Von Heizdiktaten, Markthörigkeit und linken Alternativen

Die zentrale Ungerechtigkeit des Heizungsgesetzes ist bislang kein Thema: die finanzielle Belastung von Mieter*innen

  • Maximilian Becker und Lorenz Gösta Beutin
  • Lesedauer: 8 Min.

Aktuell erleben wir nichts weniger als einen klimapolitischen Backlash: Eine unappetitliche Melange aus Union, FDP und AfD macht Front gegen die Verkehrs- und Wärmewende, sekundiert von den Springer-Medien. Egal ob beim Thema synthetische Kraftstoffe, Tempolimit oder dem Ende des Neueinbaus von Öl- und Gasheizungen: Eine Allianz aus Bürgertum und Kapital kämpft gegen den notwendigen und zu lange verschleppten sozial-ökologischen Umbau der Gesellschaft. Und während immer größere Teile der Bevölkerung verunsichert sind, klatscht das fossile Kapital in die Hände, gelingt ihm aktuell doch ein Etappensieg nach dem anderen. Auch die gesellschaftliche Linke ringt in der aktuellen Situation um Antworten. Linke Antworten auf der Höhe der Zeit müssen hierbei einen klaren Klassenstandpunkt bewahren und den Willen zeigen, die soziale und ökologische Krise gemeinsam zu lösen, anstatt gegeneinander ausspielen zu wollen. Linke Politik muss sich dabei unterscheiden von einer Politik der Marktgläubigkeit sowie der Ideologie, gegen Verbote und staatliche Regelungen zu wettern. Zudem muss sie die Profiteure des aktuellen Systems klar benennen. Der unzureichende Entwurf des Heizungsgesetzes der Ampel lässt dazu genügend Spielraum. Solch ein Ansatz ist jedoch das Gegenteil zu einem, der auf der Klaviatur der politischen Rechten spielend Geländegewinne erhofft.

Debatte über Nebelkerzen

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Die Ampel vereinbarte im Koalitionsvertrag, dass ab 2025 neu eingebaute Heizungen zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden müssen. Ein notwendiger Schritt, um die Klimaziele einzuhalten, denn der Gebäudesektor ist aktuell für rund 30 Prozent der Emissionen verantwortlich. Als im März 2023 ein erster Gesetzentwurf öffentlich wurde, der das geplante Verbot des Neueinbaus fossiler Heizungen um ein Jahr auf 2024 vorziehen wollte, machte sich zuvorderst das Boulevardblatt »Bild« daran, das geplante Gesetz zu torpedieren. So war in großen Lettern zu lesen, dass die Pläne aus dem Wirtschaftsministerium eine Billion Euro kosten würden. Der »Experte«, der diese Zahl präsentierte, zieht seit jeher gegen klimapolitische Maßnahmen ins Feld und hantierte schon in der Vergangenheit mit Fabelzahlen. So auch in diesem Fall: »Experte« Frondel distanzierte sich später selbst von seiner Aussage, der Heizungstausch würde eine Billion Euro kosten. Doch da rollte die Empörungswelle bereits, die ihren traurigen Höhepunkt in der vergangenen Woche fand, als die Ampel die Einbringung des Gesetzes in den Bundestag kurzerhand verschob. Das Ziel des Koalitionsvertrags ist wohl nicht mehr zu halten.

