Leser laufen von Loretta bis Loretta
ND-Herbstwanderung beginnt und endet am 16. September in einem Restaurant am Wannseeufer
Wo jetzt der Biergarten mit schattigen und sonnigen Plätzen lockt, stand einst der Kaiserpavillon von der Wiener Weltausstellung 1873 - Kaiserpavillon deshalb, weil die Monarchen von Deutschland, Österreich und Russland darin gespeist hatten. Offiziell hieß das Häuschen »Pavillon der Nationen«. Bankier Wilhelm Conrad hatte den Pavillon erworben, die Konstruktion zerlegen und auf der Anhöhe am Wannsee wieder montieren lassen. Tische und Stühle davor zeigt eine historische Ansicht, die im Restaurant »Loretta« hängt.
Um 1900 ersetzte ein größeres Gebäude den Pavillon. Es nahm im Zweiten Weltkieg Schaden, wurde noch bis in die 1960er Jahre als Markthalle genutzt, aber dann abgerissen. Durch den Bau der Mauer geriet die Gegend in eine Randlage. Die Kunden blieben aus.
Dafür entwickelte sich die Gastwirtschaft nebenan zu einem bevorzugten Ausflugslokal der Westberliner. Schließlich blieben durch das plötzliche Inseldasein der Grunewald und der Wannsee eine der wenigen Möglichkeiten, raus ins Grüne zu fahren. Bis 1989 sei es sogar werktags schon ab 10 Uhr früh rappelvoll gewesen, erinnert sich Stephanie Schade, die das Restaurant »Loretta« samt Biergarten in den 70er Jahren gemeinsam mit ihrem Mann Jörg übernahm.
Stephanie Schade kam nach dem Abitur aus Rheinland-Pfalz nach Westberlin und begann Geschichte und Deutsch zu studieren. Den Abschluss als Lehrerin machte sie noch, gearbeitet hat sie in diesem Beruf jedoch nie. Jörg Schade stieg als einer der Betreiber der Weddinger Studentenkneipe »Deichgraf« ins Gastgewerbe ein. Anschließend pachtete die Familie das »Loretta am Wannsee«.
Gleich zu Beginn entstand neben dem Biergarten der kleine Spielplatz, der bis heute immer wieder umgestaltet wurde. Eine Rutsche und zwei Schaukeln stehen da zum Beispiel, damit die Knirpse schon herumtollen können, wenn die Eltern noch in Ruhe aufessen möchten. »Ich habe drei Kinder. Ich weiß, wie das ist«, erzählt Stephanie Schade. Sie wünscht sich eigentlich einen Abenteuerspielplatz, am liebsten mit einem ausrangierten Auto. »Aber so etwas bekommt man leider ohne extra Aufsichtspersonal nicht genehmigt.« Mit alten Möbeln der Schwiegermutter neu ausgestattet ist der Saal im Obergeschoss des Restaurants. Ein bequemes Plüschsofa am Kamin, ein verschnörkelter Tisch und Bücherregale machen den Raum gemütlich.
Restaurant »Loretta«, Kronprinzessinnenweg 260, Mo.-Sa. ab 10 Uhr, So. ab 12 Uhr, immer bis mindestens 23 Uhr, Tel.: 803 51 56, www.loretta.de
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.