Teil der sozialen Spaltung

Moritz Wichmann über die steigende Gewalt in US-Städten

  • Moritz Wichmann
  • Lesedauer: 2 Min.

Der US-Bundesstaat New York hat den Notstand wegen Waffengewalt ausgerufen - angesichts einer seit Beginn der Corona-Pandemie um 40 Prozent gestiegenen Zahl von Morden und Totschlägen. Der Schritt ist vor allem symbolisch, auch wenn er weitere staatliche Maßnahmen - nur wenige davon sind repressiv - und Staatshilfen möglich macht. Das ist der Grund, warum zivilgesellschaftliche Gruppen die Erklärung begrüßen.

Ein wesentlicher Grund für die zunehmende Gewalt dürfte die allgemeine Verschärfung sozialer Probleme infolge der Pandemie sein. Denn während die Reichen immer reicher wurden, haben sich mit der Stilllegung vieler Niedriglohnjobs vor allem im Dienstleistungssektor und in den Städten der USA Armut, Depression und Hunger wieder ausgebreitet.

Die großzügigen Staatshilfen in der Krise haben Armut und Hunger erwiesenermaßen eingedämmt. Gleichzeitig zeigt sich ein altes Sozialstaatsproblem: Gerade die am meisten Marginalisierten erreicht manche Hilfe nicht. Sie scheitern an komplizierten Formularen, ausschließenden Vorgaben oder den eigenen - angesichts von Diskriminierungserfahrungen teilweise berechtigten - Vorurteilen gegenüber den Behörden. Auch der aktuelle Anstieg der Mordrate in den US-Städten ist räumlich und sozial konzentriert in von Armen und von Afroamerikaner*innen bewohnten Vierteln. Das erklärt, warum sich viele Menschen in den USA zwar wegen der wachsenden Gewalt sorgen, in Umfragen aber gleichzeitig angeben, diese in ihrer Gemeinde nicht wahrzunehmen.

Zugleich ist die erhöhte Mordrate kein Hinweis auf allgemein zunehmende Kriminalität, denn die Zahl vieler anderer Delikte sinkt. Trotzdem müssen gerade linke und progressive Demokraten, die beim Regieren der US-Städte in Konkurrenz zu konservativeren Teilen der Partei stehen, die Angst vor der Gewalt gerade bei afroamerikanischen Wähler*innen ernst nehmen und dürfen sie nicht mit Plattitüden abspeisen.

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