spitze Zähne. Der vierjährige Micktee scheint entspannt zu sein, schaut interessiert und beschnüffelt den Fremden aus dem fernen Europa.

Androo Kelly ist auf Tasmanien eine Kapazität, wenn es um Tasmanische Teufel geht. Auf seiner grauen Kappe prangt das Trowunna-Logo. Der Biologe leitet die Tierstation, die sich vor allem dem Schutz und der Aufzucht dieser Tierart widmet.

Der Tasmanische Teufel (Sarcophilus harrisii) ist das größte fleischfressende Beuteltier der Welt, seine Beißkraft in Relation zur Körpergröße etwa so stark wie die eines Tigers. Beutelteufel leben in Erdhöhlen und können bis zu zehn Jahren alt werden. Das auch Beutelteufel genannte Tier lebte einst in ganz Australien, heute nur noch auf Tasmanien. Er frisst Insekten, Kleintiere - vor allem aber Aas.

Einen Tasmanischen Teufel bekommt man in freier Wildbahn kaum zu Gesicht. Die bis zu zwölf Kilogramm schweren und bis zu 60 Zentimeter langen Raubbeutler sind bevorzugt im Dunkeln unterwegs und mit ihrem schwarzen Fell gut getarnt. Ihr aggressiv klingendes, heiseres Fauchen brachte ihnen den bedrohlichen Namen ein - zu Unrecht.

Die ersten Europäer, die im 17. Jahrhundert auf Tasmanien ankamen, ängstigten sich vor dem Beutelteufel wegen seines furchterregenden Kreischens in der Nacht. Als gute Christen glaubten sie, den Herrn der Finsternis höchstpersönlich zu hören. Doch tatsächlich war es nur der kleine Beutelteufel, der nach Sonnenuntergang auf Nahrungssuche war. Und die britischen Kolonialisten Anfang des 19. Jahrhunderts fürchteten die Beuteltiere fälschlicherweise als Hühnerdiebe, denen sie mit Fallen und Gift nachstellten - mit dem Ergebnis, dass sie die Spezies fast ausgerottet hatten.

Umgeben von Eukalyptuswald und Weidelandschaft ist die Trowunna-Tierstation ein Zufluchtsort für Tasmanische Teufel. Denn die Spezies ist noch immer stark gefährdet. 1996 wurde erstmals die »Beutelteufeltypische Gesichtskrebserkrankung« dokumentiert. »Eine niederländische Fotografin hatte das infizierte Tier im Nordosten Tasmaniens aufgenommen«, so Kelly. »Der erste veterinärmedizinisch dokumentierte Fall stammt von 2003 - aus einem Gebiet unweit der Freycinet-Halbinsel an der Ostküste.«

Seitdem schwinden die Bestände der Beutelteufel. Wenn sie nebeneinander Aas fressen und sich beißen, können sie sich mit Krebs anstecken. Tumorzellen werden durch Speichel von einem Tier auf das nächste übertragen. Weil sich Geschwülste in Mund und Rachen bilden, können die Beutelteufel nicht mehr fressen und verenden qualvoll. Normalerweise breiten sich Krebszellen nur im eigenen Körper aus. Doch die »Tasmanian Devil Facial Tumor Disease« macht eine Ausnahme: Sie ist ansteckend, allerdings nur für die Spezies selbst. Menschen oder andere Tierarten werden nicht infiziert, erklärt Anne van der Bruggen, Rangerin im Wildlife-Park »Devils@Cradle«. »In den letzten zwanzig Jahren sind achtzig bis neunzig Prozent der Tasmanischen Teufel verendet.«

Die Bestände werden genauestens beobachtet, ihre Verhaltensweisen und Lebensräume weiter erforscht, sagt van der Bruggen. Nur so könne man die Ausbreitung der Krankheit sowie Veränderungen in der Population feststellen. Wildlife-Parks wie »Devils@Cradle« und »Trowunna« widmen sich zudem der Aufzucht und Auswilderung gesunder Tiere. Dies geschieht im Rahmen des »Save the Tasmanian Devil Program«. Ende letzten Jahres wurden die ersten Beutelteufel auf dem australischen Kontinent in die Wildnis entlassen, die inzwischen auch ersten Nachwuchs haben. Der Erfolg ist gleichwohl ungewiss. »In Tasmanien werden jeden Tag viele Tiere auf den Straßen überfahren; Roadkill nennen wir dieses Phänomen«, konstatiert van der Bruggen. Und fragt: »Tun wir das Richtige, wenn wir gesunde Beutelteufel auswildern? Können sie überhaupt überleben?«