Von »Bild« über FDP und CDU werden am Gesetzentwurf hauptsächlich zwei Dinge kritisiert: die finanzielle Überforderung der Eigenheimbesitzer*innen und die vermeintlich fehlende Technologieoffenheit beim geplanten Heizungstausch. Bei genauerem Hinsehen offenbaren sich diese Punkte als Nebenschauplätze, die öffentlich gut verfangen, aber den Blick auf die eigentlich problematischen Inhalte des Gesetzes verstellen. Es ist völlig richtig: Jeder Heizungstausch kostet Geld. Und die Anschaffung einer Wärmepumpe ist aktuell teurer als der Einbau eines neuen Gaskessels. Doch die an manchen Stellen geäußerten Summen von 60 000 Euro aufwärts für eine Wärmepumpe in einem Einfamilienhaus gehen an der Realität vorbei. Zumal es bereits jetzt und auch in Zukunft umfangreiche staatliche Förderung gibt. Der aktuelle Gesetzentwurf sieht 30 bis 50 Prozent Förderung vor. Die Kosten für den Einbau einer Wärmepumpe nach Abzug der staatlichen Unterstützung dürften damit bei rund 20 000 Euro liegen, Tendenz eher sinkend. Es mag viele Menschen, gerade im Osten Deutschlands geben, für die diese Summe über ihren Möglichkeiten liegt. Genau aus diesem Grund braucht es gestaffelte Förderung nach Einkommen. Wer weniger verdient, sollte mehr als 50 Prozent Zuschuss vom Staat bekommen. Genau daran kranken sowohl der aktuelle Entwurf als auch die Vorschläge der CDU: Ein Multimillionär mit Villa an der Außenalster in Hamburg soll nach Plänen der Ampel den Einbau einer Wärmepumpe genauso gefördert bekommen wie das von Altersarmut bedrohte und in einem alten Haus lebende Ehepaar im Vogtland. Von dieser Ungerechtigkeit schweigen die Verfechter von Markt und Zaubertechnologie, weil ihre Kampagnen nichts anderes im Sinn haben, als Klassenpolitik von oben zu betreiben.

Umso lauter ist die FDP dabei, die vermeintlich mangelnde Technologieoffenheit des Gesetzes zu kritisieren. Das genaue Gegenteil ist der Fall: Auf Druck der Marktgläubigen wurden in den Gesetzentwurf neben den klimapolitisch sinnvollen Erfüllungsoptionen Wärmepumpe und Anschluss an das Wärmenetz weitere Möglichkeiten aufgenommen. Der Vergleich eines Referentenentwurfs aus dem Februar mit dem Kabinettsbeschluss aus dem April zeigt, dass von der FDP eine wesentliche Änderung hineinverhandelt worden ist: Neue Heizungen sollen nicht nur mit sogenanntem grünem Wasserstoff betrieben werden können, sondern auch mit blauem, also Wasserstoff, der unter Verbrennung von Erdgas hergestellt worden ist, das anfallende CO2 aber unterirdisch gespeichert wird. Mehrere Studien sind zum Ergebnis gekommen, dass der blaue Wasserstoff in etwa so klimafreundlich ist wie das Verheizen von Kohle oder Gas. Auch hier geht es der FDP nicht um Klimaschutz, sondern um die Aufrechterhaltung des Profitmodells fossiler Konzerne. Hinzu kommt, dass das Heizen mit Wasserstoff, sei er grün oder blau, extrem energieaufwendig und ineffizient ist, insbesondere im Vergleich zu modernen Wärmepumpen. Woher die gigantischen Mengen an Wasserstoff kommen sollen, die nach dem Willen der FDP nicht nur für die Industrie, sondern auch für den Verkehrs- und Wärmebereich gebraucht werden, steht in den Sternen. Die FDP will nichts anderes, als möglichst teure und ineffiziente Technologien durch Milliardenbeträge im Spiel zu halten, weil genau diese das Profitmodell fossiler Konzerne am Leben erhalten. Wer heute eine Wärmepumpe einbaut, wird unabhängig vom fossilen Gas. Wer sich eine H2-Ready-Heizung einbaut, wird viele weitere Jahre auf Gas angewiesen sein – trotz absehbar steigender Preise. Für die Menschen ein schlechtes Geschäft, für die Öl- und Gasindustrie hingegen eine Verlängerung ihres Geschäftsmodells. Dies zeigt, dass die FDP nicht etwa an der Seite der Menschen, sondern einzig und allein an der Seite der fossilen Industrie steht.

