Zivilgesellschaft drängt Corona-Protest zurück

In der Hauptstadt steigen die Zahlen - bei den Kundgebungen gegen sogenannte Spaziergänge

  • Claudia Krieg
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Zahlen sinken - sagt Marco Langner, Vizepolizeipräsident von Berlin, am Montag im Innenausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses. Allerdings meint der Beamte damit nicht die Corona-Infektionszahlen, über die derzeit ohnehin keine genaue Auskunft gegeben werden kann.

Langner geht es um die Zahlen der Teilnehmenden an den verharmlosend als »Spaziergänge« bezeichneten Demonstrationen, die seit über zwei Monaten an verschiedenen Orten in der Hauptstadt stattfinden. Darunter Personen, die Antisemitismus ebenso wie Verschwörungserzählungen verbreiten, so Langner. Zuletzt waren es über 4000 Personen, die sich zu mehreren Dutzend kleineren Versammlungen zusammengefunden haben, um die ihrer Ansicht nach unnötigen Maßnahmen der Infektionsschutzverordnung zu kritisieren. Es seien einzelne Personen aus dem rechtsextremen Spektrum festgestellt wurden, »die sich unters Volk mischen«, erklärt Langner auf Nachfrage und spricht von »fünf bis zehn Personen«. Größere Kundgebungen mit bis zu 1000 Teilnehmenden gab es auch - allerdings, betonen sowohl Langner als auch die Innensenatorin Iris Spranger (SPD), stehe man im Vergleich zu anderen Bundesländern wie Thüringen damit noch ganz gut da.

Langner erklärt, bei diesen Zusammenkünften werde willentlich die Pflicht zur Anmeldung unterlaufen. Ebenso setze man seitens der Polizei das Versammlungsrecht konsequent durch. Es werde auf die Einhaltung der Hygienemaßnahmen geachtet, aber auch auf den Schutz von Pressevertreter*innen, die bei den Demonstrationen ebenso wie Polizeibeamt*innen mitunter aggressiv verbal und gewalttätig attackiert werden. Angriffe seien »nicht hinnehmbar«, so Spranger. Man sei bemüht, Schutzräume für Pressevertreter*innen zu schaffen, so Behördenleiter Langner. »Es gibt da je nach Aufzug immer mehrere; und die Pressevertreter werden auch direkt an Orte gebracht, an die sie wollen, und dort von Polizeikräften geschützt«, so Langner. Da man dafür viel Zuspruch erhalte, wolle man das Konzept ausweiten.

Für diesen Montagabend seien sechs Demonstrationen gegen die Corona-Gesetze angemeldet - es gebe 40 weitere Aufrufe ohne Anmeldung bei der Versammlungsbehörde der Polizei, gibt Langner an. 13 Gegendemonstrationen seien überdies bekannt gegeben worden. Die Hauptorte seien zuletzt Alt-Tegel, das Rathaus Pankow, der Alexanderplatz und das Rathaus Köpenick gewesen.

Es sei davon auszugehen, dass nicht angemeldete Veranstaltungen dazu dienen, sich im Hinblick auf die Einhaltung von Hygienemaßnahmen wie Abstandsregeln und das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes nicht kooperativ verhalten zu müssen. Die Polizei habe bisher 1200 Ermittlungsverfahren eingeleitet - vor allem wegen Verstößen gegen das Demonstrationsrecht und die Corona-Vorschriften, so Langner. Es habe 30 Angriffe und Widerstandshandlungen gegen Beamt*innen gegeben. Langner betont, das Tragen von gelben »Davidsternen« bei den Demonstrationen werde als Straftatbestand der Volksverhetzung gewertet und »konsequent verfolgt«.

Als »sehr erfreulich« bewertet Linke-Innenpolitiker Niklas Schrader den Rückgang der sogenannten Corona-Proteste. »Ich begrüße das, wenn eine aktive Zivilgesellschaft diese zurückdrängt, das ist auch das bessere Mittel, als wenn repressiv polizeilich dagegen vorgegangen wird«, so Schrader. Dass Versammlungen vorab verboten werden, wie der AfD-Vertreter im Ausschuss es behauptet, könne man hingegen ausschließen.

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