Auch auf meinen Fahrten durch Tasmanien waren überall Tierkadaver zu sehen: tote Kängurus, Possums, Wombats und Tasmanische Teufel. Die offizielle Statistik zählt knapp 300 000 jährlich überfahrene Tiere. Die Beutelteufel sind als Aasfresser doppelt gefährdet, denn sie laufen nicht nur nachts über Straßen, sondern nehmen die getöteten Tiere dankbar als Nahrungsquelle an.

Seit 1941 steht der Beutelteufel unter Schutz. Derzeit arbeiten Wissenschaftler an einem Impfstoff gegen den Gesichtskrebs. Rettungsprogramme wurden aufgelegt und jeder Souvenirladen Tasmaniens wirbt mit kleinen, plüschigen Stoffteufeln.

Wie die »Beutelteufeltypische Gesichtskrebserkrankung« überhaupt entstehen konnte, ist noch nicht klar. Für Androo Kelly ist die wahrscheinlichste Erklärung ein problematisches Fressverhalten infolge tief greifender Umwelt- und Klimaveränderungen. Um die Jahrtausendwende habe es auf Tasmanien viel Regen gegeben, pflanzenfressende Tiere wie Wombats, Wallabys und Kängurus vermehrten sich sprunghaft und dementsprechend auch die Tasmanischen Teufel, die sich vornehmlich von deren Kadavern ernährten. Die Zahl der Beutelteufel nahm ungebremst zu. Dann aber folgte eine Phase großer Trockenheit. Plötzlich gab es nicht mehr ausreichend Futter. Dies führte zu neuen Verhaltensweisen - verbunden mit mehr Konkurrenz, Rivalität und Aggressivität unter den Beutelteufeln. Das wiederum habe eine Menge Stress verursacht. »Und was geschieht, wenn man fortwährend unter Stress steht? Das Immunsystem wird geschwächt. Das ist eine mögliche Erklärung.«

Forschungen mit künstlich infizierten, aber ungestressten Tasmanischen Teufeln zeigten, dass diese nicht erkrankten und keine Tumorzellen entwickelten. Zudem kamen Forscher bereits 2016 zu dem Schluss, dass die Tiere womöglich selbst eine Waffe gegen den Krebs besitzen. Die Wissenschaftler hatten das Erbgut jener Beutelteufel analysiert, die die Krebs-Epidemie in ihrem Lebensraum überlebt hatten. Sie fanden bei ihnen einige genetische Merkmale, die die Tiere gegen den ansteckenden Tumor resistent machen.

In dieselbe Richtung weist eine Studie der Washington State University von 2020: Danach führte eine einzige Mutation zu einem verringerten Wachstum des übertragbaren Tumors. Untersucht wurde das Erbgut bei den Fällen, wo sich der Tumor spontan zurückbildete. Die zur sogenannten Tumorregression beitragende Mutation aktivierte ein Gen, das das Zellwachstum im Tumor verlangsamte - zumindest unter Laborbedingungen.

Ein weiteres Zeichen, das Hoffnung für die Tasmanischen Teufel macht: Computersimulationen britischer Wissenschaftler ergaben 2019, dass die Krebserkrankung langsam aus der Population verschwinden könnte. Die Krebserkrankung werde voraussichtlich nicht zum Aussterben der bedrohten Art führen. Denkbar sei demnach, dass die Beutelteufel Strategien entwickeln, die es ihnen ermöglichen, mit der Erkrankung zu leben, schrieben die Forscher im Fachjournal »Ecology«. Die Wissenschaftler erstellten ein Computermodell mit Angaben zur Populationsstruktur und Anzahl der erkrankten Tiere, die in den vergangenen zehn Jahren erhoben wurden. Anschließend prüften sie, wie sich die Erkrankung unter verschiedenen angenommenen Szenarien in der Zukunft ausbreiten werde. 57 Prozent der Simulationen ergaben, dass die Krebserkrankung langsam aus der Population verschwinden werde, 22 Prozent kamen zu dem Schluss, dass die Beutelteufel dazu Anpassungsstrategien entwickeln würden.

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