Selbst ein Trinkgeld für arme Rentner wird abgelehnt

Brandenburgs Linksfraktion fordert Beitritt zum Härtefallfonds. Die Koalition lehnt ab

  • Matthias Krauß
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Landesregierung soll sich nach dem Willen der oppositionellen Linken gegenüber ihren Rentnern ehrlich machen und dem von der Bundesregierung angebotenen Härtefallfonds beitreten. In Armut lebende Menschen, die aufgrund der bundesdeutschen Rechtslage um ihre DDR-Zusatzrenten gebracht wurden, würden demnach einen einmaligen Ausgleich erhalten. Die Vertreter der Regierungsparteien zeigen jedoch keine Bereitschaft.

Wie Linksfraktionschef Sebastian Walter am Dienstag sagte, warten in ganz Ostdeutschland immer noch rund 500 000 Rentner auf eine gerechte Behandlung. Bei ihnen handelt es sich um die letzten »Überlebenden«, die als geschiedene Frauen oder Mitglieder einer diskriminierten Berufsgruppe durch die 1990 eingeführte bundesdeutsche Rechtslage auf Zusatzleistungen beziehungsweise Rentenpunkte verzichten mussten und zum großen Teil arm sind. Insgesamt 40 Milliarden Euro seien ihnen vorenthalten worden, so Walter. Er sprach von 17 Berufsgruppen, unter anderem bei Post und Bahn, in der Braunkohle und beim Ballett, deren DDR-Sonderversorgungssysteme mit der deutschen Einheit unter den Tisch gefallen seien.

Laut Walter sollen nach dem Willen der Bundesregierung nicht etwa alle etwas bekommen, sondern nur jene eine Einmalzahlung von 2500 Euro, die am 1. Januar 2021 eine Rente erhielten, die nicht höher als 830 Euro war. Den Bundesländern steht es frei, sich an diesem Fonds zu beteiligen und diese Summe zu verdoppeln. Das Gesetz zielt auch auf Spätaussiedler und die sogenannten Kontingentflüchtlinge aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion ab. Laut Walter beträfe das etwa 10 000 Brandenburger. Das Land müsste für sie eine Summe von 25 Millionen Euro erübrigen.

Walter zufolge haben Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern bekundet, ihren Beitrag zu leisten. Auch die Einmalzahlung von 5000 Euro »würde immer noch keine Gerechtigkeit schaffen«, wäre aber zumindest eine Geste, findet er. Gerade was man den geschiedenen Frauen antue, denen keine Rentenpunkte ihrer in der Regel mit einem besseren Einkommen ausgestatteten Ex-Männer zugesprochen worden seien, sei nur als »zum Himmel schreiendes Unrecht« zu betrachten. Alle bisherigen Bundesregierungen hätten das Problem auf die lange Bank geschoben und auf den Tod der Betroffenen gewartet. Wenn die Bundesländer für eine Verdopplung der Beträge sorgen wollten, müssten sie sich bis zum 31. März dazu verpflichten. Geld gebe es für die Rentner aber nur auf Antrag, erläuterte Walter. Die Rentner selbst haben ihm zufolge bis zum 30. September Zeit, einen Antrag zu stellen. Walter sagte zu, seine Partei werde Betroffenen helfen, nicht an der Bürokratie zu scheitern.

CDU-Fraktionschef Jan Redmann ist nicht dafür, dass Brandenburg hier Geld ausgibt. Die rot-schwarz-grüne Landesregierung »sollte sich nicht von der Bundesregierung ins Boxhorn jagen lassen«, erklärte er. Rentenrecht sei Bundessache. Der Bund plane ja nur, den Ländern den »schwarzen Peter« zuzuschieben. Redmann sieht ebenfalls Defizite, die auszugleichen wären, doch müsste das der Bund allein übernehmen. Statt Landesgeld in die Hand zu nehmen, gelte es, dafür zu sorgen, »dass der Härtefallfonds des Bundes größer wird«.

»Die Gleichbehandlung der Rentner in Ost und West sollte selbstverständlich sein«, sagte der Abgeordnete Philip Zeschmann (Freie Wähler). Allerdings sei der Landeshaushalt 2023/2024 verabschiedet und es sei daher fraglich, aus welchem Topf dieses Geld stammen sollte.

Auch wenn Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen schon zugesagt haben – »wir sehen das kritisch«, positionierte sich SPD-Fraktionschef Daniel Keller. Auch die SPD sei nicht dafür, den Bund aus seiner Verantwortung zu entlassen. So wie die anderen ostdeutschen Bundesländer auch habe sich Brandenburg schon seit 1991 bereitgefunden, Ausgleichszahlungen bei den Renten zu leisten. Im Jahr 2021 habe das fast 500 Millionen Euro gekostet, wobei der Bund die Hälfte der Summe übernommen habe. Derzeit laufen Verhandlungen mit dem Ziel, den Bund 60 Prozent dieser Sonderzahlungen übernehmen zu lassen. »Zeigen Sie mir das westdeutsche Bundesland, das für seine Rentner Mittel aus dem Landeshaushalt bereitstellt«, sagte Keller. Eine weitere Übernahme von originären Bundesaufgaben dürfe es nicht geben.

Auch Grünen-Fraktionschef Benjamin Raschke sprach sich am Dienstag gegen eine Beteiligung Brandenburgs an den Einmalzahlungen aus. »Rentenrecht ist Bundesrecht«, argumentierte er.

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