• Berlin
  • Fußball-WM der Frauen

Public Viewing: Fußball zum Frühstück in der FC Magnet Bar

Die FC Magnet Bar bringt Sport auf die Leinwand – und Menschen zusammen

  • Noah Kohn
  • Lesedauer: 4 Min.
Kaffee für die einen, Bier für die anderen: Andreas Sürken versorgt die Gäste seiner FC Magnet Bar schon seit über 20 Jahren.
Kaffee für die einen, Bier für die anderen: Andreas Sürken versorgt die Gäste seiner FC Magnet Bar schon seit über 20 Jahren.

Während viele Einheimische die ferienleere Innenstadt nutzen, um mal wieder in einem der sonst so überlaufenen Cafés frühstücken zu gehen, klirren in der Veteranenstraße 26 in Mitte am Dienstagmorgen um kurz nach 10 Uhr schon die ersten Biergläser. »Cheers« rufen drei fröhliche junge Menschen und nehmen den ersten Schluck ihrer flüssigen Morgenmahlzeit. Sie sind zu Gast in der FC Magnet Bar, um das Achtelfinale der Fußball-WM der Frauen zwischen Kolumbien und Jamaika anzuschauen. Außer ihnen sind noch ein paar weitere Fußballenthusiasten in die Sportkneipe gekommen. Was sie verbindet: Sie alle drücken den Kolumbianerinnen die Daumen.

So auch Raúl. »Meine Tochter hat Urlaub und wollte das Spiel sehen. Ich komme schon seit vielen Jahren in die FC Magnet Bar zum Fußballschauen, deshalb sind wir heute auch hierhergekommen«, erzählt der Ecuadorianer. Auch er hat ein Bier bestellt wie die Leute am Nachbartisch, seine Tochter trinkt Kaffee. »In einer Kneipe kann ich keinen Kaffee trinken«, sagt Raúl und lacht.

Die FC Magnet Bar ist eine der wenigen Locations, die Spiele der Frauen-WM überträgt. »Wir übertragen alles, was relevant ist. Nur wenn ein Spiel nachts um 4 Uhr stattfindet, dann nicht«, sagt Andreas Sürken, Betreiber der FC Magnet Bar. Normalerweise öffnet die Kneipe unter der Woche erst um 18 Uhr, doch durch das Turnier in Australien und Neuseeland und der damit verbundenen Zeitverschiebung kommen derzeit die ersten Gäste schon am Morgen. Das macht sich auch am Tresen bemerkbar. »In den letzten Tagen haben einige wieder Kakao bestellt – auch wegen des Regenwetters«, sagt Sürken.

Die Stühle und Sitzbänke der Kneipe sind alle gen Leinwand gerichtet, auf der Ergebnisanzeige leuchtet das 1:0 für Kolumbien auf. Die Gäste jubeln. Eine Regenbogenfahne und ein »Stoppt Rassismus«-Banner zieren eine der Wände, eine andere Wand wird von einem riesigen Bild überdeckt: 15 Männer in kurzen weißen Hosen, Fußballtöppen und blauen Trainingsjacken auf grünem Rasen sind darauf zu sehen. Das schönste Mannschaftsfoto Berlins – geschossen hat es der Fotograf Andreas Mühe.

Einer von den Männern auf dem Bild hält einen Pokal in den Händen – es ist Sürken. Ihn und ein paar Freunde habe es in den Neunzigerjahren regelmäßig zum Fußballspielen nach Mitte gezogen, »und dann wollten wir dem Kind einen Namen geben und uns damit identifizieren«, sagt Sürken. Der FC Magnet Mitte war geboren, noch heute spielt die Mannschaft regelmäßig zusammen.

»Später wollten wir dann einen Ort schaffen, wo wir gemeinsam Fußball gucken können«, sagt der Wirt. Gesagt, getan – 2001 war der Laden am Rande des Weinbergsparks fertig ausgebaut. »Das erste Highlight war die Meisterschaft der Herzen. In einem alten Röhrenfernseher haben wir damals das große Drama zwischen Bayern und Schalke angeschaut, als Schalke im Tal der Tränen war.« Vom Klubheim zum Publikumsmagnet: Heute versorgen sieben Bildschirme und drei Leinwände Sportliebhaber mit Fußball, Handball, Olympia und Co. »Am Sonntag kamen ein paar Belgier, die wollten Rad-WM schauen – also habe ich ihnen das Straßenrennen angemacht«, sagt Sürken.

Fußgänger bleiben immer wieder vor der FC Magnet Bar stehen – gerade wenn es drinnen lauter wird – und probieren, einen Augenblick des Spiels zu erhaschen. So auch kurz vor Schluss, als Jamaika noch einmal eine Chance auf den Ausgleich hat und verfehlt. Die Kolumbianerinnen ziehen mit 1:0 in das Viertelfinale ein. Raúl und seine Tochter freut es. Sürken sagt, ihm sei heutzutage eigentlich egal, wer gewinne. »Wenn Leute hier zusammenkommen, sich kennenlernen und ins Gespräch kommen, dann geht mir das Herz auf. Fußball verbindet« – in Berlin sogar schon um 10 Uhr morgens.

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