Das Lithium den Mexikanern

Präsident López Obrador verstaatlicht per Dekret das für die Batterieproduktion so wichtige Leichtmetall

  • René Thannhäuser
  • Lesedauer: 4 Min.

Der Ort der Verkündung war mit Bedacht gewählt. Mexikos Präsident Andrés Manuel López Obrador war mitsamt seines Wirtschaftskabinetts in die Sierra von Sonora gereist, um seine Pläne zu offenbaren. »Wir nationalisieren das Lithium«, verlautbarte López Obrador am 18. Februar im Dorf Bacadéhuachi im hohen Norden Mexikos. Dort, unweit der Grenze zu den USA, befindet sich das vielleicht weltweit größte Einzelvorkommen an Lithium. Noch wird das für die Produktion von Hochleistungsbatterien essenzielle Leichtmetall dort nicht abgebaut. Doch das soll sich ändern.

Per Dekret hat die mexikanische Regierung die Lithiumvorkommen des Landes zum Eigentum der mexikanischen Nation erklärt und dem mexikanischen Staat die exklusiven Abbaurechte zugesprochen. Zugleich erklärte die Regierung 234 855 Hektar im Hochland von Sonora zur Bergbauzone Li-MX 1. »Wir nationalisieren das Lithium, damit Ausländer es nicht ausbeuten können, seien sie aus Russland, China oder den USA«, so López Obrador.

Wendepunkt für Mexikos Industriepolitik

Das Energieministerium und das im August 2022 gegründete Staatsunternehmen LitioMx sollen nun die Förderung von Lithium vorbereiten. »Ein Wendepunkt für die neue Industriepolitik, die sich den sauberen Energien versprochen hat«, kommentiert Wirtschaftsministerin Raquel Buenrostro. Dabei ist die Haltung der mexikanischen Regierung zu »sauberen Energien« bislang widersprüchlich. Ziel der Energiepolitik von López Obrador ist die »Wiedererlangung staatlicher Souveränität«, worunter er eine Abkehr von der Liberalisierungspolitik der Vorgängerregierungen versteht. Zentral ist dabei die Stärkung der staatlichen Akteure: des Stromversorgers CFE und vor allem des Ölkonzerns Pemex, der als Blaupause für die Gründung von LitioMx dient. Kritiker*innen werfen der Regierung deshalb eine klare Bevorzugung der staatlichen fossilen Energieinfrastruktur gegenüber regenerativen Energien vor.

López Obrador hat die Bedeutung des Lithiums für die Dekarbonisierung der Automobilindustrie betont: »Wir werden nicht fortschreiten können, wenn wir nicht über Batterien verfügen, und deren Primärmaterial ist Lithium.« Die mexikanischen Reserven werden auf insgesamt 1,7 Millionen Tonnen und somit 2,5 Prozent der weltweiten Lithiumvorkommen geschätzt. Lithium-Verbindungen werden vor allem für Hochleistungsbatterien benötigt, die in Smartphones, Laptops oder mit zunehmender Bedeutung in Elektroautos verbaut werden. Prognosen gehen davon aus, dass sich der weltweite Lithiumbedarf bis zum Ende der Dekade verzehnfachen könnte.

Lithium von strategischer Bedeutung

Die Lithiumvorkommen in Nordmexiko könnten von strategischer Bedeutung sein. Seit dem Inkrafttreten des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens mit Kanada und den USA 1994 hat sich Mexiko zu einem wichtigen Standort der Automobilindustrie entwickelt. Internationale Autobauer produzieren hier für den US-Markt. Laut mexikanischem Automobilherstellerverband AMIA war Mexiko 2021 mit rund drei Millionen produzierten Fahrzeugen der siebtgrößte Hersteller der Welt und steht kurz davor, Deutschland und Südkorea zu überholen.

Gegenüber Kanada und den USA betonte López Obrador die gemeinsame Verpflichtung, den Ausbau sauberer Energien zu beschleunigen. Zusammen mit US-Autobauern hat US-Präsident Joe Biden versprochen, dass bis 2030 mindestens die Hälfte aller neu zugelassenen Autos in den USA zumindest teilweise elektrisch fahren muss. Verschiedene Medien berichten, dass Tesla plane, ein Werk in Nordmexiko zu errichten.

Aufbau mit bolivianischer Hilfe

Beim Aufbau der mexikanischen Lithiumindustrie soll Bolivien helfen, dessen Modell López Obrador als Vorbild sieht. Dort ist Privatunternehmen der Lithium-Abbau nur in Kooperation mit dem Staat erlaubt. Außerdem werden sie dazu verpflichtet, einen Teil ihrer Wertschöpfungsketten in Bolivien aufzubauen, bislang jedoch ohne jeglichen Erfolg, wie Kritiker*innen des bolivianischen Modells betonen.

Derweil ist jedoch ungewiss, wann und sogar ob die Lithium-Vorkommen in Sonora umfassend abgebaut werden. Der Lithiumabbau ist äußerst ressourcenintensiv und benötigt enorme Mengen Wasser. Der Nordwesten Mexikos ist jedoch äußerst trocken. Außerdem befindet sich das Lithium in Sonora in tonhaltigem Gestein und dazu in geringer Konzentration. Oscar Ocampo vom privaten Wirtschaftsinstitut IMCO sagte dazu gegenüber der Deutschen Welle: »Der mexikanische Staat verfügt in diesem Moment weder über die Ressourcen noch über das Kapital, um die Lithium-Reserven abzubauen.« Und mit Ganfang hat ausgerechnet ein chinesisches Unternehmen das vorgeschrittenste Projekt auf dem nun zur Bergbauzone Li-MX 1 erklärten Gebiet.

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