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Lasst mir das Silberfingerkraut

Bei Zahnfleischbeschwerden kann ein Sud mit Fingerkräutern Entzündungen lindern

  • Anke Nussbücker
  • Lesedauer: 5 Min.
Gänsefingerkraut (Potentilla anserina), historische Chromolithographie etwa von 1870
Gänsefingerkraut (Potentilla anserina), historische Chromolithographie etwa von 1870

Mit der Bitte »Lasst mir das Silberfingerkraut./ Lasst mir den Hasenklee/…« beginnt eines der bekanntesten Naturgedichte Eva Strittmatters. Die verschiedenen Fingerkräuter, die an Wegrändern, Bahndämmen, auf mageren Wiesen oder Blühstreifen gedeihen, können auf vielfältige Weise der menschlichen Gesundheit dienen und sind es wert, einen Platz in Gärten, Parks oder neben landwirtschaftlichen Nutzflächen zu erhalten.

Kräutermischung für das Zahnfleisch

Je einen halben Teelöffel getrocknetes Gänsefingerkraut, Odermennig, Nelkenwurz, Blutweiderich und Walnussblätter mit 300 ml kochendem Wasser überbrühen, zehn Minuten bedeckt ziehen lassen, abseihen, auf Körpertemperatur abkühlen, Mundraum damit eine Minute lang gründlich spülen, 30 Minuten nachwirken lassen. anu

Die am häufigsten für medizinische Zwecke eingesetzten Fingerkräuter sind der aufrecht wachsende Tormentill (botanisch: Potentilla erecta) und das Gänsefingerkraut (Potentilla anserina). Ihre Blätter sind fingerförmig an den Seitentrieben ausgerichtet. Bei zahlreichen Fingerkräutern sind die Blätter an der Unterseite silbrig behaart. Ganz besonders auffällig zeigt sich dies bei dem Silberfingerkraut, auch dessen Stängel glänzt pelzig-silbern. Daher erhielt das Kraut seinen Namen. In Gebirgslagen wird das Goldfingerkraut mit seinen gelb-golden leuchtenden Blüten geschätzt. Es siedelt sich besonders auf extensiv genutzten Kuh- und Ziegenweiden an.

Fingerkräuter gehören zur Familie der Rosengewächse, auch wenn sie von eher niedrigem Wuchs sind und nicht verholzen, mit Ausnahme des Strauchfingerkrauts. Ihre Blüten haben fünf meist gelbe, teils weiße oder rötliche Blütenblätter und sind recht klein, aber für Fliegen, Bienen und andere Insekten nützlicher als hochgezüchtete Blumen mit gefüllten Blüten.

Am bekanntesten ist die Anwendung der Fingerkräuter bei Beschwerden des Zahnfleischs wie Entzündungen, häufigem Zahnfleischbluten und beginnender Parodontose. Für die lindernde Wirkung verantwortlich ist ihr hoher Anteil an Gerbstoffen und Tormentol, einem roten Farbstoff. Weiterhin enthalten die Blätter Bitterstoffe, Flavonoide, Schleimstoffe und Cumarine. Mit kochendem Wasser aufgegossen und auf etwa 30 Grad Celsius abgekühlt ergibt der Sud ein wirkungsvolles Mittel zum Gurgeln und Spülen des Zahnfleisches nach dem Zähneputzen. Damit die entzündungshemmenden Pflanzenstoffe ihre Wirkung gut entfalten können, empfiehlt es sich, nach dem Spülen des Zahnfleisches 30 Minuten lang nichts zu essen oder zu trinken.

Die frischen Blätter dieser Heilpflanzen enthalten bis zu 350 Milligramm Vitamin C auf 100 Gramm, was ihre Wirkung bei Zahnfleischproblemen, die als Symptome von Skorbut durch einen Mangel an Vitamin C hervorgerufen wurden, ursächlich erklärt. Auch in der heutigen Zeit und hierzulande kommen Vitamin-C-Mangelerscheinungen vor allem bei Menschen in Armut wieder häufiger vor.

