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Es regiert das Prinzip Hoffnung

Die Printzeitung ist tot, online bringt (noch) kein Geld – Wie soll so die Zukunft des Journalismus aussehen?

  • Günter Herkel
  • Lesedauer: 5 Min.

Seit Jahren brechen den Tageszeitungen Auflagen und Werbeeinnahmen weg. Die Corona-Pandemie hat die Branchenkrise noch verschärft. Nach einer kürzlich veröffentlichten Analyse des Bundesverbands Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) gingen die Anzeigen- und Werbeerlöse allein 2020 um 16,9 Prozent auf 1,82 Milliarden Euro zurück. Damit steuerten sie nur noch 26 Prozent zu den Gesamteinnahmen bei. Dagegen erhöhten sich die Vertriebsumsätze – allerdings vor allem aufgrund von Preiserhöhungen – um 4,1 Prozent auf 5,17 Milliarden Euro.

Die verkaufte Gesamtauflage der Tages- und Wochenzeitungen in Deutschland lag im 2. Quartal 2021 bei 15,44 Millionen Exemplaren (Tageszeitungen: 12,28 Millionen; Wochenzeitungen: 1,62 Millionen; Sonntagszeitungen: 1,53 Millionen). Doch der Abwärtstrend scheint unaufhaltsam: Zwischen 1995 und 2020 hat sich Auflage von damals rund 30,2 Millionen nahezu halbiert.

Nicht wenige Experten sehen daher in absehbarer Zukunft bereits das Ende der Zeitung als Printprodukt heraufdämmern. Angesichts eines durchschnittlichen jährlichen Auflagenminus von vier bis fünf Prozent keine unrealistische Prognose. Die Zukunft der Zeitung ist digital – auch darüber herrscht Konsens bei den meisten Branchenkennern. Aber noch stottert die Digitalisierung hierzulande. Gerade mal zehn Prozent der Umsätze erzielten die Zeitungsverlage im Jahr 2020 mit digitalen Angeboten. Es regiert das Prinzip Hoffnung: Kann es gelingen, die Rückgänge im Printbereich in einigen Jahren durch die Digitalerlöse zu kompensieren?

Zweifel erscheinen angebracht. Immerhin, so geht aus einer aktuellen Studie des Umfrageinstituts YouGov hervor, hat jeder fünfte Deutsche in der Pandemie mehr Geld für Bezahlinhalte im Internet ausgegeben. Das ist indes kein Anlass zum Jubel: Die erhöhte Zahlungsbereitschaft bezieht sich vor allem auf Streaming-Angebote im Netz, auf Serien und Filme bei Netflix, Amazon Prime oder Sky sowie Musik-Abos bei Spotify, Apple Music und Deezer. Nach wie vor schlechte Karten hat der Online-Journalismus: »Drei Viertel der Bevölkerung finden, die Grundidee des Internets ist, dass dort alle Informationen kostenlos zur Verfügung stehen.« Dies ist zumindest die zentrale Aussage der Studie »Money for nothing and content for free«, die 2019 im Auftrag der Landesanstalt für Medien (LfM) NRW publiziert wurde.

Digitaler Journalismus wird allzu häufig noch als »Katze im Sack« wahrgenommen. Die Erfahrung, kostenpflichtige Texte anderswo gratis aufzufinden, schreckt viele User vom Abschluss eines Abos ab. Deshalb gelten Plattformen oder sogenannte »One-Stop-Shops« als beliebtestes Bezahlmodell. Das zeigen erfolgreiche Formate wie »Steady«, »Readly« oder »Riffreporter«, eine Plattform für Wissenschaftsjournalismus.

Publikationen abseits vom Mainstream sind aufgrund ihrer politischen Ausrichtung ohnehin weitgehend werbefrei. Das erfordert kreative Lösungsansätze. Die alternative »tageszeitung« (taz), eine Genossenschaft mit rund 20 000 Mitgliedern, macht derzeit eine digitale Transformation speziellen Zuschnitts durch. Druck und Vertrieb des Printprodukts als Hauptkostenfaktoren sollen in absehbarer Zeit minimiert werden, indem die Zeitung nur noch am Wochenende in gedruckter Form erscheint. Zugleich kann sie auf ermutigende Erfahrungen mit freiwilligen Zahlungen ihrer User*innen verweisen. »taz zahl ich« heißt das Online-Bezahlmodell, mit dem an die 30 000 Leser*innen durch periodische oder einmalige Beiträge den Journalismus des Blattes unterstützen.

