Nutzlos und fehlerhaft

Bundesagentur für Arbeit stellt in interner Untersuchung eklatante Mängel in den Jobcentern fest

Von Teamarbeit zwischen Jobcentermitarbeitenden und Erwerbslosen kann keine Rede sein.
Von Teamarbeit zwischen Jobcentermitarbeitenden und Erwerbslosen kann keine Rede sein.

Jobcenter sind für die Auszahlung der Grundsicherung von Arbeitssuchenden zuständig, sollen sie betreuen, fördern, weiterbilden und an potenzielle Arbeitgeber vermitteln. So weit die Theorie. Doch bei der Betreuung von Arbeitssuchenden hat es seit Einführung der Untersuchung im Jahr 2017 noch nie so viele Fehler gegeben wie zuletzt.

Auch gab es noch nie zuvor so viele Maßnahmen zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt, bei denen kein zielgerichteter Einsatz der Ressourcen vorliegt. Das bedeutet, dass diese »sich nicht an den individuellen Bedürfnissen« der Erwerbslosen orientieren, was ihrem Unterstützungsbedarf nicht gerecht wird. Die Förderinstrumente werden »ineffektiv und ineffizient eingesetzt«. Das geht aus der aktuellen internen Revision der Bundesagentur für Arbeit für das Jahr 2020 hervor, die »nd« vorliegt. Der 70 Seiten umfassende Bericht ist eine Aneinanderreihung von Missständen und Fehlern in den Jobcentern.

Die Betreuung von Arbeitssuchenden war in über der Hälfte der untersuchten Fälle nicht zielführend. »Die festgestellten Mängel betreffen die Kernelemente des beschäftigungsorientierten Fallmanagements«, heißt es in dem Bericht. Die Chancen auf einen Arbeitsplatz konnten von den Jobcentermitarbeitenden – sogenannte Fallmanager – nicht erhöht werden. Als Grund wird unter anderem genannt, dass zu wenige Beratungsgespräche stattgefunden haben. Mit einigen Arbeitssuchenden wurde im Untersuchungszeitraum zwischen sechs und 18 Monaten kein einziges Gespräch geführt. Bei anderen waren die Abstände zwischen den Beratungen zu lang.

In rund zwei Dritteln der Fälle hatten die Jobcentermitarbeitenden Handlungserfordernisse »nicht systematisch bearbeitet«. So kam es, dass zum Beispiel keine Aktitivitäten eingeleitet wurden, um einer angespannten Wohnsituation oder einer Schuldenproblematik entgegenzuwirken. Jedoch wurden längst nicht nur mögliche Hilfestellungen weggelassen. In mehr als einem Fünftel der Fälle hielten die Fallmanagerinnen und Fallmanager vereinbarte Aktivitäten, ausgegebene Vermittlungsvorschläge sowie vereinbarte Eigenbemühungen nicht beziehungsweise nicht ausreichend ein. Wenn Erwerbslose gegen Vereinbarungen verstoßen, drohen ihnen Sanktionen, also Kürzungen ihrer Grundsicherung.

Aber nicht nur die schlechte Vermittlung und fehlende Hilfestellungen werden in dem vom Vorstand der Bundesagentur für Arbeit und dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales in Auftrag gegebenen Bericht kritisiert. Auch bei noch existenzielleren Fragen wie der Höhe oder dem Zeitraum der bewilligten Sozialhilfe wurden Missstände festgestellt. In sechs Prozent der untersuchten Fälle gab es Fehler bei der bewilligten Leistung. Das ist eine leichte Verbesserung um zwei Prozentpunkte gegenüber der Fehlerquote aus dem 2. Halbjahr 2019. Doch bei den Neuanträgen lag die Fehlerquote bei über 20 Prozent. Meist war ein unzutreffendes oder nicht mehr nachvollziehbares Abgabedatum der Grund.

Immer wieder wird in Statistiken der Bundesagentur für Arbeit deutlich, wie viele Fehler in den Jobcentern gemacht werden. Widersprüche von Hartz-IV-Beziehenden gegen Entscheidungen ihres zuständigen Jobcenters haben hohe Erfolgsaussichten. 2019 führten etwa über ein Drittel aller Widersprüche ganz oder teilweise zum Erfolg. Für die Betroffenen geht es dabei um Existenzielles. Wird die Miete rechtzeitig überwiesen? Wann kommt das ihnen zustehende Geld für den Lebensunterhalt?

Umso wichtiger ist, dass die Fehler schnell behoben werden. Doch in dem Revisionsbericht wird deutlich, dass sich die Jobcentermitarbeitenden viel Zeit für die Bearbeitung von Widersprüchen lassen. 29 Prozent der geprüften Widersprüche wurden nicht einmal innerhalb der Frist von drei Monaten nach Eingang entschieden. In über 70 Prozent von diesen lagen »Hinweise auf vermeidbare Verzögerungen« vor. Oft wurde den Betroffenen keine Möglichkeit gegeben, sich zu ihren Widersprüchen zu äußern.

Das Urteil der Prüfer in dem Bericht ist eindeutig. Es sei nicht gelungen, vorherige Revisionsergebnisse für eine nachhaltige Verbesserung der Bearbeitungsqualität zu nutzen. Es gebe einen »dezentralen Handlungsbedarf«. Die interne Revision hält daher ein Handeln der Bundesagentur für Arbeit für erforderlich.

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