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Bildkult und digitiale Revolution
Die Aktivitätsapp der Apple-Watch besticht mit einfachen Formen und Farben. Dahinter verbirgt sich aber ein bildhistorisches und religiöses Programm.
Für den Medientheoretiker Friedrich Kittler – gerade ist bei Merve der erste Band der Werkausgabe erschienen – war der Computer kein dienliches Werkzeug, sondern Teil einer sich naturhistorisch entwickelnden Struktur, in welcher sich der erkennende Teil der Natur mit sich selbst rückkoppelt. Der Mensch ist so gedacht kein frei wollendes Subjekt, sondern ein ohnmächtiges Naturobjekt, das in diesen Prozess hineingestellt ist. Will man diesem Gedanken folgen, so kommt die Frage auf, weshalb es dann überhaupt Benutzeroberflächen gibt, die es uns erlauben, mit dem Rechner zu arbeiten, ihn als Werkzeug zu gebrauchen. Es gibt zwar schon erste gelungene Verschaltungen von Hirnzellen und Rechnern, doch im Alltag scheinen wir die Apparatur zu nutzen wie ein Multifunktionsgerät, das uns mit anderen Menschen verbindet, für uns rechnet, ordnet, uns unterhält.
Wir nehmen uns selbst im täglichen Umgang mit Smartphone und PC als Entscheidungsträger wahr, auch wenn wir mit den sozialen Netzwerken erste bewusste Erfahrungen mit der Eigengesetzlichkeit der Algorithmen machen. Für Kittler war die Benutzeroberfläche eine Zutat, die sich historisch durch Verschaltungen von Mensch und Computer überwinden wird. Doch man sollte nicht unterschätzen, wie sehr Bilder uns immer schon mit den Dingen verbunden und umgekehrt, wie sehr sie uns gebunden haben. Die Verschaltung von Mensch und Computer geschieht heute durch – und das ist ganz buchstäblich zu nehmen – bildreligiöse Praktiken und Formen, von denen der Kunsthistoriker Aby Warburg zu Beginn des 20. Jahrhunderts meinte, dass sie sich in unser körperliches Gedächtnis eingeschrieben haben. Zu den Bildern, die uns umgeben, und unseren Körpern gibt es, folgt man dieser These, bereits Verschaltungen. Und es stellt sich die Frage, inwiefern diese etwa von Konzernen wie Apple bewusst genutzt werden. Ein geeignetes Interface-Design, um dieser Überlegung nachzugehen, ist der Fitness-Tracker der Apple-Watch. Dies nicht zuletzt, da die zunehmende freiwillige digitale Überwachung unserer Körper schon seit einigen Jahren biopolitisch forciert wird.
Bewegen, trainieren, stehen
Der als Anwendungssoftware für die Apple-Watch entwickelte Fitness-Tracker Aktivitätsapp lässt in seiner Hauptanzeige untereinanderliegend in Rot, Grün und Blau vor schwarzem Grund drei Balken aufleuchten, die im Uhrzeigersinn verlaufend danach streben, einen Kreis aus drei Ringen zu bilden. Beschriftet sind die Balken mit den Wörtern bewegen, trainieren und stehen. Kurz nachdem Apple seinen Tracker auf den Markt brachte, schrieb der Medien- und Kulturwissenschaftler Oliver Ruf in der Zeitschrift »Designreport« euphorisch, ein »neues Menschenbild – oder vielmehr: ein technologisch neu gezeichnetes Bild vom Menschen« fände nun weltweite Verbreitung. Doch was ist eigentlich das Neue an diesem Bild? Womöglich ist der Clou gar nicht das Neue, sondern vielmehr das Nutzen jener Verschaltungen zwischen Bild und Körper, die Warburg als »Engramme« bezeichnet hat, als leidenschaftlich aufgeladene Erinnerungen an Bilder und Kulte, die genetisch in unsere Körper hinterlegt sind – jederzeit abrufbar.
