Julio Iglesias: »Begin the Beguine«

  • Frank Jöricke
  • Lesedauer: 2 Min.

Als Julio Iglesias berühmt wurde, in den frühen 70er Jahren, regierte in Spanien noch El Caudillo (»der Führer«), also Franco. In westdeutschen Städten war an Hauswänden die Parole »Franco Mörder« zu lesen. Das störte die Spanien-Touristen aber nicht sonderlich. Was wog schon eine Diktatur, die in den letzten Zügen lag, gegen Sonne, Sand und Meer!

Spanien war das Sehnsuchtsland einer Nation, die nicht nur mit ihrer unbewältigten Nazi-Vergangenheit zu kämpfen hatte, sondern auch mit verregneten Sommern und zu vielen Überstunden. Das sogenannte Wirtschaftswunder war alles andere als wunderschön gewesen – und ein »Wunder« schon gar nicht! Es war das Ergebnis einer Ochsentour, die man heute als kollektiven Workoholismus bezeichnen würde. Während die Autoindustrie des Landes boomte, gingen seine Bewohner auf den Felgen. Diese sehnten sich nach einer Welt, die nicht an die kaputtmalochte, zubetonierte Hightech-BRD erinnerte. Wenigstens zwei Wochen im Jahr wollte man träumen, dass ein anderes Leben möglich war.

Und den Soundtrack zu diesem Traum lieferte Julio Iglesias, der mehr Schmelz in seiner Stimme hatte als der Schokokern von Nogger. Ja, er lebte und verkörperte diesen Traum. Umso ungerechter ist es, dass seine Platten, von denen er über 300 Millionen weltweit verkauft hat, heute bei Schlagersendern laufen. Zwischen den Showbiz-Hochleistungssportlerinnen Helene Fischer und Andrea Berg, die aus der Bühne eine Muckibude machen, hat der tiefenentspannte Julio wahrlich nichts verloren.

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