Bei Betriebsschließung kein Anspruch auf Schadenersatz

Arbeitsrecht in Corona-Zeiten

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Drei vom ersten Lockdown betroffenen touristischen Betrieben hat das Oberlandesgericht in Rostock (Az. 4 U 15-21; 4 U 37-21) kaum Aussicht auf Schadenersatzleistungen aus Betriebsschließungsversicherungen gemacht. Die Firmen hatten argumentiert, dass die Anordnung zur Betriebsschließung nach dem Infektionsschutzgesetz im März 2020 Voraussetzung für den Eintritt des Versicherungsfalls sei. Allerdings war Covid-19 erst am 23. Mai des vergangenen Jahres, also nach der verordneten Schließung, ins Infektionsschutzgesetz als Krankheit aufgenommen worden.

Das OLG vertrat die Ansicht, dass es sich bei den zum damaligen Zeitpunkt im Infektionsschutzgesetz genannten Krankheiten um eine »abschließende Aufzählung« handle. Die Kläger sind dagegen der Meinung, dass die Aufzählung im Infektionsschutzgesetz nur beispielhaft und dynamisch sei. Bei einem Verfahren geht es um einen Streitwert von knapp 1,2 Millionen Euro, bei den anderen um den fünfstelligen Bereich.

Eine Rechtsanwältin verwies auf mehrere erstinstanzliche Urteile bundesweit mit anderen Ergebnissen als das jetzige Urteil des OLG. Es sei zudem zu verlangen, dass die Versicherungsbedingungen für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer ohne juristische Spezialkenntnisse klar erkenntlich sein müssten.

Das OLG schloss sich früheren Entscheidungen der Landgerichte in Stralsund und Neubrandenburg an. Allerdings sagte der Vorsitzende Richter, dass in der bundesweiten Rechtsprechung viel Bewegung sei und es noch kein abschließendes Urteil des Bundesgerichtshofs gebe. Das OLG kündigte an, eine Revision in Karlsruhe zuzulassen. Die Entscheidung war für den 14. Dezember erwartet worden.

Der Präsident des Dehoga Mecklenburg-Vorpommern, Lars Schwarz, kritisierte die Betriebsschließungsversicherungen. Diese reizten seiner Meinung nach gerade alles aus, um nicht zahlen zu müssen. Er hätte sich gewünscht, dass sie menschlicher reagieren und sich nicht hinter Kleingedrucktem versteckten.

Arbeitsgericht: Ohne Coronatest kein Geld

Wer sich vom Arbeitgeber angeordneten regelmäßigen Coronatests verweigert, muss unter Umständen mit dem Verlust des Einkommens rechnen.

Das geht aus einem Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) München zum Fall einer Orchester-Flötistin hervor. Die Frau, die bei einem größeren Opernorchester beschäftigt war, hatte sich geweigert, sich im Rahmen des dortigen Hygienekonzepts vor der Teilnahme an Proben oder Aufführungen testen zu lassen. Die Ablehnung begründete die Musikerin damit, dass der Test einen erheblichen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit bedeute und die Gefahr von Verletzungen berge, die gerade für Spieler von Blasinstrumenten problematisch seien.

Das Gericht folgte dem aber nicht. Die Testpflicht sei verhältnismäßig und kein unzulässiger Eingriff, befand das LAG. Gerade bei der Tätigkeit als Flötistin könnten die anderen Orchestermitglieder nicht anders geschützt werden. Zudem habe der Tarifvertrag den Arbeitgeber berechtigt, den Test einzufordern. Er habe die Frau deswegen weder beschäftigen noch ihr eine Vergütung bezahlen müssen, solange sie nicht an Proben und Aufführungen teilnehmen durfte.

Vom Bett ins Homeoffice gesetzlich unfallversichert

Ein Beschäftigter, der auf dem morgendlichen erstmaligen Weg vom Bett ins Homeoffice stürzt, ist nach einem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) in Kassel durch die gesetzliche Unfallversicherung rechtlich geschützt.

Das Beschreiten der Treppe ins Homeoffice habe allein der erstmaligen Arbeitsaufnahme gedient und sei deshalb als Verrichtung im Interesse des Arbeitgebers als Betriebsweg versichert, entschied der 2. Senat des BSG (Az. B 2 U 4/21 R9).

Im konkreten Fall hatte ein Gebietsverkaufsleiter im Außendienst geklagt, der auf dem Weg zur Arbeitsaufnahme von seinem Schlafzimmer in das eine Etage tiefer gelegene häusliche Büro auf der Wendeltreppe ausgerutscht war und sich dabei einen Brustwirbel gebrochen hatte. Die beklagte Berufsgenossenschaft lehnte Leistungen aus Anlass des Unfalls ab. Sie argumentierte, der Unfallversicherungsschutz beginne in einer Privatwohnung auf dem Weg zur erstmaligen Arbeitsaufnahme erst mit Erreichen des häuslichen Arbeitszimmers.

Während das Sozialgericht Aachen den erstmaligen morgendlichen Weg vom Bett ins Homeoffice als versicherten Betriebsweg ansah, beurteilte das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen ihn als eine unversicherte Vorbereitungshandlung, die der eigentlichen versicherten Tätigkeit nur vorausgehe. Die Richter am Bundessozialgericht bestätigten das Urteil des Sozialgerichts.

Mit seiner Revision hatte der Kläger eine Verletzung des materiellen Rechts gerügt. Nicht zuletzt in Anbetracht der aktuellen Pandemielage arbeiteten viele Menschen von zu Hause aus. Diese dürften hinsichtlich des Schutzes der gesetzlichen Unfallversicherung nicht schlechter stehen als Arbeitnehmer im Betrieb. Es müsse sich daher beim Weg zur erstmaligen Aufnahme der Tätigkeit im Homeoffice in der Privatwohnung um einen versicherten Betriebsweg handeln, hatte der Kläger argumentiert, was auch das Landessozialgericht so sah. Agenturen/nd

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