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Ein Grundstücksdeal und seine Folgen

In Wildau zerrüttet ein Korruptionsverdacht die Verhältnisse in Wohnungsgesellschaft und Kommunalpolitik

Die neue Kita am Hasenwäldchen in Wildau ist vor einer Woche inoffiziell übergeben worden. Der feierliche Akt soll noch nachgeholt werden. Zehn Millionen Euro hat alles gekostet. Es gab zwei Millionen Euro Fördermittel. Derweil laufen Baumaßnahmen für einen neuen Standort der Sparkasse voraussichtlich noch bis Februar. Das Kreditinstitut war mit den bisherigen Räumlichkeiten unzufrieden und drohte, sich ganz aus Wildau zurückzuziehen, was aber mit einem Umzug abgewendet werden konnte.

Das sind zwei von vielen Projekten, auf die Sven Schulze am Montag einging. Er ist seit einem halben Jahr Geschäftsführer der kommunalen Wildauer Wohnungsbaugesellschaft mbH (WiWo). Die Firma erlebte eine turbulente Zeit, und ausgestanden ist die krisenhafte Situation noch immer nicht - jedenfalls nicht vollständig.

Die Wildauer Wohnungsbaugesellschaft

Die kommunale Wildauer Wohnungsbaugesellschaft mbH (WiWo) hat im laufenden Jahr 15 Millionen Euro Umsatz gemacht und einen Überschuss von 1,5 Millionen Euro erwirtschaftet.

Mit 15 Millionen Euro Umsatz sowie 1,5 bis 3 Millionen Euro Gewinn rechnet Geschäftsführer Sven Schulze auch im kommenden Jahr.

140 Neuvermietungen hat es im Jahr 2021 gegeben. Dem standen 1100 Nachfragen gegenüber. Es gibt praktisch keinen Leerstand. Nur drei oder vier Wohnungen sind wegen Baumaßnahmen vorübergehend nicht belegt.

Die WiWo verfügt über einen Bestand von rund 1900 Wohnungen. Sie ist damit der größte Vermieter in Wildau.

Sieben störungsanfällige Aufzüge sollen zum Preis von je 100 000 Euro ersetzt werden. Es seien schon Benutzer in diesen Fahrstühlen eingeschlossen gewesen, heißt es. af

Dabei betont Rechtsanwalt Lars-Jonas Schmidt von der Kanzlei Schwoerer & Kollegen extra: »Die WiWo war nie ein ruinöses Unternehmen.« Immer hat sie anderthalb bis drei Millionen Euro Überschuss erwirtschaftet. Aber die Tatsache, dass hier bei der Vorstellung der Bilanz für das zu Ende gehende Jahr ein Rechtsanwalt mit am Tisch sitzt, ist ein Fingerzeig auf die ganz anders gelagerten Probleme. Sie hängen zusammen mit den Bestrebungen zur Abwahl von Bürgermeisterin Angela Homuth (SPD).

Aber der Reihe nach: Am Montag vergangener Woche übergab die Bürgerinitiative für Demokratie und Transparenz im Rathaus 2769 Unterschriften. Der Initiative - an ihrer Spitze steht die frühere Eiskunstlauf-Weltmeisterin und DDR-Fernsehmoderatorin Christine Stüber-Errath - geht es um die Ablösung der als korrupt angesehenen Bürgermeisterin Homuth. Denn die Kommunalpolitikerin soll sich bemüht haben, einem Investor ein 4600 Quadratmeter großes Grundstück günstig zuzuschanzen. Damit soll sie sich für 1500 Euro zu revanchieren versucht haben, die Bekannte mit finanziellen Schwierigkeiten von dem Investor für einen Auftrag erhielten, ohne den Auftrag zu erledigen. Die Ermittlungen zu dem Fall, die sich auch noch auf eine 10 000-Euro-Spende für den Bürgermeisterwahlkampf und das Begleichen der Restaurantrechnung für die Siegesfeier erstreckten, sind von der Staatsanwaltschaft allerdings im August eingestellt worden: gegen Zahlung von 5500 Euro durch Homuth. So glimpflich davongekommen ist die Politikerin, weil der Grundstücksdeal am Ende gar nicht zustande kam.

