Der Prinz und die Pressefreiheit

Vier einstweilige Verfügungen zu Äußerungen gegen Georg Friedrich Prinz von Preußen vom Tisch

»Das Ganze hier läuft unter dem Stichwort Hohenzollernstreit«, erläutert Richterin Susanne Tucholski am Donnerstag zu Beginn von vier Berufungsverfahren, die nacheinander am Kammergericht Berlin verhandelt werden. Es geht jeweils um veröffentlichte Äußerungen, die sich Georg Friedrich Prinz von Preußen nicht gefallen ließ. Sein Rechtsanwalt Markus Hennig erwirkte einstweilige Verfügungen, die in den Jahren 2019 und 2020 vom Landgericht Berlin bestätigt worden sind. Das wiederum ließen sich die Betroffenen nicht gefallen und legten Revision ein. Darüber haben nun am Donnerstag Tucholski und ihre Kollegen zu befinden.

Der Nachfahre des letzten deutschen Kaisers sei eine öffentliche Person, stellt Tucholski für die Zuschauer klar. Und: »Niemand hat Anspruch darauf, in der Öffentlichkeit so dargestellt zu werden, wie er das gerne möchte.« In keinem der vier vorliegenden Fälle sei es den Hohenzollern allerdings darum gegangen, die Berichterstattung insgesamt zu verhindern. Juristisch vorgegangen wurde immer nur gegen einzelne Passagen.
Besonders deutlich ist das in dem Fall, der um 11 Uhr in Gerichtssaal 449 zuerst drankommt. In einer Publikation der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi erschien ein Beitrag über die Strategie von Reichen und Mächtigen, Journalisten mit Klagen einzuschüchtern, bei denen es gar nicht um die Sache gehe, sondern darum, diese Journalisten finanziell fertigzumachen. In einer Randnotiz wird Georg Friedrich Prinz von Preußen erwähnt. Dieser habe sich als »besonders klagefreudig« erwiesen, was die wissenschaftliche und mediale Aufarbeitung der Geschichte seiner Familie betrifft.

»Das ist so ein schwerer Vorwurf«, kreidet Anwalt Hennig dem Verfasser und der Gewerkschaft an. Da sollen die Hohenzollern erst den Faschisten geholfen haben und wollten nun noch jene bedrängen, die das als Historiker aufklären. Das wäre tatsächlich schlimm, so Hennig. Aber es stimme einfach nicht. Die Richter sehen es anders. Schließlich habe es tatsächlich juristische Schritte gegen zwei Historiker gegeben. Die einstweilige Verfügung wird aufgehoben.

Einer der genannten zwei Historiker sitzt dann wenige Minuten später im Saal 449. Ihm wurde per einstweiliger Verfügung untersagt, etwas öffentlich zu wiederholen, was er gar nicht wiederholen will – was er auch nie öffentlich sagen wollte, wie er beteuert. Eine Rundfunkjournalistin hat ihn per E-Mail angefragt, wie er dazu stehe, dass die Hohenzollern ein Mitspracherecht verlangen, wie die Geschichte der Familie in Museen präsentiert wird. Der Historiker antwortet, das müsse sie einen Juristen fragen. Als Wissenschaftler und Privatmann könne er sagen, dass er solche Versuche der Einflussnahme für »abenteuerlich« halte. Damit soll er sich die falsche Auskunft der Journalistin zum angeblich verlangten Mitspracherecht »zu eigen gemacht« haben, wie es presserechtlich heißt.

Der Historiker glaubt, in seiner E-Mail deutlich gemacht zu haben, er wolle nicht zitiert werden. Er wird aber dennoch zitiert – ein Missverständnis, bedauert der Sender. Weil der Historiker keine Unterlassungserklärung unterschreiben will, landet die Sache vor Gericht. Erst am Donnerstag einigen sich die Rechtsanwälte, die Sache sei nun erledigt, ein Gerichtsentscheidung über den Sachverhalt nicht mehr erforderlich. Nur darüber, ob sie die Kosten des Verfahrens teilen, müssen sich beide Parteien noch verständigen. Gelingt dazu innerhalb von zwei Wochen keine Einigung, beschließt das Gericht, wer bezahlen muss. Diese Lösung hält Anwalt Hennig für »tragfähig«. Sie sei »gesichtswahrend für beide Seiten«, sagt er.

Im dritten Fall geht es dann um die Behauptung eines Internetportals, wichtige Dokumente, die für eine unabhängige Forschung erforderlich seien, befänden sich quasi fest verschlossen in nicht öffentlich zugänglichen Privatarchiven der Hohenzollern. Hier legen die derart Gescholtenen Beweismaterial vor, wie das Archiv auf der Burg Hohenzollern genutzt werden könne und welche Wissenschaftler wann Zugang zum Archiv hatten – hier fällt auch der Name des Historikers aus dem zweiten, inzwischen erledigten Berufungsverfahren. Den Wunsch des Vereins, der das Internetportal betreibt, die einstweilige Verfügung zu kassieren, lehnt das Gericht folgerichtig ab. Der Verein erklärt sich gleich bereit, nicht mehr »so wie geschehen« zu verbreiten, dass der Zugang zum Privatarchiv von den Hohenzollern »komplett« verwehrt werde. Einem Studenten soll beschieden worden sein, im Moment könne er nicht kommen – aber später!

Im vierten und letzten Fall dreht es sich wieder um die Frage, ob die Hohenzollern ein Mitspracherecht bei der Darstellung der Geschichte ihrer Familie verlangt haben. Das »geht gar nicht«, twitterte Daniel Wesener, der für die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus sitzt. Hier finde das Gericht, das sei keine falsche Tatsachenbehauptung, sondern eine zulässige Meinung, deutet Richterin Tucholski an. Anwalt Hennig gibt daraufhin zu Protokoll, sein Mandant verlange selbst bei den Dauerleihgaben keinen Einfluss auf die Geschichtsdeutung – und verzichtet im übrigen auf eine einstweilige Verfügung gegen den Politiker.

Keine Neuigkeiten gibt es indessen betreffs der 1,2 Millionen Euro Entschädigung der Hohenzollern für nach dem Zweiten Weltkrieg in der sowjetischen Besatzungszone enteignetes Eigentum. Da ein Vergleich dem Vernehmen nach nicht mehr in Sicht ist, müssen Gerichte urteilen, ob Kronprinz Wilhelm den Nazis einst erheblich Vorschub leistete, wie Historiker sagen, und eine Entschädigung deshalb verwehrt werden darf.

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