Betonmischer gen Späthsfelde

Stadtentwicklungsverwaltung will Gelder für Bauplanung auf Kleingärten und Feldern in Treptow

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 4 Min.
Das Gelände rund um die Neue Späthstraße ist derzeit überwiegend sehr ländlich geprägt.
Das Gelände rund um die Neue Späthstraße ist derzeit überwiegend sehr ländlich geprägt.

Von der A113 bis zur Königsheide, vom Britzer Verbindungskanal bis zu den Späth’schen Baumschulen. So weit reicht das Vorkaufsrechtsgebiet »Dreieck Späthsfelde« in Treptow-Köpenick, das der damalige Stadtentwicklungssenator Sebastian Scheel (Linke) noch im August 2021, kurz vor der Abgeordnetenhauswahl Ende September, erlassen hat. 85 Hektar eher ländlich geprägtes Gebiet mit Ackerflächen, Kleingärten und vereinzelten Häusern, die ein neues Stadtentwicklungsgebiet werden könnten. Mit der Verordnung sichert sich das Land das Recht, Flächen zu erwerben, auch wenn sie an Dritte veräußert werden sollen. Nach nd-Informationen gab es allerdings bereits vor Inkrafttreten des Vorkaufsrechts spekulative Grundstücksgeschäfte in dem Bereich.

»Es ist wichtig, im Sinne einer integrierten Stadtentwicklung auch Vorsorge für die Entwicklungen von morgen zu treffen. Nur so lässt sich eine langfristige Kontinuität für Wohnungsbau und gewerbliche Entwicklung bei gleichzeitiger Berücksichtigung vorhandener und zukünftiger Grün- und Freiraumstrukturen gewährleisten«, erklärte Linke-Politiker Scheel damals.

Nun will der aktuelle Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) den möglichen Wohnungsbau auf den Flächen, die einst alle zu den Späth’schen Baumschulen gehörten, weiter vorantreiben. Betroffen wären 374 Kleingartenparzellen und 90 Einfamilienhäuser. Eine ähnlich explosive Mischung wie auf dem mit rund 150 Hektar etwa doppelt so großen geplanten neuen Stadtquartier »Blankenburger Süden«. Das soll, wie es auch für Späthsfelde angedacht ist, ebenfalls ein gemischtes Wohn- und Gewerbequartier werden – im Norden der Hauptstadt sind bis zu 6000 neue Wohnungen vorgesehen.

»Ohne stadtentwicklungspolitische Grundlage will SPD-Bausenator Geisel die Kleingärten in Späthsfelde überbauen und gerät damit in Konflikt mit dem Kleingartenentwicklungsplan und auch mit der geltenden Verkehrsplanung, die hier nämlich bisher explizit keinen Straßenneubau vorsieht«, sagt Katalin Gennburg zu »nd«. Die Treptow-Köpenickerin ist stadtentwicklungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus.

Für die Erschließung des neuen Stadtteils ist seit vielen Jahren eine neue Straße in den Flächennutzungsplänen verzeichnet, die sogenannte Süd-Ost-Verbindung. Sie würde dort, wo die vor einigen Jahren eröffnete Minna-Todenhagen-Brücke in Baumschulenweg auf die B96a trifft, als vierspurige Schnellstraße zunächst dem Britzer Verbindungskanal Richtung Westen folgen und schließlich in gerader Linie zur Anschlussstelle Späthstraße der Teltowkanal-Autobahn A113 führen.

»Das ist stadtplanerischer Irrsinn und wohnungspolitisches Wolkenkuckucksheim – wovon nur die Immobilienentwickler profitieren, die seit Jahren hier lobbyieren. Das müssen wir verhindern und als Wahlkreisabgeordnete kämpfe ich seit Jahren gegen diesen Irrsinn«, sagt Katalin Gennburg.

Die Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Naturschutz, ein Zusammenschluss aller großen Umweltverbände wie BUND oder Nabu in der Hauptstadt, lehnt in einer »nd« vorliegenden Stellungnahme die Senatspläne, die auch im rot-grün-roten Koalitionsvertrag verankert sind, ab. »Wir fordern eine Sicherung und Qualifizierung der Stadtnatur in Späthsfelde bestehend aus Kleingärten, Grünzügen und gartenbaulichen Flächen mit ihrer enormen sozialen, ökologischen, klimatischen Bedeutung für Berlin und die Berliner*innen«, heißt es in dem Schreiben. »Die Bedeutung des Dreiecks Späthsfelde ist einerseits wegen des Nutzungsdrucks auf die umliegenden Flächen, wie Wald, Friedhöfe und Grünzüge, andererseits durch Bebauung im Umfeld nebst verkehrlicher Infrastruktur enorm gestiegen«, heißt es weiter. Kleingärten müssten erhalten, Grün- und Freiflächen qualifiziert werden. Bevor neue Baugebiete ausgewiesen werden, müssten bereits ausgewiesene Stadtquartiere vollends entwickelt werden.

Konkret befürchten die Verbände unter anderem einen weiter sinkenden Grundwasserpegel, der bereits jetzt markant geschädigte Kiefern-Eichenwald in der Königsheide würde noch weiter in Mitleidenschaft gezogen.

Im bereits vor zwei Jahren vom Senat beschlossenen Kleingartenentwicklungsplan 2030 heißt es: »Kleingartenanlagen, die größere zusammenhängende Komplexe bilden beziehungsweise in Verbindung zu übergeordneten Grün- und Landschaftsräumen liegen, erfüllen vielfältige positive Funktionen für die Erholung, für den Biotop- und Artenschutz, für den Naturhaushalt und für das Landschaftsbild.« Das zusammenhängende Areal Baumschulenweg und Königsheide wird dabei explizit benannt.

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