Die Darstellungsform des menschlichen Organismus in Kreisdiagrammen ist alles andere als neu, vielmehr zitiert sie das pythagoreische, platonische und vitruvianische Idealbild von Mensch und Kosmos. Apple macht keinen Hehl daraus, sich an die historische Kontinuität anschließen zu wollen. So ließ Timothy Cook auf der Produktpräsentation am 9. September 2014 in Cupertino sein Publikum wissen: »Wir haben eng mit Uhrenexperten aus der ganzen Welt zusammengearbeitet, um die kulturelle und historische Bedeutung der Zeitmessung zu verstehen, was unser Design maßgeblich beeinflusst hat.« Historisch war die Entsprechung von Körper, Universum und Zeit immer an die Hoffnung geknüpft, die inneren, unsichtbaren Abläufe des Organismus sichtbar und vor allem berechenbar am Himmel qua Äquivalenz von Mikro- und Makrokosmos vor Augen zu haben. Durch den Nachvollzug der arithmetischen und geometrischen Ordnung ließe sich Platon zufolge der menschliche Organismus gänzlich begreifen, dessen Stoffwechsel »ebenso wie die Bewegung eines jeglichen im Weltganzen«, denn als abhängiger Bestandteil desselben müsse der Körper in sich »notwendig die Bewegung des Weltalls nachbilden«. Gesunderhaltung bestehe darin, »die Gestalt des Weltganzen zum Vorbild« zu nehmen, indem der Körper »in Bewegung« versetzt wird, denn »durch mäßige Erregungen« kämen die »Teile untereinander in Ordnung«. Zugleich waren es für Platon die Planeten, welche die Zeit erzeugen. Eine Darstellung der Planetenbahnen fehlt auch in der Apple-Watch nicht, sie verlaufen auf den selben Kreisbahnen wie die Balken des Fitness-Trackers.
Das Ideal des Kreises
Es gab in der Folge Platons bis in die Neuzeit hinein zahlreiche, ausgeklügelte Kreis-Diagramme, angereichert mit Zahlenmaterial, die die Entsprechung visualisierten und den damaligen Medizinern dazu dienten, verschiedenste Therapien zu entwickeln. Ein prägnantes Beispiel hierfür lässt sich in einem Kalendarium des 15. Jahrhunderts finden, das neben Planetenkalendern und Bauern-Prognostika auch Rezepte gegen blutige Augen, Krankheitsvorhersagen sowie einen Aderlasskalender enthält. Inmitten schier endloser Zahlentabellen visualisiert das astrologische Kreisdiagramm beispielhaft die Wirkung einer spezifischen Planetenkonstellation auf den menschlichen Körper. Dieser steht umrundet von konzentrischen Kreisen unter einem Netz aus Geraden, das zunächst in schwachen braunen Linien die Sternzeichen mit Wandelgestirnen verbindet, um die so hergestellten und divergierenden Relationen von der Fixsternsphäre ausgehend schließlich qua kräftiger roter Linien mit je einem Organ, Gelenk oder Körperareal zu verknüpfen. Der marionettenhaft anmutende Leib des lediglich mit einer knappen blauen Unterhose bekleideten Mikrokosmos-Männleins ist den analytischen Blicken in einer Weise ausgesetzt, welche die Bezüge der roten Verbindungslinien so klar als möglich hervortreten lässt.
Der Nachthimmel wurde so gleichsam zum Interface eines Weltcomputers, dessen astronomisch entschlüsselte Programmiersprache es scheinbar erlaubte, den menschlichen Organismus in einem Kreisdiagramm so transparent zu machen, dass die schädliche oder nützliche Wirksamkeit von Aderlässen, Medikationen und chirurgischen Eingriffen ermittelt werden konnte. Das Mikrokosmos-Männlein verkörpert den Traum des vorausberechenbaren gläsernen Menschen, der sich mittels arithmetischer Kalküle durchleuchten lassen kann, um so der Willkür des eigenen Leibes zu entkommen. Das Interfacedesign der Apple-Watch ist qua seiner Parallelisierung der konzentrischen Planetenbahnen des Ziffernblattes (Astronomy Face) mit den drei Ringen der Aktivitätsapp zwar keineswegs Ausdruck eines Sternenglaubens, aber doch eines Glaubens an die Berechenbarkeit nicht nur des Planetensystems und der Zeit, sondern vor allem auch des Menschen. Doch mit reichlich Pathos aufgeladene historische Verbindungen lassen sich nachträglich nicht nur zum antiken, mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Paradigma der Analogie zwischen Mensch und Universum konstruieren.
