Wie lange bleibt uns noch das Bargeld erhalten?

Vor der Einführung des digitalen Euro

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Boulevardpresse gibt inzwischen ebenso Anlagetipps für Kryptowährungen wie der Betreiber des lokalen Tattoostudios, scherzte kürzlich ein Ökonom der Europäischen Zentralbank (EZB). Kryptowährungen wie Bitcoin seien zu schwankungsanfällig, und diese Stromfresser seien zu teuer im Unterhalt, um die klassischen Funktionen einer Währung zu erfüllen: allgemein anerkannte Recheneinheit, Zahlungsmittel, Wertaufbewahrung. Es spricht sogar einiges dafür, so die EZB-Experten, dass der Preis von Bitcoin »über kurz oder lang null sein wird«.

Dem mag man zustimmen, wie der Autor, oder auch nicht. Eines ist jedoch gewiss: Der Staat und die großen Notenbanken werden sich nicht die Butter vom Brot nehmen lassen. Sollten Euro, Dollar oder Yen an Bedeutung verlieren, würden Kryptowährungen scharf reguliert oder gar verboten. Anders sieht es bei digitalen Währungen aus.

China testet digitalen Yuan

China testet bereits in vier Städten einen digitalen Yuan. Auch EZB-Präsidentin Christine Lagarde scheint sich bereits festgelegt zu haben. »Wir werden einen digitalen Euro haben«, sagte sie am 13. Januar 2021 der Nachrichtenagentur Reuters. Es werde freilich einige Zeit benötigen, um sicherzustellen, dass es etwas gibt, was sicher ist.

Zudem bekräftigte sie die bereits mehrfach getätigte Aussage, dass ein digitaler Euro lediglich als ergänzendes Zahlungsmittel eingeführt werde und Bargeld nicht ersetzen solle. Lagarde nannte dafür eine Frist von fünf Jahren bis zu einer möglichen Einführung.

Mit der Kreditkarte fing es an

Wie schon eingangs gesagt: Unser Verständnis von Geld hat sich über die Jahre sehr verändert. Die Legende geht so: Da lädt Anfang 1950 ein Autohändler in Manhattan seine besten Freunde zum Dinner in ein Speiselokal namens Major's Cabin Grill ein. Die Tischgespräche sind lebhaft, die Weine süffig, die Speisen vorzüglich. Schließlich kommt die Rechnung.

Doch McNamara hat seine Brieftasche in einem anderen Mantel vergessen. Es folgt ein hochnotpeinliches Hin und Her mit den Kellnern, die dem Vergesslichen am Ende Zahlungsaufschub gewähren. Als Garantie hinterlässt der Zecher seine Visitenkarte, die er auf der Rückseite signiert.

Daheim angekommen, schwört er, nie wieder in eine so peinlichen Situation zu geraten - und erfindet die erste Kreditkarte der Welt: Ein braunes Stück Pappe, das seinen Inhaber berechtigt, in gewissen Restaurants in New York anschreiben zu lassen. Er nennt die Karte, naheliegend, »Diners Club Card«.

Soweit die vielfach beschriebene und wohl von McNamara erfundene Legende zum Ursprung der Kartenzahlung. Heute sind allein in der Bundesrepublik 40,6 Millionen Kreditkarten im Umlauf, zeigt die Zahlungsverkehrsstatistik der Bundesbank. Noch weit häufiger im Einsatz sind Debitkarten, die Geld direkt vom Girokonto abbuchen, und Karten, mit denen allein am Geldautomaten Bargeld abgehoben werden kann.

Aber nicht allein die Kartenzahlung hat vieles verändert. Seit den 1970er Jahren und dem Ende des Bretton-Woods-Systems verschwand endgültig die Golddeckung unseres Geldes. Später lösten sich auch die festen Wechselkurse zwischen den großen Währungsblöcken auf. Dass Online-Banking per Internet und mittlerweile per Smartphone hat dann die Welt des Geldes erneut umgekrempelt. International taten dies auch der russische Rubel, der nach dem Untergang der Sowjetunion zur frei konvertierbaren Währung mutierte, und der Yuan (Renminbi), der parallel zum wirtschaftlichen Aufstieg Chinas nunmehr an globaler Bedeutung gewann.

In Deutschland hat sich Grundlegendes geändert mit dem Abschied von der D-Mark und seinem Nachfolger, dem Euro, der als Bargeld am 1. Januar 2002 in europäischen Staaten in Umlauf gebracht wurde. Der Euro gilt heute nach dem US-Dollar als zweite globale Leitwährung. Wie im richtigen Leben gibt es also auch beim Geld keine Ewigkeitsgarantien.

Der digitale E-Euro wird kommen

Das weiß auch Euro-Chefin Lagarde. Bei ihrem digitalen »E-Euro« geht es in der Sache um die weitere Überführung von physischem Bargeld in die digitale Welt. Befürworter versprechen sich vor allem eine zusätzliche Beschleunigung der Geldströme. Einer der größten Vorteile wären blitzschnelle und kostengünstige Überweisungen über Landesgrenzen hinweg.

An sich ist digitales Geld nicht wirklich neu. Private Haushalte und Unternehmen halten in großem Umfang Bankeinlagen, die in der Praxis nichts anderes sind als digitales Geld. Hinzu kommt, dass Geschäftsbanken bereits seit langer Zeit digitale Forderungen gegenüber der Zentralbank haben.

Auch wenn viele Detailfragen noch geklärt werden müssen, der digitale E-Euro wird kommen. Gibt es also schon bald kein Bargeld mehr? Nein, versichert die EZB: »Bargeld wird auf absehbare Zeit das gängigste Zahlungsmittel bleiben.« Bargeld sei werthaltig, man kann seine Echtheit verlässlich überprüfen und Fälschungen von echtem Bargeld unterscheiden. Außerdem benötige man bei Geschäften mit Bargeld keinen Dritten. Kein anderes Zahlungsinstrument bietet diese drei Elemente so effektiv wie Bargeld.

Weitere Infos siehe Internetseite der EZB in deutsch unter www.ecb.europa.eu/ paym/digital_euro/html/index.de.html.

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