Hamburg wird unerschwinglich für Mieter

Im Jahr 2021 ist das Wohnen in Hamburg um 7,3 Prozent teurer geworden

  • Volker Stahl, Hamburg
  • Lesedauer: 4 Min.

Kurz vor dem Weihnachtsfest gab es für Hamburgs Mieterinnen und Mieter eine bittere Bescherung: Seit 2019 sind die Mieten in der ohnehin hochpreisigen Elbmetropole um weitere 7,3 Prozent gestiegen! Das ergab die Auswertung des neuen Mietenspiegels, den Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD) in dieser Woche vorstellte.
Die Ausgangslage war klar. Hamburg ist ein attraktiver Wohnort. Die Leerstandsquote von 0,5 Prozent ist im Vergleich zu anderen Großstädten die bundesweit niedrigste, und in den kommenden Jahren wird die Bevölkerung laut Prognose der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen um weitere 146 000 Personen wachsen. Doch mit dem Anstieg der Mieten um 7,3 Prozent hat – auch in Anbetracht des ambitionierten Bauprogramms des rot-grünen Senats von jährlich rund 10 000 Wohnungen und der Mietpreisbremse – kaum jemand gerechnet. Besonders beunruhigend ist, dass erstmals Mieten in dem Hamburger Mietenspiegel berücksichtig wurden, die nicht nur binnen vier, sondern sechs Jahren erhöht oder neu vereinbart wurden. Ohne diese Neuerung wäre der Anstieg ziemlich sicher zweistellig ausgefallen.

Am 1. April 2021, dem Stichtag der Erhebung, betrug die durchschnittliche Nettokaltmiete in Hamburg 9,29 Euro pro Quadratmeter – 63 Cent mehr als vor zwei Jahren. Von dieser Entwicklung sind rund 563 000 Wohnungen betroffen. Das ist mehr als die Hälfte des Gesamtbestands von 976 709 Wohnungen in Hamburg. Grundlage der Untersuchung war die Auswahl von 71 000 nach repräsentativen Gesichtspunkten ausgesuchten Haushalten, von denen es 27 000 Rückmeldungen gab, die wiederum zur Hälfte verwertbar waren. Grundsätzlich bildet der Mietenspiegel dabei nur Wohnungen ohne Preisbindung ab, deren Miete sich im Untersuchungszeitraum verändert hat. Die vom Institut für Wohnen und Stadtentwicklung GmbH durchgeführte Erhebung berücksichtigt nicht die mietpreisgebundenen Sozialwohnungen und Wohnungen im Bestand ohne Mieterhöhung.

»Der Wohnungsmarkt in Hamburg ist weiterhin angespannt. Diese Realität führt uns der aktuelle Mietenspiegel noch einmal klar vor Augen«, konstatierte Dorothee Stapelfeldt. Der Anstieg der durchschnittlichen Nettokaltmiete mahne die Stadt, nicht nachzulassen in ihren Anstrengungen, den Mietenmarkt mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln zu entlasten. Die Senatorin sagte, wie das funktionieren soll: »Durch den stetigen Wohnungsneubau, mit dem wir seit 2011 fast 114 000 neue Wohnungen auf den Weg gebracht haben. Und mit der konsequenten Nutzung aller Instrumente des Mieterschutzes – von der Mietpreisbremse für Neuvermietungen, deren Schlupflöcher wir mit einer eigenen Bundesratsinitiative schließen wollen, bis zur Kappungsgrenzenverordnung, die die Mieterhöhung im Bestand begrenzt.«

Höchster Mietenanstieg seit zwei Jahrzehnten

Die Senatorin rede sich die Lage schön, meinte die Linke-Abgeordnete Heike Sudmann. »Der höchste Mietenanstieg seit zwei Jahrzehnten zeigt, dass die ›konsequente Wohnungsbaupolitik‹ des Senats konsequent in die falsche Richtung geht.« Wer zehn Jahre lang in der Mehrzahl teure freifinanzierte Wohnungen und noch teurere Eigentumswohnungen baue, so Sudmann, brauche sich nicht zu wundern, wenn die Mieten unaufhörlich stiegen.

Auch Andreas Breitner, Direktor des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW), zeigte sich geschockt. »Der Anstieg ist alarmierend. Er macht klar, dass die städtischen Bemühungen zur Entspannung des Hamburger Wohnungsmarkts dringend fortgesetzt werden müssen.« Hamburg brauche nun vor allem Kontinuität im Neubau und Umsicht bei staatlichen Anforderungen an den Klimaschutz. »Jede umfangreich energetisch sanierte 1960er-Jahre-Wohnung wird teurer wieder vermietet werden müssen«, so Breitner. Der hohe Mietenanstieg erkläre sich unter anderem dadurch, dass solche Sanierungen nach Leerzug jetzt in großem Umfang erfolgten.

Auch der Mieterverein zu Hamburg kritisierte den »extrem starken Mietenanstieg«, den höchsten der vergangenen 20 Jahre. »Er muss für den Senat ein Signal sein, dass die bisherigen Bemühungen, den Wohnungsmarkt in Hamburg zu stabilisieren, offenbar nicht gefruchtet haben«, sagte Geschäftsführer Rolf Bosse. »Mieten von rund 13 Euro und mehr je Quadratmeter bei Neumietverträgen zeigen, dass nur ein verstärkter Bau von bezahlbaren Wohnungen und eine Mietpreisbremse, die den Namen verdient, den Wohnungsmarkt nachhaltig beruhigen können.« Außerdem setzt sich der Mieterverein dafür ein, dass »alle Mieten« bei der Bestimmung der ortsüblichen Miete Berücksichtigung finden. »Um unseren Forderungen den nötigen Nachdruck zu verleihen, unterstützt der Verein auch die bundesweite Kampagne mietenstopp.de, die unter anderem vom Deutschen Mieterbund getragen wird«, sagte Siegmund Chychla, Vorsitzender des Mietervereins zu Hamburg.

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