Nervensäge geht zur AfD

Der Landtagsabgeordnete Philip Zeschmann von den Freien Wählern wechselt die Fraktion

  • Matthias Krauß
  • Lesedauer: 4 Min.

Der blitzartige Austritt des Abgeordneten Philip Zeschmann aus der Landtagsfraktion der Freien Wähler und sein unmittelbar folgender Anschluss an die der AfD beschäftigte am Dienstag alle Fraktionen des Parlaments. Zeschmann, der sich mit seiner stets nachbohrenden Art unbeliebt gemacht hat, freute sich am Dienstag, dass er einstimmig in die AfD aufgenommen wurde. Er bestritt den rechtsextremen Charakter dieser Partei und forderte andere Politiker auf allen Ebenen auf, es ihm gleichzutun, die politische »Brandmauer« zu durchbrechen, zur AfD überzulaufen. AfD-Mitglied ist er selbst aber (noch) nicht.

Für AfD-Fraktionschef Hans-Christian Berndt war das »ein guter Tag für die AfD«. Er bezeichnete Zeschmanns Schritt als mutig. Dieser habe »ein kräftiges Loch in die Brandmauer« geschlagen. Für Dennis Hohloch, den Parlamentarischen Geschäftsführer der AfD-Fraktion, war es gleich »ein historischer Tag«. Er gehe stark davon aus, dass Zeschmann auch noch in die Partei eintreten werde, sagte Hohloch.

»Ich habe mit allem gerechnet, aber damit nicht«, gestand Linksfraktionschef Sebastian Walter. Er zeigte sich »überrascht und geschockt« von Zeschmann, der damit zum »Steigbügelhalter von Faschisten« geworden, ja, selbst ein Faschist geworden sei. Die Art und Weise dieses Manövers zeige, dass es Zeschmann lediglich um das eigene Ego und die Aussicht gehe, dem neuen Landtag wieder anzugehören. Diese politische Entscheidung sei mit Blick auf die Geldbörse erfolgt. Gerade Zeschmann habe in seinen Landtagsreden immer Moral in der Politik reklamiert. »Mit seinem Schritt schadet er der Demokratie insgesamt.« Die Linke werde Zeschmann »künftig rechts liegen lassen«. Einen Handschlag könne dieser nicht mehr erwarten.

Zeschmann handelte »um des persönliches Vorteils willen«, meinte auch Péter Vida, Fraktionschef der Freien Wähler. Damit habe er seine alten Fraktionskollegen, die Mitarbeiter und die Wähler vor den Kopf gestoßen. Verwerflicher sei es, dass Zeschmann die rechtsextreme Ecke gesucht und gefunden habe.

Vida forderte Zeschmann auf, sein Mandat zurückzugeben. Er dürfe den Sitz im Landtag nicht wegräubern. Die von dem Abtrünnigen angegebenen Gründe – unter anderem Konflikte mit Vida und Behinderung beim Rederecht – nannte Vida konstruiert.

Zeschmann steht für die Landtagswahl am 22. September 2024 auf der bereits aufgestellten Landesliste der Freien Wähler auf Platz acht, der für einen Einzug ins Parlament mutmaßlich nicht ausreicht, und sollte im Wahlkreis Schöneiche-Erkner-Neuenhagen antreten. Nun müsse ein neuer Kandidat benannt und auch der Listenvorschlag für die Landtagswahl geändert werden, erklärte Vida.

Der Abgeordnete Matthias Steffke (Freie Wähler) bekannte, wenn es jemanden gegeben habe, mit dem Zeschmann notorisch aneinandergeraten sei und Konflikte ausgetragen habe, »dann war ich das«. Fraktionschef Vida dagegen habe immer wieder »mit Engelsgeduld« geschlichtet und sei dabei »an die Grenze dessen gegangen, was psychisch und physisch aushaltbar gewesen« sei.

Vida verkündete, dass die Freien Wähler auch zu viert eine Fraktion bleiben. Dies sei in Ausnahmefällen möglich. Doch CDU-Fraktionschef Jan Redmann sagte: »Wir gehen davon aus, dass die Freien Wähler keine Fraktion mehr sind.« Den Übertritt zur AfD müsse Zeschmann mit seinem Gewissen abmachen, erklärte Redmann, für den das ebenfalls überraschend kommt: »Wir haben ihn im Landtag als durchaus AfD-kritisch wahrgenommen.«

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Für den CDU-Politiker offenbart sich hier ein grundsätzliches Problem der Freien Wähler: Die meisten Mitglieder kommen aus anderen Parteien, und sofern es dem persönlichen Vorteil diene, wechselten sie auch häufiger. Eine inhaltliche Bindewirkung sei offenbar weniger stark ausgeprägt. Wenn die Freien Wähler »gesunden Menschenverstand« für ihre Politik reklamieren, dann ist das »etwas blumig, aber auch schwammig«. Und es sei wahrnehmbar, dass die einzelnen Freien Wähler etwas Unterschiedliches darunter verstehen. Die Aufforderung der AfD-Landesvorsitzenden Birgit Bessin an CDU-Abgeordnete, es Zeschmann gleichzutun und zur AfD zu kommen, werde keinen Erfolg haben, ist Redmann überzeugt.

Mit großer Fassungslosigkeit und großem Unverständnis nehme die SPD-Fraktion Zeschmanns Übertritt zur AfD zur Kenntnis, sagte SPD-Fraktionsgeschäftsführer Ludwig Scheetz. Damit habe Zeschmann »den politischen Kompass endgültig verloren«. Sein Gang zu einer ausgewiesen rechtsextremen Partei »trägt zur Verrohung des politischen Geschäfts bei«. Auch aus Sicht von SPD-Fraktionschef Daniel Keller müssen die verbliebenen Abgeordneten der Freien Wähler ihre Hoffnung begraben, weiter die Rechte einer Fraktion zu genießen – »auch wenn ich das sehr bedaure«.

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