Hoffen im Rechenzentrum

Zukunftsaussichten für Potsdamer Künstlerhaus haben sich verbessert

  • Wilfried Neiße, Potsdam
  • Lesedauer: 4 Min.

Es läuft gerade nicht gut für den umstrittenen Wiederaufbau der Potsdamer Garnisonkirche. Erst vor wenigen Tagen war ein Bericht des Bundesrechnungshofes bekannt geworden, der hart mit der diesbezüglichen Förderpolitik des Bundes ins Gericht geht. Die Rede ist gar von »Förderruinen«, die es zu vermeiden gelte. So können sich binnen kurzer Zeit die politischen und sachlichen Gewichte verschieben. Denn kurz vor der Veröffentlichung der vernichtenden Kritik an der Finanzierung des Garnisonkirchenprojekts hatte sich das Potsdamer Stadtparlament für den Erhalt des benachbarten und eigentlich abrissgeweihten Künstlerhauses Rechenzentrum (RZ) ausgesprochen (»nd« berichtete).

»Wir sind natürlich erleichtert, dass es erstmals eine Mehrheit der Stadtverordneten für den Erhalt des Rechenzentrums gegeben hat«, sagt RZ-Kulturmanagerin Anja Engel. Ist das die Rettung? Seit 2018 läuft für das RZ und seine Mieter eine fünfjährige Gnadenfrist. Engel verweist darauf, dass nach wie vor eine Kündigung sämtlicher Nutzer des Hauses für den 31. Dezember 2023 im Raum steht. »Dann laufen alle Verträge aus.« Von Planungssicherheit könne man derzeit also noch nicht sprechen. Sie hofft aber, dass das geschieht, was schon 2018 schon einmal geschehen war: eine Verlängerung der Nutzungszeit des Hauses als Kunst- und Kreativzentrum über diesen Termin hinaus.

Das Quartier könne durch den Erhalt des RZ nur gewinnen, zeigt sie sich überzeugt. Wenn - wie der Beschluss der Stadtverordnetenversammlung vorsieht - daneben ein neues Gebäude der Demokratie für die Stadt errichtet wird, dann bestehe am Standort die Chance, mit drei Baubeispielen das Nebeneinander von unterschiedlichen Epochen sinnfällig zu machen, sagt Engel mit Blick auf Künstlerhaus und das Kirchenturmprojekt.

Die Dinge einfach abwarten wollen die Nutzer des Hauses nicht. Am 19. Februar wird hier eine Ausstellung eröffnet, in deren Rahmen Studierende der Technischen Universität Berlin bauliche, künstlerische und inhaltliche Vorschläge zur Weiterentwicklung der Rechenzentrums vorstellen. Anja Engel zufolge wurden hierfür drei Arbeitsgruppen gebildet, die ein Bedarfs- und Raumprogramm für die Zukunft erarbeiten sollen.

Gebaut wurde der Komplex in den 70er Jahren als Rechenzentrum des DDR-Bezirks Potsdam. Abgerissen wurde inzwischen der Gebäudeteil, in dem die damaligen Großrechner gestanden hatten. Die Künstler und Kreativen kamen im erhalten gebliebenen Verwaltungstrakt auf 5000 Quadratmetern an der Breiten Straße unter.

Im Zusammenhang mit dem ursprüngliche Beschluss des Abrisses wurde seitens der Stadt festgelegt, dass in einem neu zu errichtenden »Kreativquartier« Arbeitsräume für Künstler zu schaffen und zur Verfügung zu stellen sind. Auch dabei ist es zunächst geblieben, weiß Managerin Engel. Für sie ist der Erhalt des RZ kein Grund, diese Planungen aufzugeben, zumal in ihrem Haus beispielsweise keine Proberäume für Musiker zur Verfügung gestellt werden könnten.

Bezahlbar müsse die Anwesenheit in solchen Häusern allemal bleiben. Derzeit betrage die Miete 10,30 Euro pro Quadratmeter im RZ, im Potsdamer Stadtteil Babelsberg würden für ähnliche Ansprüche schon 100 Euro pro Quadratmeter gefordert. Seit zwei Jahren ist das Rechenzentrum bis auf den letzten Platz gefüllt, rund 200 Mietverträge für circa 300 Nutzer seien unterschrieben, die Wartelisten würden »immer länger«, so Engel. Vor diesem Hintergrund gebe es gerade bei sehr jungen Künstlern neue Konzepte, wie der knapper werdende Raum untereinander aufgeteilt wird. »Junge Kollektive nutzen gemeinsam die Flächen.«

Der Architekt Wolfgang Kärgel war zu DDR-Zeiten mit dem Wiederaufbau und der Gestaltung des Potsdamer Stadtzentrums befasst und hat auch Anteil am Bau des RZ-Gebäudes. Sein Beitrag sind die Keramikkacheln an der äußeren Wand, die zusammen mit den berühmten Mosaikfeldern »Der Mensch erobert den Kosmos« inzwischen unter Denkmalschutz gestellt wurden. Ihn freut die Nachricht, dass das Gebäude nun stehenbleiben soll. Das Ensemble Garnisonkirchturm und Rechenzentrum könnte als bewusster städtebaulicher »Bruch« einen »Denkanstoß ganz praktischer Art« geben. »Gleichwohl bin ich ein skeptischer Mensch«, fügt Kärgel hinzu. »Völlig in trockenen Tüchern ist das Ganze wohl noch nicht.«

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