Bangladeschs Regierung verschärft die Repression

Die Premierministerin Sheikh Hasina geht mit Verhaftungen gegen die Opposition und zivilgesellschaftliche Gruppen vor

  • Thomas Berger
  • Lesedauer: 4 Min.

Von Regierungsseite bestätigt ist es nicht, doch der Vorwurf der Bangladesh Nationalist Party (BNP) wiegt schwer. Fünf Mitglieder der wichtigsten Oppositionspartei BNP sind demnach in den vergangenen zwei Wochen im Gefängnis gestorben. Mehrere tausend BNP-Anhänger und Familienmitglieder von Inhaftierten demonstrierten am Sonntag im Zentrum der Hauptstadt Dhaka, um die Freilassung von politischen Häftlingen zu verlangen.

Die BNP behauptet, dass mehr als 20 000 Politiker in den vergangenen fünf Wochen festgenommen wurden – ein »beispielloses hartes Vorgehen«, das den Angaben zufolge nach einer großen Demonstration der Opposition am 28. Oktober erfolgte. Und dass die Zahlen nicht ganz aus der Luft gegriffen sind, wird durch die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch nahe gelegt: Sie hatte vergangenen Monat die Einschätzung abgegeben, dass mindestens 10 000 Anhänger*innen der Opposition seit dem 28. Oktober in dem Land festgenommen worden seien.

Premierministerin Sheikh Hasina, Tochter des ermordeten Nationalhelden Mujibur Rahman, strebt mit ihrer sozialliberalen Awami-Liga (AL) bei den Wahlen am 7. Januar eine vierte Amtszeit an. Die Chancen stehen nicht schlecht. Das resultiert aber kaum aus großer Beliebtheit der Regierung, sondern eher aus einem verstärkten System von Einschüchterung und Repression. Sowie nicht zuletzt am Fehlen einer klaren Alternative. Zentrale Gegenspielerin von Hasina war viele Jahre Begum Khaleda Zia, die 78-jährige Witwe von Zia-ur Rahman, dem ebenfalls ermordeten sechsten Präsidenten des Landes (1977-1981). Premierministerin Hasina ist davon überzeugt, dass Rahman in das Komplott rund um den Tod ihres Vaters verstrickt war, daher die tiefe Feindschaft zwischen den Familien.

Zumeist haben sich die Awami-Liga und die einst von Zia gegründete Bangladesh Nationalist Party (BNP) an der Regierung abgewechselt. Vor allem die 2018 erfolgte Verurteilung Khaledas in einem Korruptionsprozess zu 17 Jahren Haft, die sie aus Gesundheitsgründen seit 2020 in Hausarrest absitzen darf, hat die BNP hart getroffen. Die Parteiführung musste sie abgeben. Zudem ist sie mit einem Politikverbot belegt.

Die BNP ist noch immer größte Oppositionskraft und eng mit der islamistischen Jamaat-e-Islami (JI) verbündet. Die BNP beklagt nicht erst seit der Demonstration am vergangenen Wochenende massive Verfolgung. Als Ende Februar die wichtigste Parteizeitung, das Massenblatt »Dainik Dinkal«, ihr Erscheinen einstellen musste, war auch für andere, welche die ideologische Ausrichtung dieser rechten Front keineswegs teilen, eine Grenze der fortschreitenden Freiheitsbeschränkungen überschritten. »Um die Offenlegung von regierungsamtlicher Korruption, Diebstahl und Tötungen zu unterbinden, wird von den Behörden eine Zeitung nach der anderen geschlossen«, warf Kader Gani Chowdhury, Präsident der Branchengewerkschaft Dhaka Union of Journalists (DUJ), der Regierung vor.

Nicht nur die politische Opposition bekommt die autoritären Tendenzen zu spüren. Dass ebenso zivilgesellschaftliche Gruppen darunter leiden, ist gerade rund um die Arbeitskämpfe der Gewerkschaften im Textilsektor zu sehen. Auch gegen die protestierenden Näherinnen gibt es – teils tödliche – Polizeigewalt, während Gewerkschafter*innen schneller denn je hinter Gefängnismauern landen. Die Gewalteskalation am 28. Oktober beim Massenprotest der rechten Opposition – die eine neutrale Interimsadministration über die Wahlzeit fordert – war durchaus beiden Seiten anzulasten. Die BNP versucht abermals, die Konfrontation anzuheizen, die Regierung reagiert mit Repression.

Internationale Menschenrechtsvereinigungen kritisieren das Agieren der Regierung. Diese müsse für eine Aufarbeitung aller Gewaltvorfälle in jüngster Zeit sorgen, die zu 16 Todesopfern und über 5000 Verletzten geführt habe, forderte Human Rights Watch (HRW) in einer Erklärung Ende November. Amnesty International hatte schon für 2022 einen massiven Eingriff in demokratische Freiheiten attestiert. Demnach nahm Polizeigewalt deutlich zu, mindestens 179 Journalist*innen seien verfolgt oder drangsaliert worden. Die einheimische Menschenrechtsgruppe Ain o Salish Kendra (ASK), auf die sich Amnesty in ihrem Report berief, sprach allein von 2249 Anklagen unter dem Digital Security Act. Das umstrittene Gesetz, so die Kritik von vielen Seiten, werde von der AL missbraucht, um unliebsame Personen aus dem Verkehr zu ziehen.

Schon kurz nach den Wahlen 2018, als die Regierungspartei 288 Sitze holte und nur zehn an die Opposition gingen, hatte selbst Mujahidul Islam Selim, Präsident der Kommunistischen Partei Bangladeschs (CPB), gegenüber Al Dschasira von »einer Krise der Demokratie« gesprochen, die das Land durchmache. Bangladesch, so viele Klagen, sei auf dem Weg zum Einparteienstaat. Seither hat sich die Situation selbst aus Sicht vieler, die früher als Verbündete der AL und Hasinas gelten, dramatisch weiter zugespitzt.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal