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Freie Wähler: Spreewald statt Wildwald

Freie Wähler unterstellen Brandenburger Landesregierung, den Spreewald zerstören zu wollen

  • Matthias Krauß
  • Lesedauer: 5 Min.

Sollten weitere Landesteile von Brandenburg in Totalreservate verwandelt werden? Nein, sagen die Freien Wähler. Und schon recht nicht im Spreewald. Unter dem Motto »Spreewald statt Wildnis« protestiert die Fraktion im Brandenburger Landtag gegen die Absicht der Landesregierung von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD), noch mehr Teile des Spreewalds dem menschlichen Einfluss zu entziehen und in eine Wildnis zu verwandeln. Was man sich da vorgenommen habe, sei nichts weniger als die Zerstörung einer Naturlandschaft, behauptet Freie-Wähler-Fraktionschef Péter Vida. Die Umsetzung solcher Pläne hätte zur Folge, dass Kahnfahrten, Tourismus und Landwirtschaft der Boden entzogen würde.

»Was auf den ersten Blick nach mehr Umwelt- und Naturschutz aussieht, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als Mogelpackung«, echauffieren sich die Freien Wähler in einer Pressemitteilung. »Denn der Spreewald ist eine von Menschen geschaffene Kulturlandschaft. Die Landschaftspflege ist von entscheidender Bedeutung, um den Spreewald und seine wertvolle Natur zu erhalten und zu schützen.«

Man habe sich im Spreewald umgehört, sagt Vidas Fraktionskollegin Christine Wernicke. Ihr Befund ist eindeutig: »Die Menschen vor Ort wollen keine Gängelung und Vorgaben aus Potsdam für ihr von der Unesco anerkanntes Biospährenreservat. Vor allem, weil es andere Gebiete gibt, die sich für die Ausweisung von Wildnisflächen besser eignen.«

Ziel der Landesregierung ist es, zehn Prozent des Landeswaldes als Wildnis stillzulegen. Vom Landesamt für Umwelt kam der Vorschlag, große Flächen des Ober- und Unterspreewaldes unter anderem aus Kostengründen darin einzubeziehen. Es fände dort überhaupt keine Bewirtschaftung mehr statt – auch mit unabsehbaren Folgen für den Brandschutz.

Die Bürgerinitiative »SpreeWald statt Wildnis« wehrt sich gegen den Plan, weitere 450 Hektar zum Totalreservat zu machen, also noch einmal die gleiche Fläche wie jene, die bereits als Reservat ausgewiesen ist. In den vorhandenen Schutzgebieten im Spreewald gebe es keinen Hochwald mehr, nur noch Verbuschung durch massives Erlensterben, heißt es von der Initiative. Und: »Durch mangelnde Gewässerpflege und verbotene Wiederaufforstung ist unser Hochwald sehr stark vom Aussterben bedroht. Durch natürliche Aussaat kann sich der Hochwald nicht regenerieren, weil ein Keimen der Saat nicht möglich ist.« Den Naturschützern in Potsdam hält man entgegen: »Es ist nachweisbar, dass ein intakter Wald gegen den Klimawandel mehr hilft als Wildnisflächen. Der Hochwald braucht die helfende Hand des Menschen, um zu überleben.«

Hintergrund ist die »Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt« der Bundesregierung, wonach deutschlandweit zwei Prozent der Landesfläche zur Wildnis erklärt werden müssten. Dies hätte zur Folge, dass jegliche Nutzung dieser Gebiete durch den Menschen untersagt würde, sagt Falkner Schwarz von »SpreeWald statt Wildnis«: »Verboten wären dann Jagd, Fischerei sowie Forstwirtschaft und der Tourismus würde zum Erliegen kommen.«

Am Tourismus hängen im Spreewald rund 10.000 Arbeitsplätze, so Yves Schwarz, der als Fährmann von Spreewaldkähnen die Initiative unterstützt. Zudem werde der Wasserhaushalt in der Region empfindlich gestört, wenn die nicht mehr beräumten Fließe in den Wildnisgebieten verschlammten. Im Falle von Hochwasser seien dann Überschwemmungen und in trockenen Phasen Wasserknappheit zu befürchten, weil die Fließe kein Wasser mehr transportieren beziehungsweise halten könnten.

Zwei Drittel aller deutschen Schutzflächen liegen in Ostdeutschland. Nicht wenige sind daher der Auffassung, dass bei der Ausweisung weiterer Flächen jetzt mal der Westen am Zuge wäre. Ihre Position: Es sei gar nicht klar, ob ein Totalreservat überhaupt einen Beitrag zur höheren Vielfalt bei Fauna und Flora leistet oder ob es sich nicht um ein Hirngespinst irgendwelcher Städter handele, die von wirklichen Entwicklungen auf diesem Gebiet keine Ahnung haben und deren Vorstellungen von Naturschutz durch »Heidi«-Trickfilme geprägt wurden.

Nach dem Ende der DDR wurden in Ostdeutschland viele ehemalige Militärflächen in Schutzgebiete umgewandelt in der Hoffnung, auf diese Weise die Vielfalt der Tier- und Pflanzenwelt zu erhalten. Kritiker sagen, das Gegenteil sei eingetreten, es gebe in Brandenburg deutlich weniger Tier- und Pflanzenarten als vor 30 Jahren. Und selbst das Umweltministerium musste einräumen, dass Fauna und Flora zu DDR-Zeiten vielfältiger war. Auf den sich selbst überlassenen Militärflächen fand offenbar keine Bereicherung, sondern eine Verarmung der Natur statt.

Ein sich einfach selbst überlassener Wald in den mitteleuropäischen Breiten, so die Argumentation der Gegner, erzeuge eher ein flächendeckendes Gestrüpp. Vielen Tier- und Pflanzenarten würde so der Lebensraum entzogen, in dem sie sich zuvor noch zurechtfanden. Als Paradebeispiel gilt der Park von Sanssouci in Potsdam, der größte Tierpark mit Freilaufcharakter, über den das Land Brandenburg verfügt. Dort habe die ordnende Hand des Menschen eine Vielzahl von Biotopen geschaffen, in einer einer Dichte, wie sie in einer sich überlassenen Natur nicht entstehen könne.

Befürworter halten dagegen, sehen in den Wildnisgebieten eben doch Rückzugsräume, die der Artenvielfalt zugutekommen. Auch wirtschaftliche Argumente sprechen für eine Umwandlung weiterer Landesforstflächen zu Wildnisgebieten: Gerade im Spreewald gilt die Forstwirtschaft derzeit als verlustreiches Geschäft. Um das Holz aus den Wäldern zu bergen, müssen Förster bisweilen unverhältnismäßig großen Aufwand betreiben, etwa mit Seilkränen. In bestimmten Gegenden, so die Argumentation, könnte das Land Brandenburg Geld sparen, wenn es die Arbeiten einstelle.

Welche Flächen im Einzelnen aus der forstwirtschaftlichen Nutzung genommen werden sollen, bleibt eine der entscheidenden Fragen. Ein konkretes Konzept zur Etablierung weiterer Wildnisflächen hat das Brandenburger Umweltministerium bisher noch nicht vorgelegt. Die Furcht vor negativen Auswirkungen auf den Tourismus in der Region teilt das Land nicht. Wasser- und Wanderwege sollen erhalten bleiben, und auch in Sachen Fischerei und Jagd seien keine Einschränkungen zu erwarten. Es gehöre nicht zum Plan, neue Schutzgebietsverordnungen zu erlassen.

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