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Tod von Mouhamed Dramé: Polizisten vor Gericht
In Dortmund begann der Prozess wegen tödlicher Schüsse auf einen 16-jährigen Geflüchteten
Im lang erwarteten Prozess gegen fünf Dortmunder Polizisten ist am Dienstagnachmittag vor der Schwurgerichtskammer am Landgericht Dortmund die Anklageschrift im Fall Mouhamed Lamine Dramé verlesen worden. Der 16-jährige Jugendliche, ein unbegleiteter Flüchtling aus dem Senegal, hatte in einer Jugendhilfeeinrichtung gelebt. Am 8. August 2022 war er bei einem umstrittenen Polizeieinsatz in der Dortmunder Nordstadt zunächst mit Pfefferspray und Tasern traktiert und dann mit einer Maschinenpistole erschossen worden.
An dem ersten von elf Verhandlungstagen war der Gerichtssaal komplett mit Beobachtern gefüllt. Der Auftakt verzögerte sich zunächst wegen Eingangskontrollen der mehr als 160 Besucher. Vor dem Haupteingang des Landesgerichts hatten Aktivisten vorher eine Mahnwache abgehalten und dabei Plakate mit dem Konterfei von Dramé gezeigt.
Die Nervosität in den Reihen der Justiz war in der Verhandlung zu spüren: Der Fall wirft grundsätzliche Fragen über die Verhältnismäßigkeit von Polizeieinsätzen auf, wenn es um Personen in psychischen Ausnahmezuständen geht. Zudem schwingt die Frage mit, ob auch auf einen weißen Jugendlichen geschossen worden wäre.
Die Staatsanwaltschaft wertet sowohl den Einsatz des Pfeffersprays als auch der Taser als unverhältnismäßig. Eine Notwehrsituation, die die letztlich fatale Intervention hätte rechtfertigen können, sahen die Ermittler nicht. Auf Notwehr werden aber der 30-jährige Todesschütze Fabian S. und sein Rechtsanwalt plädieren. Der junge Polizist und die vier Mitangeklagten wurden über den Keller in ein Nebenzimmer des Gerichtssaals geführt. Als der Prozess startete, verdeckten sie ihr Gesicht mit Aktenmappen.
Sollte der Hauptangeklagte wie gefordert wegen Totschlags verurteilt werden, drohen im nach dem Gesetz zwischen 5 und 15 Jahren Haft. Damit müsste er aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden. Zwei seiner Kolleginnen und ein Kollege im Alter von 29 bis 34 Jahren sind wegen des Einsatzes von Pfefferspray und Tasern wegen gefährlicher Körperverletzung im Amt angeklagt. Ihr 55-jähriger Dienstgruppenleiter soll sie laut Staatsanwaltschaft dazu angestiftet haben. Ihnen droht deshalb eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Sollte ihr Fall als minder schwer beurteilt werden, könnten Geldstrafen verhängt werden.
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Für die Familie des getöteten Dramé, der in Dortmund auf ein besseres Leben hoffte, gehe es nun um »Aufklärung und Gerechtigkeit«, hieß es von der Nebenkläger-Anwältin Lisa Grüter. Anwaltlich vertreten werden die Nebenkläger, Vater und Bruder des Verstorbenen, außerdem vom Polizeiwissenschaftler und Strafverteidiger Thomas Feltes, der sich als Kriminologe immer wieder kritisch mit Polizeigewalt gegen Menschen in psychischen Ausnahmesituationen auseinandergesetzt hat. Er fordert im Gespräch mit dem »nd« vor Prozessbeginn größere Sensibilität und andere Einsatzkonzepte für diese Personengruppe. »Wir brauchen mehr räumliche Distanz zwischen Polizei und Betroffenen in solchen Ausnahmesituationen sowie mehr Zeit zur Deeskalation.«
Die angeklagten Beamten waren bei dem Einsatz zu einer katholischen Jugendhilfeeinrichtung in der Dortmunder Nordstadt gerufen worden, weil Dramé sich laut einem Betreuer ein Messer vor den Bauch gehalten hatte. Beim Eintreffen der Polizisten – von denen keiner seine Bodycam aktiviert hatte – habe er sich nach vorne gebeugt in einem Innenhof an eine Wand gelehnt, ein Haushaltsmesser auf seinen Bauch gerichtet. Als er auf kurze Ansprache nicht reagierte, soll ihn eine Beamtin auf Anordnung ihres Vorgesetzten mit Pfefferspray besprüht haben. Als er sich daraufhin aufrichtete und sich in Richtung der Beamten bewegte, soll er zunächst mit Taser-Stromstößen beschossen worden sein, bevor keine Sekunde später Schüsse aus der Maschinenpistole fielen.
Dramé sei »zu keinem Moment aufgefordert worden, das Messer abzulegen«, so Oberstaatsanwalt Carsten Dombert. Der Einsatz von Pfefferspray, Tasern und Maschinenpistole sei ohne rechtfertigenden Anlass erfolgt, betonte der Ankläger. Fünf von sechs abgegebenen Schüssen trafen den Jugendlichen. Trotz einer Notoperation im Krankenhaus erlag der Jugendliche seinen Verletzungen.
Am 10. Januar 2024 wird der Prozess fortgesetzt. Bis Mitte April sind insgesamt zehn weitere Verhandlungstermine angesetzt.
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