Bildkult und digitale Eschatologie
Die Bewegung der Ringbalken geschieht nicht allein im Sinne der platonischen Leibesübungen als Angleichung des Mikrokosmos an die makrokosmischen Kreisläufe, sondern vielmehr ist dieser Prozess mit dem Aufbau schwacher Farbverläufe synchronisiert. Die Ringbalken werden im Uhrzeigersinn immer heller, die Annäherung an das Ziel der körperlichen Aktivität findet somit ihre visuelle Entsprechung in der zunehmenden Bündelung gleichsam prismatisch gebrochenen Lichts. Überschreiten die Ringbalken ihren Anfangspunkt, so verdeutlichen Schattenwürfe die Plastizität des Gewindes, sodass sich die helleren Enden von den dunkleren Anfängen zusätzlich abheben. Dementsprechend sind die Kreisbahnen nicht geschlossen, sondern gleichsam aus der suggerierten Tiefe des schwarzen Displays herausgewunden. Inhärent ist dieser Bewegung, auf den – wenn auch nicht zustande kommenden – Endpunkt zu verweisen, in dem sich alle Farben miteinander vereint im weißen Licht auflösten. Die aus dem illusionistisch erzeugten Tiefenraum des schwarzen Displays sich gleichsam herausschraubenden, immer heller werdenden Ringe verschmölzen so zu einem Lichtkreis. In täglicher Wiederholung inszenieren die sich zum Licht schraubenden Ringbalken eine nicht zum Abschluss kommende Entstofflichung und verweisen in ihrer Logik auf eine den Endpunkt dieser Bewegung darstellende Bildformel.
Das Interfacedesign der Aktivitätsapp deutet an, was etwa Matthias Grünewald in der Auferstehungsdarstellung des Isenheimer Altars auf die Spitze getrieben hat. Dort verschmilzt der Leib Christi vor schwarzem, sternenbesetzten Grund mit der den Bildraum dominierenden Aureole. Der Körper des Auferstehenden schraubt sich in einer S-Kurve zum nächtlichen Himmel empor, wobei das ihn umwehende weiße Grabtuch nicht nur einen dramatisch bewegten Faltenwurf entwickelt, sondern zugleich von der Lichtscheibe in einen Farbverlauf getaucht ist, der nach oben hin, den Grundfarben der Malerei entsprechend, von Blau über Rot zu Gelb führt. In kräftigen Tönen wiederholt das Gewand dergestalt den deutlich helleren Farbverlauf der Lichtscheibe und verstärkt so zusätzlich deren Superiorität im Bild.
Seine liturgische Funktion erfüllte das kurz vor der Reformationszeit gefertigte Retabel in der Kapelle des Isenheimer Klosterhospitals der Antoniter, die sich vor allem der Pflege jener widmeten, die an Pest und Ergotismus – dem sogenannten Antoniusfeuer, einer ebenso das Leben bedrohenden Vergiftung durch den Mutterkornpilz – litten. Konstitutiver Bestandteil der Krankenfürsorge des Ordens war es, die Betroffenen vor den Altar zu bringen, um ihnen das Beschauen der Bilder und Betasten der Reliquien zu gewähren. Auf diese Weise schuf man eine synästhetische Erfahrung, in der die Transformation des eigenen Körpers visuell und haptisch als Endpunkt des Leidens ihre Präfiguration fand. Indem Haupt und Oberkörper Christi mit der Lichtscheibe eine Einheit bilden, in der das frontal dargestellte Gesicht kaum noch in seinen Konturen wahrnehmbar ist, entsteht der Eindruck eines sich im Licht auflösenden Körpers. Im Kontext der Dramaturgie wundertätiger Heilpraxis wird das Aufgehen im Licht schlechthin zum sehnsuchtsvollen Sinnbild ewigen Lebens.
In Dantes »Die göttliche Komödie« gelangen die erretteten Seelen zur Erlösung durch Qual und Folter im Purgatorio, das als turmgleicher, in sieben Kreisringe gestaffelter Berg zum Himmel emporragt. Die Büßenden erfahren auf jeder Ringterrasse eine andere Form der Strafe, die zu durchleiden bedeutet, sich von einem äquivalenten Laster zu reinigen. Ring für Ring kommen die sich läuternden Seelen dem Paradiso, den Kreisbahnen der Himmelssphären, und damit letztlich der Erscheinung des Lichtkreises näher. Mit den sich aus der suggerierten Tiefe des schwarzen Displays spiralförmig herausschraubenden und fortschreitend heller werdenden Ringbalken der Aktivitätsapp wirkt die Bildformel einer zur vollkommenen Form des Lichtkreises führenden Aufwärtsbewegung fort, die, in eschatologischer Tradition stehend, den Triumph des Geistes über die Vergänglichkeit der Physis präfiguriert.
