»Progressive Linke«: Die Anti-Wagenknechts

»Progressive Linke« fordert auf einer Konferenz in Berlin eine Neubegründung der Partei

  • Christopher Wimmer
  • Lesedauer: 4 Min.

In bundesweiten Umfragen rangiert die Partei Die Linke nur noch zwischen vier und fünf Prozent, in vielen westlichen Bundesländern ist sie im fast nicht mehr messbaren Bereich. Hinzu kommt, dass diese Schwäche kaum mehr durch gute Ergebnisse in Ostdeutschland kompensiert werden kann, denn auch dort gehen die Zustimmungsraten zurück.

Dass die Partei in einer tiefen existenzbedrohenden Krise steckt, ist flügelübergreifend wenig umstritten. Jedoch unterscheiden sich die Lösungen, die dafür angeboten werden, zum Teil gravierend. Im Juli hatten sich bereits Parteimitglieder aus Gruppierungen wie der Sozialistischen Linken sowie das Umfeld der Bewegung Aufstehen in Hannover zu einer Strategiedebatte getroffen. Nun folgte in Berlin eine weitere Konferenz – jedoch mit komplett anderen inhaltlichen Zielsetzungen.

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Rund 40 Mitglieder der Partei Die Linke waren der Einladung des »Netzwerks Progressive Linke« gefolgt, um im Gebäude am Franz-Mehring-Platz, in dem sich auch die Redaktionsräume des »nd« befinden, über den Zustand der Partei zu diskutieren. In der Veranstaltung mit dem Titel: »Wie weiter mit Die Linke?« wollten sich Teilnehmer inhaltlich und strategisch auf den kommenden Bundesparteitag im November vorbereiten.

Es war die dritte Veranstaltung des relativ neuen Netzwerks, das nicht eindeutig entlang bisheriger Parteiströmungen zu verorten ist. Einer der Initiatoren, der ehemalige Bundestagsabgeordnete Thomas Nord, machte dann auch zu Beginn der Veranstaltung klar, dass es sich beim »Netzwerk Progressive Linke« um ein Zusammenkommen aus unterschiedlichen Teilen der Partei handle. In Berlin diskutierten dazu am Samstag einige aktuelle und frühere Bundestagsabgeordnete wie Halina Wawzyniak, Funktionäre aus den Landesparteien wie Sabine Ritter aus Hamburg sowie in der Mehrzahl Basismitglieder der Partei.

Gemein war den Teilnehmer*innen der Konferenz ihre eindeutige und in Teilen schroffe Ablehnung des »linkskonservativen Lagers« der Partei um die Bundestagsabgeordnete Sahra Wagenknecht. Den Begriff hatte Wagenknecht in ihrem umstrittenen Buch »Die Selbstgerechten« selbst geprägt. »Er ist dem Inhalt nach rückwärtsgewandt, ist sozialkonservativer Nationalpopulismus, der in Stellung gebracht wird gegen Geflüchtete, queere Menschen, Klimabewegte und andere ›skurrile Minderheiten‹«, heißt es auf der Webseite des Netzwerks. »Den im Kapitalismus Abhängigen und Ausgebeuteten kann man so kurzzeitig und schrill einen Scheinausweg bieten, aber keinen Weg, zu ihrem Recht zu kommen.«

Ohne Wagenknechts Namen zu nennen, spielte die Auseinandersetzung mit ihr in der gesamten Konferenz die entscheidende Rolle. So formulierte ein Antrag des Netzwerks an den Bundesparteitag, der anschließend auch verabschiedet wurde und dessen Entwurf dem »nd« vorliegt, eine deutliche Kritik an Wagenknechts Positionen. Gefordert wird darin ein Ende der Zusammenarbeit mit dem »linkskonservativen Lager«. Dessen Positionen seien unvereinbar mit dem Programm der Linken, heißt es zur Begründung. Der Versuch, beide Ausrichtungen in einer Partei zu vereinen, sei endgültig gescheitert.

Bezogen auf die Bundestagsfraktion sprach die Abgeordnete Cornelia Möhring davon, dass sie kaum noch eine einheitliche Fraktion sehe. »Wir haben in vielen Bereichen keine Übereinstimmung und keine gemeinsame Position mehr.«

Auch die Kritik von Thomas Nord geht in diese Richtung: »Gerade ist es so, dass jeder in der Partei machen kann, was er will. Bei uns ist es sogar möglich, der Bundestagsfraktion anzugehören und anzukündigen, eine eigene Partei zu gründen«, erklärte er deutlich in Richtung von Wagenknecht und machte dies auch für die schlechten Wahlergebnisse der Partei verantwortlich. »Wer soll eine solche Partei oder Fraktion noch wählen, die sich nur mit sich selbst beschäftigt?«

Man selbst wolle die Partei verändern, aber nicht spalten, hieß es immer wieder auf der Konferenz des »Netzwerks Progressive Linke«. Wie diese Veränderung aussehen könnte, skizzierten auf einer Podiumsdiskussion unter anderem Christoph Spehr, der Landessprecher der Bremer Linken, sowie Berlins ehemaliger Kultursenator Klaus Lederer. Sowohl in Bremen als auch in Berlin sei es gelungen, gegen den Bundestrend relativ gute Wahlergebnisse zu erreichen. »In Bremen haben wir konkret wahrnehmbare Politik gemacht, mit Themen, die auch die Leute bewegen«, so Spehr über die Partei in der Hansestadt. Lederer reflektierte indes die Arbeit des rot-rot-grünen Senats in Berlin und warnte davor, jegliche linke Regierungsbeteiligung als Hexenwerk zu verteufeln.

Einig war man sich auf der Konferenz darin, dass im Zusammenwirken aus wahrnehmbarer, realistischer und damit auch umsetzbarer Politik und einem baldigen Bruch mit dem »linkskonservativen Lager« die einzige Chance auf eine Erneuerung der Partei liege. Wie viel Einfluss das Netzwerk jedoch auf die parteiinterne Auseinandersetzung nehmen kann, wird sich in den nächsten Wochen zeigen, wenn die Anträge veröffentlicht werden und sich die Parteimitglieder dazu verhalten können. Spätestens auf dem Bundesparteitag wird es dazu mehr Gewissheit geben.

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