Besonders Menschen, die von einer Tabaksucht nicht loskommen und in deren Folge einen höheren Bedarf an Vitamin C haben, sind häufiger von einem Rückgang des Zahnfleischs oder sogar einem Ausfallen der Zähne betroffen. Wenn gleichzeitig nicht genug Geld für Obst, Gemüse und Kräuter übrigbleibt, sieht man diesen Menschen ihre Perspektivlosigkeit oftmals deutlich an. Gesundheitlich noch weiter bergab geht es, wenn die Betroffenen frische Äpfel, Möhren oder Kohlrabi mit den eigenen Zähnen nicht mehr beißen können. In der Folge altern sie vor der Zeit.

Im Mittelalter wurden Gänsefingerkraut sowie Tormentill (auch als Blutwurz bezeichnet) bei innerlichen Blutungen, blutigem Durchfall (etwa bei Ruhr) oder gegen Nasenbluten eingesetzt. Damit würde sich heute eine ärztliche Behandlung nicht mehr begnügen, sondern vorher die Ursache für diese Blutungen abklären.

Eine lange Tradition hat Gänsefingerkraut zur Behandlung bestimmter Beschwerden bei Beginn der Menstruation. Die einheimische, anspruchslose Pflanze begleitet Mädchen und Frauen hilfreich in dieser Zeit aufgrund zweier wichtiger Wirkprinzipien. Zum einen kann das Heilkraut schmerzhafte Bauchkrämpfe lindern, was ihm den Trivialnamen »Krampfkraut« einbrachte; zum anderen wirkt es auf positive Weise auf den Zuckerstoffwechsel.

Gerade in den Tagen vor den Tagen verspüren Mädchen und Frauen einen größeren Appetit auf Süßes, was sich durch das Absinken des weiblichen Hormonspiegels im Blut erklären lässt. Dabei erhöht sich zudem das Stressempfinden, das kurzfristig mit einer Süßigkeit scheinbar zu bekämpfen ist. Doch im Grunde ist das Gegenteil der Fall, denn das Absinken des Hormonspiegels sowohl während der prämenstruellen Tage als auch mit Beginn der Wechseljahre führt unter anderem dazu, dass der Körper den Blutzuckerspiegel schlechter regulieren kann. Nach einer Zufuhr von Zucker wird dann mehr Insulin als nötig ausgeschüttet, was wiederum wenig später zu einer Unterzuckerung führt. Daraufhin schüttet der Körper das Stresshormon Cortisol aus, was sich durch schnelleres Herzklopfen bemerkbar macht und gleichzeitig in einem wiederholten Heißhunger auf Süßes endet. Hier sorgen Kräuter wie Gänsefingerkraut oder auch Frauenmantel und Grüner Hafer für einen wohltuenden Ausgleich.

Die hoch konzentrierten Gerbstoffe der Fingerkräuter können einen empfindlichen Magen reizen, daher ist eine maßvolle Dosierung oder das Mischen mit milderen Kräutern wie Melisse oder Ringelblume angebracht. Auch das Trinken in langsamen, kleinen Schlucken schont den Magen. Für eine entzündungshemmende Wirkung auf das Zahnfleisch genügt das Spülen oder Gurgeln, wobei der Kräutersud nicht hinuntergeschluckt werden muss.

Für eine Mundspülung lassen sich die Fingerkräuter mit ähnlich wirkenden Kräutern wie Odermennig und Nelkenwurz kombinieren, beide Kräuter gehören ebenfalls zu den Rosengewächsen. Der mild wirkende Blutweiderich ergänzt diese Mischung, wirkt antibakteriell und lindert Zahnfleischbluten.

Fingerkräuter im Garten sind mehr als ein Symbol für die Artenvielfalt, im Frühling können die zarten Blätter mit ihrem hohen Gehalt an Vitamin C einen gekauften Salat aufwerten.

Leider wurden die poetischen Worte Eva Strittmatters – zu DDR-Zeiten zwar millionenfach gelesen – nicht überall gehört. Vielerorts erleben wir in deutschen »aufgeräumten« Vorgärten und »gepflegten« städtischen Grünanlagen eine triste Kombination von kurz gehaltenem »sauberen« Rasen mit einigen langweiligen Koniferen. Wie schade wäre es, wie arm die Welt, wenn es Wildkräuter wie das Silberfingerkraut nicht mehr gäbe. Noch ist es nicht zu spät, artenreiche Wiesen wieder zu beleben.

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