Massenabfertigung an den Universitäten

In keinem anderen Land muss ein Professor statistisch gesehen so viele Studierende betreuen wie in Nordrhein-Westfalen

  • David Bieber
  • Lesedauer: 3 Min.

Nordrhein-Westfalen ist das Bundesland mit den meisten Universitäten und Hochschulen. Im Wintersemester 2022/2023 waren etwa 745 000 Studierende an Hochschulen in NRW eingeschrieben. Das geht aus aufbereiteten Zahlen der deutschen Online-Plattform für Statistik, Statista, hervor. Man könnte nun denken, dass angesichts dieser hohen Zahl auch die Betreuung intensiv und auf die Studierenden zugeschnitten sei. Doch wer das denkt, liegt völlig falsch.

Trotz leichter Verbesserungen bei der Betreuung muss in keinem anderen Bundesland ein Universitätsprofessor mehr Studierende betreuen als in Nordrhein-Westfalen. An den dortigen Universitäten betreute im Jahr 2021 ein Professor oder eine Professorin im Durchschnitt aller Fächer 85 Studierende, ein Rückgang im Vergleich zum Vorjahr um vier Studierende. Dies ergab die jüngste Erhebung der Fachzeitschrift »Forschung und Lehre«, die auf Zahlen des Statistischen Bundesamts beruht. Damit liegt NRW abgeschlagen auf dem letzten Platz der 16 Bundesländer, und das seit Jahren.

Am besten soll demnach der Betreuungsschlüssel in Mecklenburg-Vorpommern sein, wo ein Professor lediglich 43 Studierende betreut. In Baden-Württemberg kommt ein Professor auf 53 Studierende, in Bayern sind es 61. Im Durchschnitt aller Bundesländer beträgt der Wert 1 zu 63. Damit habe sich das Betreuungsverhältnis bundesweit insgesamt leicht verbessert, im Jahr zuvor seien es im Schnitt 65 Studierende pro Hochschullehrer gewesen, heißt es in »Forschung und Lehre«.

Die Außenwirkung ist fatal für die Universitäten in NRW. Einerseits klagen Lehrkräfte und Professoren über die hohe Arbeitsbelastung bei der Vielzahl an zu betreuenden Studierenden pro Kopf. Andererseits droht der tertiäre Bildungsstandort in NRW, der lange Zeit einen sehr guten Ruf genoss, an Studienqualität weiter einzubüßen. Denn wo die Betreuungsrelation schlecht ist, ist die Abbrecherquote höher. Das wissen auch angehende Studierende, die sich dann gegen eine Bildungseinrichtung in NRW entscheiden könnten. Die Folge ist, dass sich viele Studierende beklagen, weil Lehrende nicht auf E-Mails antworten, lange für die Korrektur einer Hausarbeit benötigen oder kaum Sprechstunden anbieten. So lautet die Kritik der Allgemeinen Studierendenausschüsse.

Die Landespolitik hat einige Verbesserungen versprochen. Sie will, dass mehr junge Menschen ihr Studium erfolgreich absolvieren. Dafür hat sie 2021 nach eigenen Angaben bereits rund 300 Millionen Euro für Studium und Lehre bereitgestellt. Damit sollte vor allem das Betreuungsverhältnis von Lehrenden und Studierenden reduziert und somit verbessert werden. Mehr Professoren und wissenschaftliche Mitarbeiter sollten eingestellt werden, ohne zugleich mehr Studierende aufnehmen zu müssen.

Die »Hochschuloffensive« hat laut den aktuellen Zahlen allerdings nicht viel gebracht. Inzwischen regieren in der Landeshauptstadt Düsseldorf CDU und Grüne. Die Entscheidung stammt noch vom schwarz-gelben Kabinett unter dem damaligen Ministerpräsidenten Armin Laschet (CDU) aus dem Jahr 2019. Die damals für 2021 angekündigten Mittel bedeuteten eine Erhöhung um 50 Millionen Euro.

Die Universitäten in Nordrhein-Westfalen meinen, dass die finanziellen Mittel nicht ausreichend sind und es größerer Förderung bedarf. Eine Möglichkeit, die Lage zu entspannen, sei es, die Befristungspraxis zu beenden sowie mehr in langfristige Beschäftigungsverhältnisse und in mehr Personal zu investieren. Nur so könne der Betreuungsschlüssel in NRW gesenkt werden und das Bundesland attraktiv für Studierende bleiben. Das fordert seit Jahren auch die Bildungsgewerkschaft GEW.

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