Dominoeffekte

Von Spielen, leckeren Steinen und mörderischer Angst

Ich habe mich immer über die älteren Herren im Moskauer Gorkipark gewundert, die den lieben langen Tag in stoischer Ruhe Domino spielten (und wohl auch heute noch spielen). In der Karbik, vor allem auf Kuba, frönt man ebenso dieser Leidenschaft, die mir völlig fremd ist, Zeitverschwendung zu sein scheint. Gleichwohl auch ich einst Domino spielte, als meine Kinder klein waren und sie derart zählen lernen (und nebenbei schon mal auf das Punktesystem in der neoliberalen Leistungsgesellschaft vorbereitet werden) konnten. Am 3. Dezember ist bundesweiter Tag der Dominosteine. Womit nicht die in der Adventszeit beliebte Leckerei gemeint ist, die ein Dresdner Chocolatier in den 1930er Jahren als Praline für den »gemeinen Mann« erfand. Es gibt eine eingeschworene Fangemeinde der zumeist schwarz-weißen Spielsteine. Die Gewinner der jährlich in Domino ausgetragenen Weltmeisterschaft kamen überwiegend aus Deutschland. (Vielleicht sollte Hansi Flick seine Jungs lieber Domino spielen lassen?)

Atemberaubend sind spielerische Dominoeffekte, vor Jahren noch abendfüllendes, hohe Einschaltquoten bescherendes Programm bei RTL. Mit Dominosteinen wurden Guinness-Weltrekorde erzielt. Mörderisch hingegen die Domino-Doktrin von Dwight D. Eisenhower von 1954. Der US-Präsident befürchtete, dass ob der »populistischen Kraft« des Kommunismus ein Land nach dem anderen aus westlicher Herrschaft ausbrechen und zum »Sowjetblock« übergehen könnte. Diese Angst begründete die Containment- und Rollback-Politik im Kalten Krieg, Invasionen und Putsche rund um den Globus. Des US-Generals Dominotheorie diente auch zur Legitimierung des Dritten Golfkrieges, des Sturzes von Saddam Hussein. Und scheint heute Pate zu stehen in der Konfrontation mit China. Apropos, Domino soll Marco Polo aus dem »Reich der Mitte« nach Europa gebracht haben.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -