Skilanglauf: Deutsches Wunder in der Loipe

Ein sensationeller Winter geht für das deutsche Langlauf-Team zu Ende

  • Lars Becker
  • Lesedauer: 4 Min.

Als Deutschlands Männer-Staffel bei der Nordischen Ski-WM in Planica sensationell zur ersten Medaille seit 2011 gestürmt war, sprach Jonas Dobler von einem »kleinen Skilanglauf-Wunder«. Kurz nach dem größten Erfolg seiner Karriere ist der 31-Jährige zurückgetreten. Doch beendet ist das deutsche Wunder deshalb noch lange nicht – auch beim finalen Saison-Weltcup im finnischen Lahti glänzte das wiedererstarkte Team mit spektakulären Podestplätzen. Zuerst stürmten Laura Gimmler und Coletta Rydzek im Teamsprint auf Platz drei. Am Sonntag beendete dann Katharina Hennig im finalen Rennen über 20 Kilometer ebenfalls mit Platz drei eine außergewöhnliche Saison. »Ich habe im Zielsprint Sternchen gesehen, aber ich wollte das perfekte Ende eines tollen Winters. Wir sind näher an die Weltspitze gerückt, das macht Lust auf mehr«, sagte sie nach dem Rennen. Bundestrainer Peter Schlickenrieder blickte ebenfalls schon nach vorn: »Wenn wir den Drive mitnehmen, stehen uns tolle Zeiten im deutschen Skilanglauf bevor.«

Im Vorwinter waren Staffel-Silber für die Frauen und der Olympiasieg von Hennig mit Victoria Carl im Teamsprint in Peking echte Sensationen. Bei der WM gab es neben Bronze für die Männer auch ein souverän herausgelaufenes Staffel-Silber für die Frauen. Vor allem aber rückten die deutschen Langläufer auch in den Einzelrennen in Sichtweite der Medaillen. Hennig fehlten als WM-Vierte im Skiathlon nur ein paar Sekunden zur Erfüllung ihres großen sportlichen Traums von einer Einzelmedaille. Im Weltcup sprang die 26-Jährige in der abgelaufenen Saison gleich fünfmal aufs Podest, darunter war auch ihr erster Etappen-Sieg bei der Tour de Ski. Als Gesamtweltcup-Siebte schaffte sie die beste deutsche Platzierung seit 17 Jahren. 

Auch bei den Männern gibt es nach einer langen Leidenszeit wieder Hoffnung auf große Erfolge: Ausnahmetalent Friedrich Moch schaffte es im Weltcup fünfmal in die Top Ten. Bei der WM wurde der 22-Jährige im Skiathlon und über 15 Kilometer Siebter und Achter – und führte die Staffel als Schlussläufer zu Bronze. In Lahti fehlte er beim Finale wegen einer Nasennebenhöhlenentzündung. »Friedrich Moch hat das Zeug, Weltmeister und Olympiasieger zu werden«, sagt Schlickenrieder überzeugt. Er vergleicht seinen jungen Topmann bereits mit Weltmeister Axel Teichmann, inzwischen ebenfalls Trainer im Nationalteam. Schlickenrieder und Teichmann hatten neben anderen Topathleten wie Tobias Angerer, Claudia Künzel-Nystad oder Evi Sachenbacher-Stehle die letzte Medaillenära der deutschen Skilangläufer Anfang des Jahrtausends geprägt.

Im Erfolg unter Chefcoach Jochen Behle wurde damals aber die Nachwuchsarbeit vernachlässigt. Genau darauf konzentriert sich die heutige Führung – genau wie auf die Themen Eigenverantwortung und Teamgeist. Deshalb baute Schlickenrieder nach dem sensationellen Olympia-Erfolg auch das Trainer-Team noch einmal um. Bei den Frauen wurde mit dem Schweden Per Nilsson ein international anerkannter Trainer verpflichtet, der Frida Karlsson als Heimtrainer zu einer der weltbesten Skilangläuferinnen geformt hat. Im Männer-Bereich hat Marc Steur, der in der Schweiz internationale Erfahrungen sammeln konnte, die Trainer-Chefposition übernommen. Unter seiner Führung hat besonders Moch in diesem Winter einen deutlichen Schritt nach vorn gemacht. Erst mit 13 stieg der schlaksige Mann das erste Mal auf Langlauf-Bretter, die ihm sein Vater geschenkt hatte. Mit 16 gewann er seinen ersten deutschen Meistertitel in der Jugend, mit 20 war er bereits zweimaliger Junioren-Weltmeister. 

Jetzt hat er mit Staffel-Bronze die erste WM-Medaille bei den »Großen« geholt. Das soll aber erst der Anfang einer Erfolgs-Ära sein. Moch hat wie Katharina Hennig und Victoria Carl das beste Alter im Ausdauersport noch vor sich. »Wir haben seit den Olympischen Spielen von Peking unsere Hausaufgaben gemacht. Die beiden WM-Medaillen und vielen Top-Ten-Platzierungen inklusive Podestplatzierungen im Weltcup lassen uns ein positives Saison-Fazit ziehen. Wir sind als Team noch mal enger zusammengerückt und haben gezeigt, dass wir absolut konkurrenzfähig sind«, bilanziert Andreas Schlütter. Nach der Saison wollen der Sportdirektor und Bundestrainer Schlickenrieder die Weichen dafür stellen, dass der deutsche Langlauf-Aufschwung weitergeht.

Ziel ist, dass die regionalen Stützpunkte in Deutschland noch mehr an einem Strang ziehen und es kein Konkurrenzdenken zwischen Zentren wie Oberstdorf und Oberwiesenthal mehr gibt. Schließlich hat Schlickenrieder ein großes Ziel formuliert: »Irgendwann wollen wir auch Norwegen schlagen.« Die dominante Langlauf-Nation gewann bei den Weltmeisterschaften sieben von zwölf WM-Titeln, darunter alle sechs bei den Männern. Johannes Hösflot Kläbo und Tiril Udnes Weng sicherten sich den Gesamtweltcup. Bis zu diesen Erfolgen ist es noch ein weiter Weg – aber mit Wundern kennen sich die deutschen Skilangläufer ja ziemlich gut aus …

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