Im Berliner Tierheim wird es eng

Im Homeoffice unüberlegt angeschaffte Tiere und illegaler Welpenhandel werden zum Problem

  • Ulrike von Leszczynski/dpa
  • Lesedauer: 4 Min.

Wohin mit Mieze und Bello? Nach dem Auslaufen der Homeoffice-Regelung in der Pandemie befürchtet das Berliner Tierheim eine Abgabewelle von Hunden und Katzen. Neben ausgesetzten und sichergestellten Tieren kämen momentan auch oft schwerkranke junge Hunde ins Tierheim. Sie stammten vermutlich häufig aus illegalem Welpenhandel und würden vielleicht nicht zufällig ausgerechnet in den Sommerferien abgegeben, sagte Sprecherin Beate Kaminski. »Scheinbar sind viele jetzt wohl einfach im Weg.«

Damit rechnet auch der Deutsche Tierschutzbund. Viele Menschen haben sich während der Arbeit zu Hause ein Tier zugelegt, das sie mit der Rückkehr an den Arbeitsplatz manchmal nicht mehr so einfach betreuen können. Denn seit dem 1. Juli ist die Homeoffice-Pflicht vorbei. Immer mehr Tierheime nähmen Tiere auf, die während der Pandemie unüberlegt angeschafft wurden, heißt es beim Tierschutzbund. Auch der illegale Welpenhandel führe mancherorts zu überfüllten Tierheimen.

Rund 240 Hunde und 300 Katzen leben zurzeit im Tierheim Berlin, mit 16 Hektar Fläche einem der größten in Europa. Viel mehr Hunde kann das Tierheim nicht mehr aufnehmen. Denn die meisten vertragen sich nicht mit Artgenossen und müssen einzeln untergebracht werden. Bei Katzen wird es ab 400 Miezen eng, denn auch sie verstehen sich nicht immer in Gruppen-Gehegen. Schon jetzt kann das Tierheim kaum noch Reserveplätze für Fälle bieten, in denen Veterinärämter viele Tiere auf einmal bei überforderten oder illegalen Haltern sicherstellen. »Das können im Extremfall mehrere hundert Tiere auf einmal sein«, sagte Kaminski.

Traurige Tiergeschichten wiederholten sich jeden Sommer: Kaninchen auf der Müllkippe, Katzenkinder in zugeklebten Kartons am Straßenrand. Ein jammernder Hundewelpe kam im Tierheim jüngst auf die Krankenstation. Auch dieser junge Hund stammt nach Einschätzung des Tierheims aus dem illegalen Welpenhandel und war beim Transport vermutlich dehydriert und unterzuckert. Einige Welpen kämpften im Tierheim wochenlang um ihr Leben und verlören dann doch. Der illegale Welpenhandel, der seine Basis oft in Osteuropa hat, bleibt deshalb weiter eine der größten Sorgen im Berliner Tierheim. »Die Nachfrage bei Hunden geht seit dem Beginn der Pandemie durch die Decke«, ergänzte Kaminski. Trotz aller Warnungen kauften viele Menschen bei dubiosen Vermittlern über Internetportale.

»Im illegalen Handel werden Welpen vor der Übergabe an die Käufer oft mit Adrenalin und Aufputschmitteln fitgespritzt und wirken dadurch für Laien beim Verkauf gesund«, berichtete die Sprecherin. Erst später merkten die neuen Besitzer, dass ihr Tier krank sei. Oft sei es beim Kauf weder entwurmt noch geimpft. »Die Haltung der Hunde im Herkunftsland ist in der Regel eine Katastrophe«, sagte Kaminski. »Sie vegetieren meist in kleinen, verdreckten Käfigen und Verschlägen in ihrem eigenen Dreck vor sich hin, kommen niemals an die frische Luft und sind völlig unterversorgt.« Welpen würden oft schon im Alter von zwei bis drei Wochen der Mutter weggenommen und zum Verkauf nach Westeuropa gekarrt. Nicht wenige Tiere verendeten auf dem Transport oder würden einfach irgendwo ausgesetzt. »Der Profit für die Händler ist trotzdem noch hoch genug«, sagt Kaminski. Das Hundeelend werde durch die vielen interessierten Käufer in Deutschland nun nur noch vergrößert.

Manchen Hauskatzen hingegen werde die Tierliebe gutmeinender Menschen zum Verhängnis. Immer wieder würden auch gepflegte und gut genährte Samtpfoten beim Herumstreifen in ihren Revieren einfach mitgenommen und dann im Tierheim abgegeben. Ist die Mieze nicht gechipt und registriert, sei es nahezu unmöglich, Halter zu ermitteln. »Grundsätzlich sollte man Katzen, die nicht in Not sind, draußen in Ruhe lassen«, sagte die Sprecherin. Straßenkatzen bekämen Laien ohnehin kaum zu fassen, sie seien viel zu scheu.

Katzenjunge, die wild leben und eingefangen werden, wachsen in privaten Pflegestellen bei ehrenamtlichen Mitarbeitern des Tierheims auf. »Manchmal werden aber auch ganze Familien mit den Muttertieren eingefangen.« Wenn die Mutter selbst nie ein Zuhause bei Menschen hatte, fühle sie sich dort oft nicht wohl und sei häufig auch nicht zähmbar. »Solche Katzenmütter ziehen unter unserer Obhut ihre Kleinen in Ruhe groß. Wenn die Jungen alt genug sind, wird die Mutter kastriert und nach ihrer Genesung in ihrem Revier wieder freigelassen.« Sind Fundkatzen trächtig, kommt ihr Nachwuchs im Tierheim zur Welt und wird von dort aus später zahm vermittelt.

Wer sich für ein Tier interessiert, das auf der Webseite des Heims zur Vermittlung angeboten wird, kann einen Einzeltermin vereinbaren. Das Tierheim hat in der Pandemie staatliche Corona-Hilfen in Höhe von 3500 Euro erhalten.

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