Russland präsentiert Leichtbau-Jet

Moskauer Rüstungsmesse MAKS 2021 setzte neue Akzente für den globalen Rüstungswettlauf

  • René Heilig
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Resonanz der Luftfahrtmesse war enorm. Für 500 Rubel (knapp sechs Euro) pro Person und Tag - Großfamilien, Helden der Sowjetunion und Russlands sowie Teilnehmer des Großen Vaterländischen Krieges sowie der russischen Waffengänge in Afghanistan, Tschetschenien und Syrien bekamen Ermäßigungen - konnte man spektakuläre Flugshows bestaunen, Einblicke in High-Tech-Entwicklungen gewinnen und allerlei historisches Fluggerät betrachten.

Eröffnet wurde die Ausstellung vom russischen Präsidenten. Die MAKS, so Wladimir Putin, »blickt in die Zukunft« und die gehöre »unbemannten Luftfahrzeugen, Robotersystemen und der künstlichen Intelligenz«. Was in Schukowski zu sehen ist, zeige deutlich, dass die russische Luftfahrt ein großes Entwicklungspotenzial habe. Weshalb sich der Staatschef selbstbewusst und gut gelaunt dann auch gerne mit dem zweiten Platz der medialen Aufmerksamkeit begnügte. Er ließ einem seit Wochen bereits hochgejubeltem neuen Stern Vorrang: »The Checkmate«. Seltsamer Name? Möglich. Gemeint ist auf alle Fälle ein »Etwas«, das in die Enge treibt, anderen keine Chance lässt - kurzum eine neue Waffe, die jeden Gegner schachmatt setzt. Der Stealth-Jet Suchoi Su-75 Checkmate wurde als Star der MAKS 2021 präsentiert - ein neuer Leichtbau-Jäger der sogenannten fünften Generation. Er stammt aus dem Suchoi-Konstruktionsbüro. Zumindest medial bot man bei der Premiere den Stand der Technik auf: Farbige Laser zuckten, Licht und Schatten wechselten in schneller Folge, die Musik steigerte sich. »Willst du mich nackt sehen?«, stand auf der Plane, die das (mutmaßlich) funktionslose Mockup geheimnisvoll verbarg. Dann fielen die Hüllen. Hervor kam eine Maschine, die man nüchtern als Su-75 bezeichnet.

Der Jet ist eine abgespeckte Version des russischen Stealth-Kampfflugzeugs Su-57, das bereits in die russische Luftwaffe eingeführt wird. Erste technische Details zum kleinen Bruder vermittelte Juri Sljusar, Präsident der Flugzeugbau-Holding United Aircraft Corporation (UAC), zu der Suchoi gehört. Er verwies darauf, dass die Maschine auch mit einem Zwei-Mann-Cockpit gebaut werden, Kampfdrohnen lenken oder selbst als Kampfdrohne operieren soll.

Experten stellten sogleich Vergleiche mit den modernsten US-amerikanischen F-22- und F-35-Jets an. In der Tat kann die Su-75 als Frontjäger durchaus zu einem Instrument des neuen Kalten Krieges werden. Wer bei der Präsentation des 1:1-Modells genau hinschaute, sah auf Videowänden den britischen Zerstörer »HMS Defender«, mit dem sich russische Jets jüngst anlegten, weil das Nato-Kriegsschiff die von Russland nach der Annexion der Krim neu gezogenen Seegrenzen missachtete. Kaum zufällig wurde neben der Su-75 eine Anti-Schiff-Rakete präsentiert. Doch die eigentliche Bestimmung von »The Checkmate« ist der Export. Viele Staaten können sich die teuren US-Jets nicht leisten oder wollen die sich daraus ergebende technische wie politische Abhängigkeit minimieren. Hauptabsatzmärkte der Su-75 sollen laut UAC Staaten in Afrika, Indien und Vietnam sein. Der sehr optimistisch angesetzte Stückpreis liegt bei rund 30 Millionen US-Dollar.

Bei der Konstruktion der Suchoi wird ein attraktives Kosten-Nutzen-Verhältnis angestrebt. Womöglich lässt sich so an den Erfolg der sowjetischen MiG 21 anknüpfen. Dieser Kampfjet wurde ab den 1970er Jahre - immer wieder mit Updates versehen - in 50 Staaten verkauft. Auch wenn die damaligen Stückzahlen nicht erreichbar sind - man prognostiziert einen Bedarf von 300 Su-75-Maschinen. Das wäre wirtschaftlich ein großer Erfolg gegenüber der US-Konkurrenz. Das europäische Future Combat Air System wird wohl noch 20 Jahre auf sich warten lassen.

Politisch trägt das neue Waffensystem - wie viele andere auf der MAKS gezeigte - zu weiterem globalen Wettrüsten bei. Das wohl nicht zufällig zur Eröffnung der MAKS mit neuen Meldungen gefüttert wurde. Während das russische Verteidigungsministerium Bilder vom erfolgreichen Test einer Hyperschallrakete namens »Zirkon« veröffentlichte, warnte das Außenministerium Washington davon, ähnliche US-Waffensysteme in den europäischen Nato-Staaten zu stationieren.

Fast zeitgleich demonstrierte Israel bei Angriffen auf syrisches Gebiet, wie die russischen S-300- und S-400-Flugabwehrsysteme zu überwinden sind. Die Aufregung darüber scheint sich in Moskau in Grenzen zu halten. Am Rande der MAKS wurde bekannt, dass Moskaus Militärs bereits mit dem Nachfolger S-500 trainieren.

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