Diese historischen Vergleiche sind gewagt. Pointiert stellt in seinem gleichnamigen Aufsatz der Kunsthistoriker Peter Geimer die Frage »Vergleichendes Sehen oder Gleichheit aus Versehen?«. Zweifellos sind Wahrnehmen, Verstehen und Sprechen vor allem Praktiken des Unterscheidens. Wer es verlernt zu unterscheiden, verliert jegliche Orientierung. Ein Ver-Sehen kann jedoch andere Sichtweisen eröffnen, so wie das Sich-Verlaufen andere Räume. Holzwege waren für Luther Irr- und Abwege, auf denen man sich »Wider Gottes Ordnung« verläuft. Warum es also nicht wagen, sich auf Irrwege zu begeben, um Distanz von der Ordnung der digitalen Revolution zu gewinnen, von den Bahnen, in die wir täglich gestellt sind?
Suche nach dem Heil im Diesseits
Ein wesentlicher Unterschied zwischen der christlichen und der digitalen Eschatologie ist, dass der Glaube an die technische Vernunft kein jenseitiges, sondern ein diesseitiges Heilsgeschehen imaginiert. Bereits Nietzsche spricht Ende des 19. Jahrhunderts vom »Fortleben des religiösen Cultus’« in der Moderne und von den »Verheissungen« der Wissenschaft, die sich unter das Motto bringen ließen: »so wenig Schmerz wie möglich, so lange leben wie möglich, – also eine Art von ewiger Seligkeit«, die freilich im Vergleich mit jener des Christentums bescheidener ausfalle. Der Leib ist zwar nicht mehr eine bloße Hülle, die überwunden werden könnte, doch die ihm konstitutiv angehörende Vergänglichkeit gilt es noch immer zu bezwingen. Als Bestandteil einer unverfügbaren und übermächtigen Natur liefert er trotz allen wissenschaftlichen und technischen Fortschritten das menschliche Bewusstsein der Willkür eines unberechenbaren, kontingenten Anderen aus.
Die Sorge um den fragilen Körper wird in der Postmoderne, am Ende der großen Erzählungen angelangt, selbst zum Exerzitium, für das Apple den Bildkult stiftet. An die Stelle der festgeschriebenen liturgischen Praxis und des Gebetsrituals treten hierbei individuell gewählte sportliche Übungen, die den synästhetischen Erfahrungsraum mitgestalteten. Bild und Handlung sind dabei unmittelbar miteinander verschränkt, indem diese scheinbar immer wieder jenes aus sich selbst heraus erzeugt. Das digital generierte Bild der Aktivitätsapp bringt derart sowohl die in der körperlichen Verausgabung sich zeigende Animalität, das Schwitzen, Keuchen und Brennen in der Muskulatur, als auch die Angst vor Schmerz, Krankheit und Vergänglichkeit in eine teleologische Ordnung und nimmt ihnen so ihre gegenüber der Ratio bestehende affektive Eigenmächtigkeit, die durch Körperwahrnehmungen unmittelbar zum Ausdruck kommt; das Bild unterbricht in seiner semantischen Funktion eben diese Unmittelbarkeit der Eigenwahrnehmung und verkörpert zugleich das Ideal eines ebenso der überschaubaren Kausalität unterliegenden Leibes.
Während einerseits die Differenz zwischen Bild und Körper zusammenschmilzt, vergrößert sich andererseits jene zwischen Bewusstsein und Körper, dessen immer schon beängstigende Unberechenbarkeit qua Bild auf Abstand gehalten wird. Auch wenn man also die Überlegung Warburgs nicht mitgehen möchte, dass es eine genetisch eingeschriebene Verbindung zwischen den historischen Bildformen und unseren Körpern gibt, so zeigt sich doch eine historische Kontinuität zwischen bildreligiösen und digitalen Praktiken, mit unseren Körperängsten umzugehen.
