Die Linke hat noch Potenzial

Umfrage sah Brandenburgs Sozialisten zwischenzeitlich bei 12,5 Prozent

»Welcher Partei würden Sie am ehesten ihre Stimme geben, wenn am nächsten Sonntag die nächste Landtagswahl in Brandenburg stattfinden würde?« Die Antworten von 1010 Einwohnern des Bundeslandes auf diese Standardfrage der Meinungsforschungsinstitute wären geeignet, dem gebeutelten Landesverband der Sozialisten wieder Mut zu machen. 12,5 Prozent – das ist gar kein schlechter Wert angesichts von 10,7 Prozent bei der Landtagswahl 2019 und 8,5 Prozent bei der Bundestagswahl 2021. Die Linke scheint sich also zu stabilisieren. Vielleicht geschieht sogar, worauf der Landesverband so lange vergeblich gewartet hat. Vielleicht geht es jetzt wieder bergauf.

Doch Pech gehabt. Das Umfrageergebnis, das dem »nd« erst jetzt exklusiv vorliegt, ist bereits von der Zeit überholt. Denn die Info GmbH, die den Auftrag von der Linkspartei erhalten hatte, führte die Befragung im Zeitraum 3. bis 10. März durch. Da lag die SPD demnach bei 31,5 Prozent, die AfD bei 19 und die CDU bei 15 Prozent. Auf Platz vier folgte Die Linke mit 12,5 Prozent – erstmals seit drei Jahren wieder mit mehr als drei Prozentpunkten Abstand auf die Grünen. Denn den Grünen wollten nur 9 Prozent der Befragten am ehesten ihre Stimme geben. Der Vollständigkeit halber: Bei der FDP waren es 6,5 Prozent und bei den Freien Wählern 5,5.

Ergebnisse der März-Umfrage
  • 18 Prozent der bis 34-jährigen Brandenburger hätten ihr Kreuz bei der Linken gemacht, wenn Anfang März Landtagswahl gewesen wäre. Nur die AfD übertraf dieses Ergebnis mit einem Wert von 19 Prozent (SPD 17, Grüne 15, FDP 14, CDU 10 Prozent).
  • Bei den ab 65-Jährigen lag die SPD mit 48 Prozent deutlich vorn. In dieser Altersgruppe erhält die CDU 17 Prozent (Linke 12, AfD 10, Grüne 7, FDP 2).
  • Am stärksten war Die Linke mit 16 Prozent im Osten Brandenburgs, am schwächsten mit 9 Prozent im Süden. Im Süden lag die AfD mit 27 Prozent gleichauf mit der SPD. In den anderen Regionen des Landes liegt die SPD klar vor allen anderen Parteien. Am schwächsten war die AfD im März mit 15 Prozent in Ostbrandenburg.
  • Auf einer Skala von 0 (völlig unzufrieden) bis 10 (sehr zufrieden) verteilten die Befragten im Schnitt eine 7,3 für ihr Leben insgesamt und eine 7,2 für ihre berufliche Situation. Für die medizinische Versorgung gab es eine 7,1, für die Anerkennung ihrer Lebensleistung eine 6,7 und für die finanzielle Absicherung im Alter eine 5,5.
  • Wegen der medizinischen Versorgung machen sich nur 25 Prozent der Befragten Sorgen, die im Berliner Umland leben. Außerhalb des Speckgürtels sind es 37 Prozent. Bei den Energiekosten gibt es keinen nennenswerten Unterschied, wohl aber bei den Wohnkosten. Da machen sich 73 Prozent der Befragten aus dem Speckgürtel Sorgen, bei den anderen sind es nur 59 Prozent. af

    Doch im Zeitraum 21. bis 25. April ermittelte das Meinungsforschungsinstitut Infratest dimap im Auftrag des Rundfunks RBB mittlerweile ein aktuelleres Stimmungbild. Der Sender ging damit bereits drei Tage später an die Öffentlichkeit. Das enttäuschende Ergebnis: 7 Prozent für Die Linke – der schlechteste jemals ermittelte Wert.

    Der Landesvorsitzende Sebastian Walter trug dies Ende April mit erstaunlicher Fassung und hatte sogar noch die Nerven, schmunzelnd zu versichern: »Alle können sich sicher sein, dass ich nicht der letzte Landesvorsitzende sein werde.« Seine optimistische Botschaft: Es werde noch andere Landesvorsitzende nach ihm geben. Die Linke werde nicht untergehen.

    Die Zuversicht erklärt sich heute auch den Uneingeweihten. Walter wusste ja von einem Zwischenhoch seiner Partei im März. Es hatte sich leider kein positiver Trend daraus entwickelt. Aber die Zahl 12,5 Prozent zeigte doch eines: »Man sieht, wie hoch unser Potenzial sein kann, wenn wir uns nicht mit uns selbst beschäftigen, sondern uns auf die Probleme der Menschen konzentrieren.« Das sagt Walter jetzt dem »nd«.

    Die Linke werde gebraucht. Ja, das sage sich so leicht dahin, bestätigt Walter. Aber er kann beweisen, dass die Landtagsfraktion, deren Vorsitzender er ebenfalls ist, an den richtigen Themen dran ist. Schließlich ermittelte die Info GmbH, dass sich 88 Prozent der Brandenburger Sorgen wegen steigender Energiepreise machen und 65 Prozent wegen steigender Mieten. Das sind Themen, um die sich die Linksfraktion bereits intensiv kümmert. Die Wähler merken es nur nicht, wenn ihre Aufmerksamkeit abgelenkt wird durch nervtötende Streitereien innerhalb der Linkspartei. Dann entstehe bei den Menschen der Eindruck: »Die Linke interessiert sich überhaupt nicht für unsere Probleme.« Das weiß Walter. Das muss nach seiner Überzeugung anders werden. Die gute Nachricht: Ein Stück weit hat es die Partei selbst in der Hand. »Die Aufgaben sind nicht neu. Die liegen auf dem Tisch. Das müssen wir jetzt angehen«, sagt Walter.

    Dass die bereits totgesagte Partei länger leben könnte, dass sie keinesfalls nur bei gelernten DDR-Bürgern ankommt, sondern eine Zukunft haben kann, zeigt ein weiteres Ergebnis der März-Umfrage: Demnach konnten sich 18 Prozent der bis 34-Jährigen vorstellen, Die Linke auf dem Wahlzettel anzukreuzen – Brandenburger also, die noch gar nicht geboren waren oder die noch in den Windeln lagen, als die DDR 1990 aufhörte zu existieren. Zu dieser Generation gehört auch Parteichef Sebastian Walter. Er kam im Sommer 1990 zur Welt.

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