Antimilitarismus in Dannenberg: Wahlplakat beschäftigt Justiz

Verhandlung wegen antimilitaristischer Parole in Dannenberg

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 3 Min.

»Wir zahlen nicht für Eure Kriege«, stand auf einem Transparent, das am Montagmorgen vor dem Amtsgericht Dannenberg im Wendland hing. Dort hatten sich bereits um 8 Uhr rund 50 Menschen zu einer Solidaritätskundgebung versammelt. Sie wollten damit einen Antimilitaristen unterstützen, der genau diese Parole im vergangenen Jahr auf ein Wahlplakat der Partei Die Grünen in Dannenberg gesprüht hatte. Der Mann erhielt einen Strafbefehl, der seinen Bewegungsspielraum erheblich eingeschränkt hatte. So sollte er beispielsweise jeden längeren Ortswechsel für ein Jahr lang unverzüglich dem Gericht melden.

»Akt des zivilen Ungehorsams«

Dagegen legte der Betroffene erfolgreich Widerspruch ein. Das Verfahren wurde gegen die Auflage eingestellt, dass er 300 Euro an ein Projekt spendet, das sich dem Gedenken an die Euthanasieopfer in Lüneburg widmet. In einer Prozesserklärung bekannte der Angeklagte, die Parole auf das Wahlplakat gesprüht zu haben und damit zwar für die Justiz, aber nicht nach seinen politischen und moralischen Maßstäben schuldig zu sein. »Ich habe niemanden geschädigt, meine Tat – für mich ein Akt des zivilen Ungehorsams – ist nicht in der Absicht erfolgt, mir irgendeinen Vorteil zu verschaffen, mich zu bereichern, noch jemandem zu schaden«, betonte er in der Erklärung.

Es folgte eine längere Ausführung zum Thema ziviler Ungehorsam, in dem er auch den US-Historiker Howard Zinn mit dem Satz zitierte: »Man sagt, das Problem sei ziviler Ungehorsam. Aber das ist nicht unser Problem. Unser Problem ist der zivile Gehorsam!«

Dann ging der Angeklagte auf die aktuelle weltpolitische Situation ein und fragte rhetorisch: »Sind nicht diejenigen kriminell, die Kriege führen und führen lassen und für staatliche geopolitische imperialistische Interessen inklusive dem Verteilungskampf um die letzten verbliebenen Rohstoffe, an denen einige wenige sich schamlos bereichern, bereit sind, tausende Menschenleben zu opfern?«.

Der Gerichtssaal war bis auf den letzten Platz mit Unterstützer*innen des Angeklagten besetzt. Allerdings war nicht für alle Interessierten Platz, sodass vor dem Amtsgericht eine Dauerkundgebung stattfand. Im Anschluss an den Prozess zogen die Besucher in einer Spontandemonstration durch die Innenstadt von Dannenberg. An der Spitze trugen die Teilnehmer*innen das Transparent mit der inkriminierten Parole. Am Marktplatz wurde die Prozesserklärung zum Abschluss verlesen.

Kritik an grüner Partei

Im Gespräch mit »nd« zeigte sich der Antimilitarist zufrieden mit dem Prozesstag. Dabei betonte er, dass der Prozesstermin stattgefunden habe, weil er es selbst so entschieden habe. Unklar ist noch, ob die Grünen auch zivilrechtlich Schadenersatz für die Parole auf ihrem Wahlplakat einklagen wollen, was juristisch möglich wäre.

»Wir betrachten das als eine weitere zunehmende staatlich-autoritäre Tendenz, die so nicht hinnehmbar ist«, hatte die Unterstützungsgruppe des Angeklagten zu dem Prozess erklärt. Im Aufruf zur solidarischen Prozessbegleitung monierte die Gruppe, dass mit den Grünen eine Partei auf eine Strafverfolgung wegen Sachbeschädigung bestanden habe, die in ihrer Gründungsphase Antimilitarismus im Programm vertreten und auch mit spektakulären Aktionen gegen Krieg und Militär für Aufmerksamkeit gesorgt habe.

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