Popglasur
Doch die Kontinuität zum Bildglauben wird nicht offensichtlich zur Schau gestellt; Apple schmückt sich auch hier mit den Federn poppig-bunter Blumenkinder. Evident erscheint die explizite Orientierung des Interfacedesigns der Aktivitätsapp an den Grafiken Heinz Edelmanns, die er sowohl für die Animationen der psychedelischen Pop-Oper »Yellow Submarine« als auch für das Cover des gleichnamigen Albums der Beatles fertigte. Versetzt werden Kinobesucher und Plattenkonsumenten in die bunte Welt von Pepperland, einem von blauen Gestalten (Meanies) bedrohten und schließlich von den Beatles befreiten, beinahe dystopisch übersteigert wirkenden Paradies. Ähnlich den Schilderungen des Songs »Lucy in the Sky with Diamonds« eröffnet sich auf der Kinoleinwand ein Kosmos aus »marmalade skies«, »marshmallow pies« und »Cellophane flowers of yellow and green«.
Der Übergang von einer ergrauten Wirklichkeit in diese aus knalligen Farben und pseudo-organischen Formen gebildete Landschaft ist als sich schließender Regenbogen dargestellt, der, gleich den Flammen des Pfingstwunders, aus den Köpfen dunkel gekleideter Gestalten emporsteigt, die in zwei sich gegenüberstehende, einander den Rücken zukehrende Dreiergruppen aufgereiht sind. In Cyan, Gelb und Magenta streben, den Ringen der Apple-Watch nicht unähnlich, die FaRBBänder im zeitlichen Fortgang aufeinander zu, sodass antizipiert und endlich gesehen werden kann, wie diese sich im Zenit zu einem Halbkreis vereinen, wobei schließlich die fehlenden FaRBBänder in Grün und Orange hinzutreten, welche die entstandenen Leerräume zwischen den Bahnen füllen. Diese nur wenige Sekunden andauernde Szene birgt in sich, dem Prinzip der Ouvertüre entsprechend, das Leitthema des Films: die Verwandlung einer als grau charakterisierten Realität in ein buntes Reich spannungsbefreiter Sorglosigkeit, das schließlich in einem gigantischen Rausch aus Licht und Farben seine Verwirklichung auf der Leinwand erfährt. Während Dante seine Schilderung der Lichtvision mit den Worten beendet: »schon aber war jeder Wunsch und Wille mir ergriffen / von Liebesgewalt, die still und einig im Kreis die Sonne führt und alle Sterne«, ist die den Film abschließende, zum bewegten Leinwandbild gewordene Licht- und Farbenhalluzination musikalisch mit dem Refrain untermalt: »It‹s all too much for me to see / A love that’s shining all around here.«
Doch erinnern die gleichsam im Licht fluoreszierenden, sich zirkulär aus dem Dunkel der Bildschirmoberfläche herauswinden Ringbalken der Apple-Watch mit ihren weich abgerundeten Anfängen und Enden nicht nur an Himmelserscheinungen, sondern zugleich an jene pseudo-organischen Gebilde, die ohne jede Binnendifferenzierung als Seelilien und Haarsterne in stark vereinfachten Formen und intensiv leuchtenden Farben die ornamentale Kulisse von Pepperland bilden. Formprinzip dieser psychedelischen Comic-Welt ist die Verschmelzung aller Elemente, die Überwindung aller Gegensätze, die Aufhebung der Grenzen zwischen Organischem und Anorganischem. Auf die Spitze getrieben ist damit eine infantilisierte Einfühlungsästhetik, die der Definition des Kunsthistorikers Wilhelm Worringers zufolge »ein glücklich pantheistisches Vertraulichkeitsverhältnis zwischen dem Menschen und den Außenwelterscheinungen« suggeriert; sie lässt das Subjekt in »ein äußeres Objekt, in einer äußeren Form aufgehen«. Gesteigert ist diese psychedelische Ästhetik des symbiotischen Ineinanderfließens noch in Verner Pantons »Phantasy Landscape«, das die Besucher gänzlich in transluzente organische Formen, weiche Stoffe und warme Farben hüllt, gleichsam als habe der Mutterleib sie wieder in sich aufgenommen. Die Trennlinie zwischen dem Individuum und seiner Umgebung scheint zu verwischen.
Konstruiert aus abgerundeten Umrisslinien und Dayglow-Farben greifen nun die Ringbalken der Aktivitätsapp auf eben diese ästhetische Tradition der psychedelischen Entgrenzung zurück; sie evozieren die Imagination einer symbiotischen Einheit von Mensch und Maschine als eschatologisches Telos.
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