Nachschub für den Kosovo-Konflikt

Heckler & Koch stellte angeblich Genehmigungsantrag für Kriegswaffenexport. Die Bundesregierung schweigt dazu

  • René Heilig
  • Lesedauer: 4 Min.

Im Kosovo, so schreibt das Auswärtige Amt in seinen aktuellen Reise- und Sicherheitshinweisen, befinden sich mehrere Hunderttausend illegale Schusswaffen in Privatbesitz; die Hemmschwelle zu deren Einsatz sei »vergleichsweise niedrig«. Im vor allem von Serben bewohnten Norden des Landes bleibe »die Lage angespannt«. Es bestehe weiterhin das Potenzial zu gewalttätigen Protestaktionen der Opposition gegen die Regierung. Und dass die einstige serbische Provinz eine Hochburg der Organisierten Kriminalität ist, weiß EU-weit jeder Streifenpolizist.

Was braucht so ein Land dringend? Geht es nach der im deutschen Landkreis Rottweil ansässigen Firma Heckler & Koch, dann sind das 300 vollautomatische Gewehre, Maschinengewehre und Granatpistolen im Wert von 637 000 Euro. Das geht aus einem Schreiben des Bundessicherheitsrates hervor, über das zuerst die Katholischen Nachrichten-Agentur informierte.

Der Krieg in der einstigen serbischen Provinz Kosovo, den die Nato zugunsten der albanischen Unabhängigkeitsbestrebungen entschied, ist zwar seit über 20 Jahren vergangen, doch noch immer erkennt Serbien die 2008 ausgerufene Republik Kosovo nicht an. Die albanische Bevölkerungsmehrheit und die wenigen im Land verbliebenen Serben stehen sich weiter unversöhnlich gegenüber. Zwischen beiden Gruppierungen zerrieben werden die Roma. Die von der EU angestrebte positive wirtschaftliche Entwicklung, die auch eine Basis von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sein sollte, bleibt aus.

Ein tiefer Riss geht durch die Gesellschaft

Selbst durch die albanische Mehrheitsgesellschaft geht ein tiefer politischer und sozioökonomischer Riss. Ein Viertel der Kosovaren ist offiziell arbeitslos, unter den Jugendlichen beträgt die Quote fast 50 Prozent. Knapp 20 Prozent, so die Weltbank, leben unter der Armutsgrenze. Die Corona-Pandemie verschärft die permanenten Schwierigkeiten. Der Internationale Währungsfonds errechnete, dass das Bruttoinlandsprodukt 2020 um 5,1 Prozent gesunken ist. Das alles sind keine guten Voraussetzungen, um eine notwendige innere Befriedung des Landes zu befördern.

Um wenigstens für äußerliche Ruhe zu sorgen, sind im Rahmen des KFOR-Einsatzes derzeit noch immer 3400 Soldatinnen und Soldaten aus 28 Nationen in Kosovo stationiert. Jüngst verlängerte die Mehrheit des Bundestages das Mandat für 400 Bundeswehrsoldaten um ein weiteres Jahr.

Trotz der politisch und rechtsstaatlich bedenklichen Situation sieht Vjosa Osmani, die neue Präsidentin der Republik Kosovo, ihr Land in naher Zukunft als gleichberechtigtes Mitglied in der EU. Im Februar 2020 übernahm die damals in ihrem Land höchst populäre Parlamentschefin kommissarisch die Präsidentschaft von Kosovo, weil der bisherige Amtsinhaber Hashim Thaçi – ein einstiger Kommandant der Unabhängigkeitsarmee UCK – in Den Haag wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen angeklagt worden war.

Aus seiner UCK ist über die Jahre mit westlicher Hilfe die Armee des Kosovo entstanden. Sie umfasst derzeit 5000 aktive Soldaten und 2500 Reservisten.

Wer geglaubt hatte, dass Vjosa Osmani als Präsidentin neue politische Zeichen setzen würde, musste den Irrtum rasch erkennen. Die 39-Jährige, die unter anderem an der University of Pittsburgh (USA) Handels- und Völkerrecht studierte, bleibt gegenüber Serbien auf Konfrontationskurs. Es könne erst dann einen gerechten Frieden mit dem Nachbarn geben, wenn Serbien sich für seine in Kosovo begangenen Kriegsverbrechen entschuldigt, betont sie. Im Belgrad hat man nicht die Absicht, auf die Knie zu gehen.

Schwelende territoriale Widersprüche werden aktuell unter anderem durch ein sogenanntes Non-Paper über eine Neuordnung des ehemals jugoslawischen Balkans befördert. Das formlose Schriftstück wird Regierungskreisen in Slowenien zugeschrieben. Das Land hat im Juli turnusmäßig die EU-Ratspräsidentschaft übernommen und bestreitet eine Autorenschaft.

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Viel Konfliktpotenzial auf dem Balkan

Das kleine Land, so heißt es in dem absenderlosen, doch viel beachteten Papier, sollte sich mit Albanien vereinigen, die mehrheitlich von Serben bewohnten kosovarischen Gebiete könnten dabei einen gewissen Autonomiestatus erhalten. Mehr Konfliktpotenzial kann man kaum anhäufen.

Die Linke-Obfrau im Auswärtigen Bundestagsausschuss, Sevim Dagdelen, nannte es gegenüber AFP »vollkommen unverantwortlich, das völkisch-nationalistische Regime in Pristina mit der Lieferung von Kriegswaffen in seinem Konfrontationskurs gegenüber Serbien weiter zu bestärken«. Katja Keul, Sprecherin für Abrüstungspolitik der Grünen-Fraktion, betonte, eine Lieferung der Waffen verstoße »in jeder Hinsicht gegen die Kleinwaffengrundsätze der Bundesregierung«. Die aber schweigt zu den jüngsten Heckler & Koch-Berichten. Die Arbeit des Bundessicherheitsrates, an dem Minister von CDU, CSU und SPD teilnehmen, ist grundsätzlich geheim.

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