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Untypischer Kritiker
Der russische Generaloberst Leonid Iwaschow warnt vor einem Angriff Moskaus auf die Ukraine
Großer Sympathien für den Westen ist Leonid Iwaschow unverdächtig: In den 1990er Jahren galt der Militärstratege als einer der bekanntesten russischen Kritiker der Osterweiterung der Nato und deren Eingreifen im Kosovo. Als Leiter der internationalen Abteilung des Verteidigungsministeriums setzte er auf eine stärkere Rolle internationaler Organisationen und verteidigte nach seinem Wechsel an die Akademie für geopolitische Probleme das russische Vorgehen in Syrien und anderen Krisenherden gegen westliche Kritik.
Doch Moskaus Truppenaufmarsch an der Grenze zur Ukraine passt dem pensionierten Generaloberst überhaupt nicht. Präsident Wladimir Putin solle die »verbrecherische Politik der Provokation eines Krieges« aufgeben - und zurücktreten, fordert der 78-jährige nun in einem offenen Brief der Allrussischen Offiziersversammlung, deren Mitglied er ist. Die zweifellos bestehende äußere Bedrohung sei derzeit nicht das drängendste Problem. Viel besorgniserregender sei der innere Zustand des Landes. In allen Bereichen gäbe es Niedergang, der Bevölkerungsschwund breche Rekorde, die Verwaltung sei von völliger Inkompetenz geprägt. Vor diesem Hintergrund werde der Konflikt mit Kiew von »gewissen inneren Kräften« künstlich angeheizt, um die Bürger abzulenken, kritisiert der Militär in seinem Brandbrief. Doch die Ukraine sei ein unabhängiges Land und habe das Recht, seine militärischen Bündnispartner selbst zu wählen. Wolle Russland freundschaftliche Beziehungen zu dem Nachbarland, müsse es mit einem attraktiven Staats- und Verwaltungsmodell für sich werben. Dieses könne Moskau jedoch nicht anbieten, die russische Außenpolitik schrecke »praktisch alle« Nachbarländer ab. Die »Liebe zu Russland« könne nicht mit Ultimaten und Drohungen erzwungen werden, so Iwaschow. Im Gegenteil: Der Einsatz von Gewalt mache Russen und Ukrainer zu ewigen Todfeinden, führe zu Verderben und Sanktionen und mache Russland zu einem geächteten Staat.
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