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Revolution unter dem Regenbogen
Marie Frank über die diesjährigen Prides am Christopher Street Day
Jede Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse beginnt auf der Straße. Gewinnt die Bewegung an Stärke und wird damit zur Bedrohung des Status quo, so wie es bei der LGBTQI-Bewegung der Fall ist, hat der kapitalistische Staat zwei Möglichkiten: Er macht Zugeständnisse bei einzelnen Forderungen, die das Gesamtsystem nicht gefährden und die Bewegung gleichzeitig schwächen. Gelingt dies nicht, heißt die Antwort: Repression. In autoritären Staaten wie Polen, Ungarn oder der Türkei, in denen die Unterdrückung mit religiösen Werten begründet wird, ist eine Integration der queeren Community schwer umzusetzen. Die Machthabenden reagieren also mit aller Gewalt gegen die Menschen, die alljährlich am Christopher Street Day (CSD) auf die Straße gehen und für Gleichberechtigung demonstrieren. Damit offenbaren sie ihre eigene Schwäche, denn die Gewalt ist nichts anderes als der Ausdruck blanker Angst vor einem Systemwandel.
In Deutschland ist der CSD schon lange zu einem Aushängeschild für kapitalistische Unternehmen und Staatsdiener*innen geworden, die mit Pinkwashing ihr Image aufpolieren wollen, ohne an den grundlegenden ungleichen Verhältnissen etwas zu ändern. Dass sich die queere Community in Berlin in diesem Jahr damit nicht zufrieden geben wollte und auf unkommerziellen Prides ihre politischen Forderungen zu Tausenden auf die Straße getragen hat, ist ein Fortschritt. Denn auch hierzulande gibt es noch einiges in Sachen Gleichberechtigung zu tun, etwa beim Arbeitsrecht der Kirche oder der ungleichen Bezahlung. Wer jedoch wirklich etwas an den ungerechten Verhältnissen ändern will, darf dabei nicht stehen bleiben. Denn wer Gerechtigkeit will, muss das ausbeuterische System als Ganzes bekämpfen, alles andere ist nur regenbogenfarbene Augenwischerei.
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