Kommunisten, Veganer und Urbane

Bundestagswahl: 23 Listen in Berlin zugelassen

»Formal ist das sicher richtig, aber ich möchte trotzdem dagegen protestieren, dass eine faschistische Partei wie die NPD zur Wahl zugelassen wird.« Das sagt Anne Höcker am Freitag im Fritz-Reuter-Saal der Humboldt-Universität am Berliner Hegelplatz. Hier tagt der Berliner Landeswahlausschuss am Morgen, um über die Zulassung der Landeslisten der Parteien für die Bundestagswahl am 26. September zu entscheiden. Am Nachmittag beschäftigt er sich dann mit den Landeslisten für die Berliner Abgeordnetenhauswahl, die ebenfalls am 26. September stattfindet.

Anne Höcker ist als Vertreterin der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands (MLPD) erschienen. Sie kandiert in Berlin-Mitte für den Bundestag. Nachdem sie ihren Satz im Landeswahlausschuss gesagt hat, applaudiert Stefan Natke, Landesvorsitzender der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP), und eine Vertreterin der HipHop-Partei »Die Urbane« klopft zustimmend, wie es Studenten in Hörsälen tun.

Doch wie Anne Höcker richtig bemerkt: Der Landeswahlausschuss ist verpflichtet, nach rein sachlichen Kriterien zu entscheiden - und die NPD hat formal bei der Einreichung ihrer Landesliste für die Bundestagswahl nichts falsch gemacht. Auch 18 andere Landeslisten kleiner und großer Parteien werden anstandslos durchgewunken. Darunter befinden sich die Listen der bereits im Bundestag vertretenden Parteien und solche beispielsweise der Sozialistischen Gleichheitspartei, der Tierschutzpartei und einer speziellen Veganer- und Vegetarier-Partei.

Nicht völlig anstandslos passiert die Liste der DKP. Denn Kris Schnappertz, der für die AfD im Landeswahlausschuss sitzt, erkundigt sich vor der Abstimmung noch einmal, wie das denn nun sei mit dem Parteienstatus der DKP. Der Bundeswahlleiter hatte diesen Parteienstatus angezweifelt, weil die Partei mehrere Jahre lang Rechenschaftsberichte verspätet eingereicht hatte. Deswegen findet Kris Schnappertz in seinen Unterlagen die alte Empfehlung von Landeswahlleiterin Petra Michaelis, die DKP-Liste nicht zuzulassen. Was denn nun? Doch die DKP hatte sich ein »kaltes Parteiverbot«, wie sie es nannte, nicht gefallen lassen und war vor das Bundesverfassungsgericht gezogen. Das Gericht entschied vor wenigen Tagen zugunsten der DKP, die damit gerettet ist. Als Geert Baasen, der die Geschäftsstelle der Landeswahlleiterin leitet, Schnappertz dies erläutert, hat der nichts mehr einzuwenden.

Was die AfD selbst betrifft, gab es zahlreiche, teils anonyme Beschwerden zu angeblichen Unregelmäßigkeiten bei der Aufstellung der Landesliste. Die Vorwürfe seien rechtlich geprüft worden, sagt Wahlleiterin Michaelis. Der Zulassung der Liste stehe nichts entgegen.

Probleme bekommt das Team Todenhöfer des Journalisten Jürgen Todenhöfer, der für seine Reportage »Inside IS« berühmt ist und 1972 bis 1990 für die CDU im Bundestag saß, aber 2020 aus der Partei austrat. Von den Kandidaten auf Platz 13 und 17 der Berliner Liste fehlen die Zustimmungserklärungen. Die beiden werden vom Wahlausschuss gestrichen. Mit den verbleibenden 22 Kandidaten darf Team Todenhöfer jedoch antreten. Von der Liste der Ökologisch-Demokratischen Partei (ÖDP) wird ein Kandidat gestrichen. Bei der Satiretruppe »Die Partei« wurden die Wählbarkeitsbescheinigungen für die Plätze 38 und 41 nicht fristgerecht eingereicht. Die zwei Kandidaten werden gestrichen. »Die Partei« ficht das nicht an. Ihr bleiben noch 46 Kandidaten - so viele wie auf keiner anderen Berliner Liste für den Bundestag. Die Grünen stellten 20 Kandidaten auf, die übrigen Parteien zwei bis zwölf Kandidaten.

Ganz aus dem Rennen nimmt der Wahlausschuss »Die Basis«, eine aus der Querdenkerszene heraus gegründete Partei. Statt wie vorgeschrieben war ein Formular nur von einem Landesvorständler unterzeichnet. Es hätten drei Unterschriften sein müssen, darunter die des Landesvorsitzenden oder seines Stellvertreters. Außerdem abgelehnt ist die Liste der Partei »Die Pinken«, die 298 Unterschriften von Unterstützern pünktlich vorlegte. Vorgeschrieben sind 500. Die restlichen Unterschriften gingen am 19. Juli um 18.11 Uhr ein - elf Minuten nach Fristablauf.

Von den 37 Listen für die Berliner Abgeordnetenhauswahl wird keine komplett zurückgewiesen. Der Ausschuss streicht hier nur einige wenige Kandidaten. Zugelassen sind auch zwölf Einzelbewerber.

Der in seine Zimmermannstracht gekleidete DKP-Landeschef Natke ist nach der Zulassung der beiden Listen seiner Partei erleichtert. Was den Parteienstatus betrifft, musste er sich zwar keine Sorgen mehr machen. »Doch die formalen Anforderungen sind so hoch, dass man schnell mal einen Fehler machen kann«, sagt er.

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