Teurer Weg zur Uni

Studierende sollen künftig 200 Euro mehr pro Jahr für ihr Semesterticket zahlen

  • Aina Kaufmann
  • Lesedauer: 3 Min.

»Das ist der schlechtmöglichste Zeitpunkt, um die Semesterticketpreise zu erhöhen«, sagt Tilman Kolbe. Er ist Student der Universität Potsdam und Verhandlungsführer für die Interessengemeinschaft Semesterticket Berlin/Brandenburg. Der Zusammenschluss aus Studierendenschaften und Beauftragten der einzelnen Hochschulen setzt sich in Berlin und Brandenburg für faire Preise für das Semesterticket ein. Der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) habe in den letzten Verhandlungen von Gebühren in Höhe von 307,50 Euro pro Semesterticket für Berliner und Brandenburger Student*innen gesprochen, berichtet Kolbe. Eine für die Studierenden schockierende Forderung, immerhin hatten sie in den laufenden Verhandlungen ein Semesterticket für jährlich 365 Euro gefordert, was 182,50 Euro pro Semester entspricht.

»Wir halten den Preis von 365 Euro für angemessen, es ist der gleiche Semesterticketpreis wie für die Azubis«, sagt Kolbe zu »nd«. Gebühren in Höhe von 307 Euro pro Halbjahr würden für die Studierenden 200 Euro mehr im Jahr bedeuten, die sie für Verkehrsmittel aufbringen müssten. Und das, wo vielen von ihnen durch den Lockdown die Nebenjobs weggebrochen sind und das Geld knapper ist als ohnehin schon.

Bereits im Juni vergangenen Jahres hatte der VBB mitten in der Pandemie beschlossen, die Semesterticketgebühren in Potsdam von 188 auf 245 Euro pro Semester zu erhöhen. Nachdem mit finanzieller Unterstützung der Landesregierungen eine einjährige Übergangslösung gefunden wurde, wurden die Verhandlungen nun wieder aufgenommen.

Das Potsdamer Semesterticket wird nach dem Solidarmodell betrieben. Jede Person die eingeschrieben ist, muss sich daran beteiligen, so werden die Beiträge günstiger für alle, unabhängig vom Fahrverhalten.

»Studierende sind seit Jahren eine sichere Einnahmebasis für die Verkehrsunternehmen. Man sollte sie nicht als Melkkuh benutzen«, sagt Tobias Schulze, wissenschafts- und forschungspolitischer Sprecher der Linksfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, zu »nd«. Die Unterstützung der Länder sei eine vorübergehende Lösung gewesen, um dem VBB und den Studierenden Zeit zu geben, eine dauerhafte und nachhaltige Preisstruktur zu vereinbaren. Die äußerst hohen Preisforderung der durch den VBB vertretenen Verkehrsunternehmen seien da nicht zielführend, so Schulze. »Das Ziel in diesem Jahr sollte sein, eine Preisreduzierung zu erreichen oder zumindest Stabilität.«

Nach Aussagen des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg würden die Forderungen der Studierenden eine »erhebliche Finanzlücke aufseiten der Verkehrsunternehmen« mit sich bringen. Steigende Personalkosten und das ausgebaute Angebot im Öffentlichen Personennahverkehr seien in den vergangenen Jahren nicht in die Semesterticketpreise eingeflossen. »So wurde zum Beispiel der Preis des Berliner Semestertickets seit 2017 nicht mehr angepasst«, teilt VBB-Sprecher Joachim Radünz auf nd-Anfrage mit. Der VBB agiere im Sinne eines bestmöglichen ÖPNV für Berlin und Brandenburg und verstehe sich als »Mittler, neutrale Instanz« zwischen den verschiedenen Interessenpartnern. Die Kosten des ÖPNV-Angebots müssten gedeckt werden, um das Angebot aufrechtzuerhalten, und ohne Zuschüsse der Länder seien die Forderungen der Studierenden nicht erfüllbar, meint Radünz.

In den Augen des VBB ist nun die Politik gefragt, die Studierenden ins Azubiticket-Programm aufzunehmen. Passiert das nicht, müssten sie künftig den vollen Preis zahlen, um sich in Berlin und Brandenburg frei von ihrem Wohnort zur Uni bewegen zu können.

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