Der damalige WiWo-Chef Frank Kerber hatte sich geweigert, die Verantwortung für einen Verkauf weit unter dem angenommenen Wert zu übernehmen. Er wollte schriftlich von der Haftung freigestellt werden, bevor er sich an die Weisung hält. »Andernfalls hätte ich mich der Untreue strafbar gemacht«, sagt er. Ihm ist danach fristlos gekündigt worden.

Wie Wiwo-Anwalt Schmidt erklärte, hat das Arbeitsgerichts Cottbus die Kündigung am 24. November für rechtens erkannt - wegen des schwer gestörten Vertrauensverhältnisses zur Gesellschafterin, der Stadt Wildau. Wenn Einsicht in Unterlagen begehrt wurde oder es sonst etwas zu klären gab, seien Anwälte eingeschaltet worden, statt zum Telefonhörer zu greifen, illustriert Schmidt. Das habe »immense Kosten« verursacht.

»Ich bin froh über diesen Gerichtsentscheid, weil er mich sicherlich in meiner Arbeit bestätigt hat«, sagt Bürgermeisterin Homuth. Der neue Geschäftsführer Schulze frohlockt: »Mit dem Gerichtsurteil hat die Verunsicherung innerhalb des Unternehmens und in unserer Mieterschaft endlich ein Ende gefunden. Damit ist die Zeit, in der wir mit angezogener Handbremse agieren mussten, zu Ende.«

Dabei ist Berufung noch möglich, und Frank Kerber will »auf jeden Fall« Berufung einlegen. Einen Monat hat sein Anwalt dafür Zeit, einen weiteren Monat für das Nachliefern der Begründung. Doch die Gegenseite ist überzeugt: Vor Ablauf des ohnehin auf Juni 2022 befristeten Vertrags von Kerber werde dieser keinen Gerichtstermin mehr bekommen. Man sei ihn somit los. Es gehe dann höchstens noch um dessen Altersversorgung und eine Abfindung.

Derweil hat Frank Kerber im Sommer eine neue Aufgabe übernommen. Er ist jetzt Geschäftsführer der ebenfalls kommunalen Wohnungsgesellschaft »Märkische Heimat« in Ludwigsfelde.

Widerstand gegen den Grundstücksdeal hat aber nicht nur er geleistet, sondern auch Linksfraktionschef Heinz Hillebrand. Er hat als Whistleblower Journalisten informiert. Die Quittung für ihn: Er wurde aus dem Aufsichtsrat der WiWo entfernt. Seine mit Formfehlern begründete Klage dagegen hatte keinen Erfolg. Die Linke entsandte einen anderen Vertreter in den Aufsichtsrat.

Der neue WiWo-Chef Schulze hat sich vorgenommen, in den nächsten Jahren 23 Millionen Euro zu investieren. So sollen 23 Autoparkplätze entstehen und ein Spielplatz hergerichtet, perspektivisch auch Heizungen erneuert werden. Für die Servicegesellschaft sucht Schulze noch Facharbeiter wie Heizungsmonteure, die kleinere Reparaturen selbst ausführen können. Dann müssten nicht immer Firmen beauftragt werden, die lange Anfahrtswege haben. Einen technischen Leiter hat Schulze bereits eingestellt, auch sonst allerlei Personal. Denn von den früheren Mitarbeitern Kerbers erhielten einige ihre Kündigung, etliche gingen von sich aus. Der neue Chef spricht von einem Investitionsstau. Der alte Chef sagt: »Das ist Blödsinn.« Man könne natürlich günstige Sozialwohnungen in der Schwartzkopff-Siedlung modernisieren und anschließend teurer vermieten. Unter ihm sei das mit Bedacht nicht geschehen.

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