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Dass die Zeitungsbranche in der Krise steckt, ist auch der GroKo nicht entgangen. Stattliche 220 Millionen Euro wollte die Bundesregierung lockermachen, um den Verlagen bei der digitalen Transformation unter die Arme zu greifen. Zunächst gedacht als reine Vertriebsförderung – zwecks Ausgleichs gestiegener Zustellkosten durch den inzwischen eingeführten Mindestlohn – bekam das Programm später den Titel »Erhalt der Medienvielfalt und -verbreitung in Deutschland sowie Stärkung des Journalismus und darin tätiger Medienschaffender«. Gekoppelt werden sollten die Hilfen an aktuelle Auflagen und Reichweiten der Publikationen, was logischerweise Großverlage begünstigt hätte. Das Projekt scheiterte krachend, auch weil digitale Startups wie »Krautreporter« mit einer Verfassungsbeschwerde wegen drohender Wettbewerbsverzerrung zu Lasten reiner Digitalmedien drohten.

»Lieber Insolvenzen bei Zeitungen als der Verlust ihrer Unabhängigkeit durch Subventionen« – mit diesem Spruch hatte sich noch vor zwei Jahren BDZV-Präsident und Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner als leidenschaftlicher Gegner von Staatsknete für Not leidende Printmedien geoutet. Gleichwohl spricht manches dafür, dass ohne staatliche oder institutionelle Intervention auf dem Pressemarkt einer weiteren Medienkonzentration nicht beizukommen ist. Staatliche Hilfen gibt es schon längst, wenngleich in struktureller und indirekter Form, etwa über den verminderten Mehrwertsteuersatz oder mittels vergünstigter Posttarife.

Um eine Trendwende herbeizuführen, bedarf es jedoch keiner Gießkannenförderung, sondern präziserer Instrumente. Etwa die gezielte Förderung von Zweit- oder Drittzeitungen vor Ort, um die lokale Vielfalt zu sichern, wie es zum Beispiel in Schweden oder Norwegen geschieht. Schweden vergibt Gelder über einen speziellen Medienförderrat seit kurzem auch an Onlinemedien, Podcasts und Web-Fernsehen – solang diese Qualitätsjournalismus machen, der pluralistisch ist und auf demokratischen Prinzipien beruht.

Seit Mai liegt ein interessanter Vorschlag in Form eines Gutachtens vor, das von der Bundestagsfraktion der Grünen in Auftrag gegeben wurde. Das von Wissenschaftler*innen der Uni Mainz verfasste Werk lotet die »Möglichkeiten öffentlicher Förderung von Lokal- und Regionaljournalismus bei Wahrung der Staatsferne« aus. Das Gutachten geht unter Bezug auf den gescheiterten Pressehilfeplan der Groko von einem Fördervolumen von etwa 200 Millionen Euro aus. Die Mittelvergabe erfolgt demnach unabhängig vom Verbreitungsweg, kommt also für Print und Online infrage. Zudem ist sie unabhängig vom Geschäftsmodell, gilt für marktfinanzierte wie auch für Non-Profit-Medien.

Schwerpunkt der Förderung könnte eine »kriterienbasierte Produktionsunterstützung« sein. Gemeint sind zusätzliche Mittel zur Verstärkung der Redaktionen. Weitere Kriterien: Vorhandenes Personal im Umfang von mindestens zwei vollen Stellen (Ausschluss von »Einzelkämpfer«-Projekten); 50 Prozent redaktionelle Inhalte, davon die Hälfte eigenproduziert. Als weitere Fördervoraussetzung denkbar: eine Mindestreichweite (laut Gutachtervorschlag 1500 Nutzer*innen), eine »regional prekäre journalistische Infrastruktur« (beispielsweise Ein-Zeitung-Kreise) sowie die Einhaltung professioneller Standards (Bekenntnis zum Pressekodex).

Falls nach den Bundestagswahlen ein progressiveres Bündnis die Regierung stellt, könnte dieses Modell als Blaupause für einen konkreten Gesetzesvorschlag dienen.

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