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Salat zuerst oder zuletzt?
Mit der richtigen Reihenfolge bei den Mahlzeiten lassen sich Blutzuckerspitzen reduzieren
Dass ein knackiger grüner Salat gesund ist, wird kaum jemand bezweifeln. Spielt es aber eine Rolle, wann man ihn isst – vor, während oder nach dem Hauptgang? Die Gewohnheiten sind ganz unterschiedlich: Während deutsche Gaststätten den Beilagensalat gern vor oder parallel zum Hauptgericht servieren, ist es in Ländern wie Italien eher üblich, den Salat danach zu essen. Alles bloß eine Frage des Geschmacks? Nicht ganz.
Aus ernährungswissenschaftlicher Sicht ist es tatsächlich sinnvoll, Salat als Vorspeise zu genießen und sich kohlenhydratreiche Gerichte bis zum Schluss aufzuheben. Das hat mehrere Gründe. Zum einen hilft diese Reihenfolge, weniger Kalorien zu sich zu nehmen: »Mit einem frischen Blattsalat oder auch mit Gemüserohkost lässt sich der erste Hunger vor einer Mahlzeit dämpfen«, erklärt Ernährungswissenschaftlerin Silke Restemeyer von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). Salat hat nämlich wenig Energie, dafür aber ein großes Volumen, das den Magen füllt. Das hat zur Folge, dass der Appetit auf Kalorienreiches wie Pasta oder Pizza nachlässt.
Langfristig können Blutzuckerspitzen das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes erhöhen.
Auch in Bezug auf den Blutzuckerspiegel wirkt sich ein vorgezogener Rohkost-Gang günstig aus. Man kann nämlich davon ausgehen, dass die »Blutzuckerspitzen« geringer ausfallen, wenn man Kohlenhydrate erst am Ende der Mahlzeit zu sich nimmt. Ballaststoffreiche Speisen wie Salat verhindern, dass der Magen schnell entleert wird. »Kohlenhydrate, die darauf liegen, gelangen später in die unteren Darmabschnitte, wo die Glukose aufgenommen wird«, erklärt Thomas Skurk, Professor für Ernährungsmedizin an der TU München.
Von einem verlangsamten Blutzuckeranstieg profitieren Diabetiker, aber auch gesunde Menschen. »Wir wissen, dass Blutzuckerspitzen immer zu metabolischem Stress im Körper führen können«, sagt Skurk. Langfristig können sie das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes erhöhen sowie Alterungsprozesse beschleunigen.
Nicht nur Ballaststoffe, sondern auch fett- und proteinreiche Speisen verlangsamen die Magenentleerung. Theoretisch ist es daher sinnvoll, alle Komponenten einer Mahlzeit in einer bestimmten Reihenfolge zu sich zu nehmen: zuerst Salat und Gemüse (Ballaststoffe), dann Fisch oder Fleisch (Proteine) und zuletzt Nudeln, Reis oder Kartoffeln (Kohlenhydrate). So ähnlich sieht es auch der Ernährungsansatz »Nutrient Sequencing« vor, der aktuell von sich reden macht. »Zu verkopft sollte man die Sache aber nicht angehen«, wendet Skurk ein. Hinzu kommt, dass sich die Ratschläge im Alltag oft schwer umsetzen lassen – in den derzeit beliebten Bowls oder One-Pot-Gerichten etwa ist alles miteinander vermischt.
Die Idee, Nährstoffe möglichst isoliert aufzunehmen, ist nicht neu. Schon vor über 100 Jahren entwickelte der US-Mediziner Howard Hay die »Trennkost«, bei der protein- und kohlenhydratreiche Speisen nicht kombiniert werden sollen. Dieses Konzept hat laut DGE allerdings keine wissenschaftliche Grundlage. So ist die Vorstellung nicht haltbar, dass es zu einer Übersäuerung kommt, wenn der Körper Proteine und Kohlenhydrate gleichzeitig verdauen muss.
Vor allem Menschen, die bereits einen Prädiabetes haben, profitieren davon, Blutzuckerspitzen zu vermeiden. Das erfordert laut Skurk ein ganzes Bündel an Maßnahmen. »Einfach die Reihenfolge beim Essen zu ändern, wird nicht zum Ziel führen«, betont er. Auch die Zeit, die man sich für Mahlzeiten nimmt, spielt eine Rolle. Langsames Essen und längeres Kauen führen nicht nur dazu, dass sich schneller ein Sättigungsgefühl einstellt, sondern lassen auch den Blutzuckerspiegel langsamer ansteigen.
Natürlich ist auch wichtig, um welche Lebensmittel es sich im Einzelnen handelt: »Man muss den glykämischen Index berücksichtigen«, sagt Skurk. Dieser Wert zeigt an, wie stark die Kohlenhydrate eines Lebensmittels den Blutzuckerspiegel erhöhen. Noch wichtiger ist die »glykämische Last«, die auch die Menge an Kohlenhydraten berücksichtigt, die ein Lebensmittel enthält. Einen hohen Wert erreichen etwa Jasminreis, Baguette und Cornflakes.
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Wissenschaftliche Daten liefern Hinweise darauf, dass »Nutrient Sequencing« einen positiven Effekt hat. Eine 2023 veröffentlichte Analyse von elf Studien kam zu dem Schluss, dass die Blutzuckerwerte tendenziell geringer ausfallen, wenn bei einer Mahlzeit die Kohlenhydrate zuletzt gegessen werden. Eine japanische Forschergruppe, die gesunde Personen Reis sowie fett- und proteinreiche Gerichte in verschiedenen Reihenfolgen zu sich nehmen ließ, bestätigte die Ergebnisse. Auch hier zeigte sich, dass der Blutzuckeranstieg am geringsten war, wenn der Reis, also die Kohlenhydrate, als Letztes folgte.
Die Kombination von Speisen kann sich auch darauf auswirken, wie gut der Körper einzelne Nährstoffe verwerten kann. Das spielt vor allem bei Eisen aus pflanzlichen Quellen eine Rolle. »Die Aufnahme und Verwertung von pflanzlichem Eisen kann durch die Bindung an andere Pflanzenbestandteile gehemmt werden«, erklärt Restemeyer. Dazu zählen unter anderem Polyphenole, wie sie in Schwarztee und Kaffee vorkommen. »Deshalb sollte man vor und während der Mahlzeiten keinen Tee oder Kaffee trinken.«
Aus ernährungswissenschaftlicher Sicht spricht ansonsten nichts gegen Getränke zum Essen. Ein Glas Wasser vor der Mahlzeit kann positive Effekte haben, da so der Magen gefüllt und der Appetit gedrosselt wird. »Das funktioniert prinzipiell – aber nicht bei allen Menschen«, sagt Mediziner Skurk. Auf welche Maßnahmen man anspricht, ist individuell. »Wir sind auf dem Weg zu einer personalisierten Ernährung«, betont er. So setzen Forscher bei der Vorbeugung von Diabetes und Adipositas inzwischen auf individuelle Empfehlungen, die den unterschiedlichen Voraussetzungen und Bedürfnissen angepasst sind.
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