Einseitige Belastung von Mieter*innen

In der öffentlichen Debatte verfangen diese beiden Nebelkerzen: Seit Tagen ist das Thema Heizungstausch eines der dominierenden. Die zentrale Ungerechtigkeit des Gesetzes spielt dabei keine Rolle. Diese trifft mehr als die Hälfte der Bevölkerung hierzulande – alle Menschen, die zur Miete wohnen. Sie könnten einmal mehr zu den Melkkühen der Nation werden. Denn aktuell ist im Gesetz vorgesehen, dass nicht etwa die Vermieter die Kosten für den Heizungstausch tragen, sondern die Mieter*innen. Über die sogenannte Modernisierungsumlage. Diese ermöglicht es Vermietern, jährlich acht Prozent der Kosten für Modernisierungsmaßnahmen auf die Mieter*innen umzulegen. Der Deutsche Mieterbund hat errechnet, dass dadurch die monatliche Kaltmiete bei Einbau einer Wärmepumpe um bis zu 75 Euro steigen könnte – und zwar zeitlich unbefristet, also auch dann, wenn die Wärmepumpe längst abbezahlt ist. Es klingt unglaublich, entspricht aber der Realität: Im Gesetzentwurf gibt es keine ausreichenden Maßnahmen, Mieter*innen vor steigenden Kosten zu schützen. Ganz im Gegenteil: Für Mieter*innen würden die Kosten sinken, wenn die Vermieter Fördermittel in Anspruch nehmen. Doch für Vermieter ist es lukrativer, keine Fördermittel in Anspruch zu nehmen, da sie dann langfristig höhere Aufschläge auf die Kaltmiete nehmen können. Anstatt die Vermieter zu verpflichten, Förderung zu beantragen, herrscht im Gesetz an dieser Stelle gähnende Leere. Von FDP, CDU und Springer hört man zu dieser himmelschreienden Ungerechtigkeit selbstverständlich nichts.

Drei Angriffspunkte von links

Hier muss linke Politik auf der Höhe der Zeit ansetzen. Sie darf nicht auf die Scheindebatten des bürgerlichen Establishments hereinfallen, sondern muss mit klarem Standpunkt eigene Initiativen entwickeln. Dazu gibt es im Gesetz drei Angriffspunkte, die ins Zentrum gerückt werden müssen: (1) Der ökologische Umbau der Gesellschaft darf nicht auf Kosten der Mieter*innen erfolgen. Sie müssen vor steigenden Kosten durch den Heizungstausch geschützt werden. Dazu muss die Modernisierungsumlage fallen. Die Vermieter müssen die Kosten für den Heizungstausch tragen. (2) Die Wärmewende muss ökologisch sinnvoll angepackt werden. Die Scheinlösung Wasserstoff ist ineffizient und birgt enormen sozialen und ökologischen Sprengstoff. Sie darf entsprechend keinen Platz im Heizgesetz haben. (3) Die Förderung des Heizungstauschs muss sozial gestaffelt sein. Arme Menschen sollen mehr bekommen, reiche Menschen nichts. Das gilt sowohl für Selbstnutzer*innen als auch für Kleineigentümer*innen. Die gesellschaftliche und parteipolitische Linke muss die Brisanz des Kampfes um die Wärmewende erkennen und sich auf den Weg machen, schnellstmöglich breite Bündnisse aus Mieter*innenbewegung und Klimagruppen auf die Beine zu stellen. Die politischen Gegner*innen in diesem Kampf sind gut positioniert – es gilt, mit klarem Kompass nachzuziehen.

Beispiele, wie es gehen kann, gibt es fast überall um Deutschland herum. So auch bei der Wärmewende, etwas nördlich von Flensburg: Bereits 1979 wurde in Dänemark nach der Ölkrise mit einer kommunalen Wärmeplanung begonnen und investiert, seit 2013 gibt es das Verbot des Einbaus von Öl- und Gasheizungen in Neubauten, seit 2016 gilt es für Ölheizungen auch beim Heizungstausch in bestehenden Gebäuden, wenn in ihnen Fernwärme oder Erdgas verfügbar ist. Der Anteil erneuerbarer Wärme liegt in Dänemark mittlerweile bei über 40 Prozent, in der Fernwärme bei über 50 Prozent. Ein zentraler Grund dafür: Es gibt das Verbot, mit der Wärme Profit zu machen, Gewinne müssen in die Ertüchtigung der Netze reinvestiert oder an die Verbraucher*innen ausgeschüttet werden. Ein Gewinnverbot mit der Wärmeversorgung bei gleichzeitiger Stärkung der Mieter*innenrechte und dem notwendigen Klimaschutz im Gebäudesektor wäre ein Kampagnenschwerpunkt für die Linke in diesem Land.

Maximilian Becker ist Ökonom und Klimaexperte. Er war von 2021 bis 2022 Mitglied im Parteivorstand der Linken. Lorenz Gösta Beutin ist Historiker und stellvertretender Parteivorsitzender der Linken. Er war von 2017 bis 2021 klimapolitischer Sprecher der Linksfraktion im Bundestag.

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