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DFB zieht in Causa Voss-Tecklenburg den logischen Schlussstrich

Der DFB und Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg beenden drei Monate nach enttäuschendem WM-Aus endgültig die Zusammenarbeit

  • Frank Hellmann, Frankfurt am Main
  • Lesedauer: 4 Min.
Martina Voss-Tecklenburg musste nach fünf Jahren als Cheftrainerin beim DFB nun endgültig gehen.
Martina Voss-Tecklenburg musste nach fünf Jahren als Cheftrainerin beim DFB nun endgültig gehen.

Überraschend kam die Nachricht nun wahrlich für niemanden mehr. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) und seine Frauen-Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg haben ihre Zusammenarbeit mit sofortiger Wirkung beendet. Es ist der logische Schlussstrich unter einer einstmals vermeintlichen Traumehe, die aber seit Längerem in Trümmern lag. Nach eingehender Analyse des enttäuschenden WM-Abschneidens mit dem historischen Vorrundenaus in Australien »bestand Einvernehmen, dass das Team einen personellen Neuanfang in der sportlichen Führung benötigt«, teilte der DFB nach einem gemeinsamen Treffen mit, das am Freitag in »vertrauensvoller Atmosphäre« stattgefunden haben soll. Die 55-Jährige kam allerdings mit keiner Silbe mehr zu Wort. Immerhin soll sie zu finanziellen Abstrichen bereit gewesen sein, was die Vertragsauflösung für den klammen Verband vereinfachte.

DFB-Präsident Bernd Neuendorf lobte rückblickend artig die »wichtigen Impulse« aus der von Voss-Tecklenburg verantworteten Vizeeuropameisterschaft 2022 in England und den darauf folgenden »enormen Schub für den Frauen- und Mädchenfußball«. Tatsächlich hat der ganzheitliche Ansatz der Bundestrainerin geholfen, die gesellschaftliche Akzeptanz deutlich zu erhöhen. Auf der Strecke blieb jedoch die fußballerische Entwicklung. War schon das Ausscheiden im Viertelfinale bei der Weltmeisterschaft 2019 in Frankreich vermeidbar, geriet das diesjährige Turnier nach dem EM-Zwischenhoch zum Offenbarungseid, bei dem auch Neuendorf kein gutes Bild abgab.

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Zunächst hatte der Verbandschef zu voreilig die Vertragsverlängerung mit der 2018 aus der Schweiz losgeeisten Voss-Tecklenburg bis 2025 verkündet, obwohl das Länderspieljahr bereits mit schwachen Vorstellungen gestartet war. Töricht auch, ohne eingehende Aufarbeitung der Fußballlehrerin das Vertrauen auszusprechen. Wollte da jemand von den atmosphärischen Verstimmungen in Down Under nichts hören, weil er selbst gar nicht hingereist war?

Rückblickend frappierend, wie schnell die Bundestrainerin intern an Rückhalt einbüßte. Vor einigen Monaten waren aus dem Präsidium noch erste (weibliche) Stimmen zu hören, doch mal zu überlegen, ob die gebürtige Duisburgerin nicht sogar die Männer-Nationalmannschaft retten könne. Doch einer vermeintlichen Alleskönnerin, die ihren Nebenjob als ZDF-Expertin fortführen möchte, entglitt ihre Hauptaufgabe: das Frauen-Nationalteam physisch, strategisch und mental für gestiegene Herausforderungen zu wappnen. Ihr abgelegenes WM-Quartier entpuppte sich als Eigentor, ihre Kommunikation geriet zum Desaster und ihre Personalauswahl sorgte für Kopfschütteln.

Als der Bundestrainerin danach erste Vorbehalte gegen ihre Person übermittelt wurden, meldete sie sich Anfang September krank. Ehemann Hermann Tecklenburg plauderte bald darauf die »körperliche und mentale Erschöpfung« seiner Gattin aus. Das Vertrauensverhältnis zum DFB war zerstört, als die 125-fache Nationalspielerin einen Erholungsurlaub nutzte, um bei einer Baumesse und auf einem Zahnärztekongress zu sprechen, während mit ihrem Arbeitgeber nur noch ihr Anwalt Christoph Schickhardt kommunizierte. Sich dann selbst in den sozialen Medien zu Wort zu melden, als gerade Bundeskanzler Olaf Scholz die Fußballerinnen auf dem DFB-Campus besucht hatte, geriet zum Affront.

Rückhalt besaß Voss-Tecklenburg mit ihren eigenwilligen, bisweilen auch widersprüchlichen Charakterzügen zu diesem Zeitpunkt keinen mehr. Die Hängepartie über ihre ungewisse Zukunft belastete längst viele Nationalspielerinnen, die unter Assistenztrainerin Britta Carlson prompt das erste Nations-League-Spiel gegen Dänemark (0:2) verloren. Nun muss Interimscoach Horst Hrubesch das Team im Rückspiel am 1. Dezember in Rostock zu einem Sieg mit zwei Toren Differenz führen, um noch eine Chance auf die Olympiaqualifikation zu bewahren.

Erst danach besteht Klarheit, ob der 72-Jährige übers Jahresende hinweg bei den Nations-League-Finalspielen weitermacht – oder ob es grundsätzlich auf der Trainerbank jemanden mit frischen Impulsen braucht. Diese Zukunftsfrage muss mit höchster Seriosität und endlich auch mit nötiger Weitsicht angegangen werden. Entscheiden muss darüber ein Direktor oder eine Direktorin Frauenfußball, aber dieser Posten ist noch immer unbesetzt. Ralf Kellermann vom VfL Wolfsburg ist einer der Favoriten für das Amt, doch könnte der Verband bei dieser in den Händen von Sport-Geschäftsführer Andreas Rettig liegenden Personalie auch wieder für eine Überraschung gut sein, heißt es.

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