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Hält Lecornu dieses Mal länger durch?
Linke sieht in Emmanuel Macron den Schuldigen für die Krise in Frankreich, doch der will nicht abdanken
»Wir haben keine Zeit zu verlieren. Lecornu wird stürzen und Macron folgt ihm nach«, sagte Mathilde Panot, die Fraktionsvorsitzende der Bewegung La France insoumise (LFI), als am späten Sonntagabend die Zusammensetzung der neuen Regierung bekanntgegeben wurde.
Ebenso wie der rechtsextreme Rassemblement National (RN) will LFI um jeden Preis Präsident Emmanuel Macron aus dem Amt haben. Dafür reichten beide bereits am Montagnachmittag ihre Misstrauensanträge ein. Da das Parlamentspräsidium vor Tagen den LFI-Antrag für eine Debatte und Abstimmung über eine Amtsenthebung des Präsidenten nicht akzeptiert hat, soll jetzt die Regierung von Sébastien Lecornu gestürzt werden, um so die Auflösung des Parlaments und Neuwahlen zu erzwingen. Dass die militante linke Bewegung dabei genauso wie der RN vorgeht, scheint bei LFI, wo früher der Kampf gegen die Rechtsextremen höchste Priorität hatte, niemanden zu stören. Der Zweck heiligt die Mittel, sagt man sich wohl.
Enger Zeitplan für neue Regierung
Der Zeitplan für die Exekutive ist eng gehalten. Nach der Amtsübergabe der Minister – betont spartanisch und ohne Präsenz der Presse – am Montagvormittag folgte am Nachmittag eine erste informelle Sitzung beim Premierminister in dessen Residenz Matignon. Am Dienstagvormittag findet dann die erste offizielle Ministerratssitzung im Élysée-Palast unter Vorsitz von Präsident Macron statt, der am Montag auf einem Blitzbesuch in Ägypten an der Friedenskonferenz um Gaza teilnahm.
Haupttagungspunkt der Regierung ist der Haushaltsentwurf für 2026. Die Zeit drängt, denn bis Ende Dezember muss alles fertig ausgearbeitet sowie im Parlament debattiert und verabschiedet sein. Am Dienstagnachmittag gibt der Premier vor der Nationalversammlung seine Regierungserklärung ab. Ob er sie selbst mit der Vertrauensfrage verbindet, ist offen.
Die Letzte Regierung hielt nur 14 Stunden
Die große Frage der politischen Beobachter, der Medien und vieler Franzosen ist, ob und wie lange die Regierung Lecornu 2 hält. Bei Lecornu 1 vor einer Woche waren es nur 14 Stunden. Fällt auch diese Regierung, so bleibt wohl nur wie im Juni 2024 die Auflösung des Parlaments mit nachfolgenden Neuwahlen. Als Präsident zurücktreten wird Macron auf keinen Fall, das hat er RN und LFI unmissverständlich erklärt. Er sei vom Volk gewählt und werde bis zum letzten Tag seiner Amtszeit im Mai 2027 auf seinem Posten bleiben.
Mit der Ernennung von 34 Ministern – bei Lecornu 1 waren es nur 18 – hat sich der Premier viel vorgenommen und die Zusammensetzung der Regierungsmannschaft ist innovativ und ausgewogen. Nur ein Drittel der Minister ist neu. Das zweite Drittel gehörte bereits einer der vorangegangenen Regierungen an und der Rest sind parteilose Fachleute.
Das neue Kabinett wird aufgebläht
So war Arbeitsminister Jean-Pierre Farandou von 2019 bis 2024 Präsident der Staatsbahn SNCF. Dort hat er viel mit den seit jeher sehr kämpferischen Eisenbahnergewerkschaften verhandelt. Das Ergebnis war wohl für beide Seiten zufriedenstellend, denn jetzt erklärt die CFDT, die größte Gewerkschaft des Landes, die Ernennung von Jean-Pierre Farandou sei »eine gute Entscheidung«.
Der neue Innenminister Laurent Nuñez ist ein hoher Beamter, der bisher Polizeipräfekt von Paris war. Er folgt auf diesem Posten auf Bruno Retailleau, den Parteivorsitzenden der rechtskonservativen Republikaner (LR). Dessen Partei will sich als Oppositionspartei profilieren und deshalb keine Minister mehr stellen. Sechs LR-Mitglieder, die sich darüber hinweggesetzt haben und die bisher – wie Kulturministerin Rachida Dati – schon Minister waren und es bleiben oder werden wollen, hat Retailleau umgehend aus der Partei ausgeschlossen.
Viele Minister kommen aus nahen Organisationen
Neue Umweltministerin wurde Monique Barbut, die bisher Präsidentin der Tierschutzorganisation WWF France war, und der neue Bildungsminister Edouard Geffray war bisher Generaldirektor und damit ein hoher Beamter in dem Ministerium, dem er jetzt vorsteht.
Gérard Darmanin bleibt Justizminister und Jean-Noel Barrot Außenminister, während das Verteidigungsministerium, das bisher von Premier Lecornu geführt wurde, der bisherigen Gesundheitsministerin Catherine Vautrin anvertraut wurde. Neue Regierungssprecherin wurde die bisherige Abgeordnete Maud Bregeon, die diesen Posten auch schon zwischen September und Dezember 2024 in der kurzlebigen Regierung von Michel Barnier innehatte.
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