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Die letzte Chance für Belgiens Fußballer

Domenico Tedesco und sein neues Team testen gegen die DFB-Elf

  • Frank Hellmann
  • Lesedauer: 4 Min.
Trainer Domenico Tedesco (v.) soll Belgien besser machen.
Trainer Domenico Tedesco (v.) soll Belgien besser machen.

Schon seit einiger Zeit pflegen der Königliche Belgische Fußball-Verband und der Deutsche Fußball-Bund (DFB) einen engen Austausch. Wegen der nun offiziell auf den Weg gebrachten Bewerbung für die Frauen-WM 2027 – gemeinsam mit den Niederlanden – stimmten sich Spitzenfunktionäre so oft miteinander ab, dass das Freundschaftsspiel zwischen den beiden Nationalmannschaften der Männer an diesem Dienstag in Köln fast zwangsläufig zustande kam. Die Verbindung über die Trainerbänke, weil der zu Saisonbeginn noch für RB Leipzig arbeitende Domenico Tedesco neuer Nationaltrainer wurde, tut nun noch ein Übriges.

Nach dem Spanier Roberto Martinez erneut auf einen Coach aus dem Ausland setzen zu wollen, kam in Belgien nicht überall gut an. Doch die Kritik am 37-Jährigen verstummte, als Franky Vercauteren gleichzeitig neuer Sportdirektor wurde. Der 66-Jährige war bereits als Assistent von Ikone René Vandereycken und später als Interimscoach tätig. Der »Prinz« gehörte zu jener prägenden Epoche, als die Belgier bei der WM 1986 bis ins Halbfinale kamen. Es folgte eine lange Talsohle, die erst vor einem Jahrzehnt durchschritten war. Bei der WM 2014 sorgte eine junge Rasselbande unter Marc Wilmots erstmals wieder für Aufsehen – und reiste fortan eigentlich zu jedem Turnier als Geheimfavorit. Der Begriff der »Goldenen Generation« machte fast schon inflationär die Runde.

»Das mag aufgrund der Möglichkeiten auch stimmen«, sagt der ehemalige Nationaltorwart und Bayern-Keeper Jean-Marie Pfaff. »Aber welche Titel haben wir geholt? Bislang noch keinen.« Der 69-Jährige verhehlt in einem DFB-Interview nicht, dass er die Inthronisierung von Tedesco skeptisch betrachtet: »Kann er auch eine Nationalmannschaft führen? Ich hoffe es sehr. Denn wir brauchen einen starken Trainer mit einem guten Händchen.«

Der Auftakt lief im ersten Qualifikationsspiel zur EM 2024 beim 3:0 am vergangenen Freitag in Schweden ganz gut. Den Dreierpack von Romelu Lukaku leitete der für Hertha BSC spielende Dodi Lukebakio ein, der erst das zweite Mal in der belgischen Startelf stand. Fast kurios, dass der in der Bundesliga in seinen Leistungen so schwankende Lukebakio lange als Gesicht des Neuanfangs galt. Langfristig stehen dafür eher die nächsten Toptalente wie die beiden 19-jährigen Romeo Lavia oder Johan Bakayako.

Gerade Tedesco kann in diesem Prestigeduell mit Deutschand viel gewinnen. Die DFB-Elf hat 20 von 25 Länderspielen gegen den kleinen Nachbarn gewonnen, der bei allen Turnierspielen den Kürzeren zog. Die Niederlagen im EM-Finale1980 (1:2) mit dem Doppelpacker Horst Hrubesch und beim WM-Aus 1994 (2:3) nach einem Doppelschlag von Rudi Völler schmerzten dabei am meisten. Bei der WM in Katar hätten beide Nationen im Achtelfinale wieder aufeinandertreffen können, doch Belgiens Ensemble kickte ähnlich uninspiriert wie Deutschlands Auswahl, es folgte das Aus in der Gruppe mit Kanada, Kroatien und Marokko. Danach sind Eden Hazard, Toby Alderweireld und Ersatztorhüter Simon Mignolet aus der Ü30-Fraktion zurückgetreten, zudem verzichtet Tedesco freiwillig auf den 34 Jahre alten Axel Witsel, während Flamen und Wallonen aufgeregt diskutieren, ob Kevin De Bruyne nicht zufällig mit Manchester City keinen internationalen Titel gewinnt.

Zum Kapitän hat Tedesco De Bruyne dennoch ernannt. Dessen Können ist schließlich auch mit 31 Jahren noch unbestritten. Überdies hat der Mittelfeldspieler den klaren Plan, später Trainer zu werden und in einem speziellen Programm seines Verbandes bereits die Uefa-A-Lizenz erworben. Seine strategischen Fähigkeiten sind weiterhin so gefragt wie der untrügliche Instinkt des an guten Tagen immer noch großartigen Torjägers Lukaku. Der 29-Jährige steht bereits bei 71 Länderspieltreffern. So oft hat in Deutschland nur Miroslav Klose getroffen. Bei der WM 2018 schien der vielsprachige Tausendsassa Lukaku kurz vor seiner Krönung zu stehen, die internationale Reporterschar klebte an seinen Lippen. Doch dann zerschellten die Hoffnungen der Roten Teufel im Halbfinale von St. Petersburg an der defensiven Disziplin des späteren Weltmeisters Frankreich. Der dritte Platz war der verdiente Lohn für den Brasilien-Bezwinger.

Die EM 2024 in Deutschland gilt nun als lohnendes Ziel, weil die Belgier mit tausendfacher Unterstützung ihrer Anhänger rechnen können. Das Freundschaftsspiel in Köln könnte einen Vorgeschmack liefern. Offiziell hat der belgische Verband seine zugeteilten 2000 Tickets abgesetzt, doch die Gäste dürften sich reichlich auch beim deutschen Kontingent bedient haben.

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