Frauenmorde in Österreich: Erschlagen, erstochen, erschossen

Mordserie an Frauen in der Hauptstadt Wien lenkt den Blick auf die hohe Zahl von Femiziden in Österreich

  • Stefan Schocher, Wien
  • Lesedauer: 3 Min.

Ein blutiges Wochenende war das in Wien: Binnen 24 Stunden wurden in Österreichs Bundeshauptstadt so viele Frauen ermordet wie dort im gesamten Vorjahr. Erst wurden eine 13-Jährige und ihre Mutter (51) tot in einer Wohnung aufgefunden: Beide waren erschlagen worden. Als tatverdächtig gilt der flüchtige Vater. Dann erstach ein junger Mann drei Frauen in einem Bordell. Am Montag ein weiterer Mord: In Lilienfeld in Niederösterreich erschoss ein 93-Jähriger seine neun Jahre jüngere Ehefrau.

Österreich hat ein erhebliches Problem mit Männergewalt. Denn das, was über das Wochenende passiert ist, ist mehr als eine zufällige Häufung an Tötungsdelikten dieser Art. Die jüngste Serie verdeutlicht einen Trend: 2023 wurden in Österreich 28 Frauen ermordet, hinzu kamen 51 Mordversuche.

»Österreich ist das einzige Land in der EU, in dem mehr Frauen als Männer durch Männerhand getötet werden«, betont der Verein der Autonomen Frauenhäuser (AÖF) in einer Erklärung. Der AÖF spricht von Gewalt an Frauen als einem »strukturellen und gesamtgesellschaftlichen Problem«.

Das Thema ist politisch umkämpft: Auf der einen Seite steht die Kritik aus der Sozialarbeit und von Frauenverbänden an den Zuständen, auf der anderen die Bundesregierung, vor allem in Person von Frauenministerin Susanne Raab von der konservativen ÖVP. Die Ministerin, die es ablehnt, als Feministin bezeichnet zu werden, sprach sich gegen eine verpflichtende Elternzeit für Väter aus. Seitdem herrscht zwischen ihr und Aktivistinnen eine Entfremdung.

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Nun behauptet das ÖVP-geführte Innenministerium: »Zu sagen, Österreich sei in diesem Deliktsfeld besonders belastet, ist statistisch nicht haltbar.« Mit dem Instrument des seit 2021 verpflichtenden Antigewalttrainings für Gefährder sei Österreich viel eher »internationaler Vorreiter«, was Maßnahmen gegen Männergewalt angehe.

An einem Mangel an Aufmerksamkeit seitens der Politik liegt es tatsächlich nicht. Der Personalbestand in der Sozialarbeit wurde aufgestockt, Fallkonferenzen wurden ausgeweitet, die verpflichtende Beratung von Gewalttätern wurde eingeführt. Zudem gelten für diese Waffen- und Betretungs- beziehungsweise Annäherungsverbote. Allerdings bemängelte zuletzt auch der Rechnungshof das Fehlen einer »Gesamtstrategie«. Die Kritik geht aber tiefer: Bemängelt wird das Fehlen von Daten zu geschlechterspezifischer Gewalt, auf denen eine solche Strategie basieren könnte.

Opferschutzverbände kritisieren zudem zu wenige Fortbildungen zu diesem Thema in Justiz und Exekutive. Auch fehlt es ihnen zufolge an einheitlichen Kriterien für Hochrisikofälle. Ebenfalls genannt werden Mängel bei der Sensitivität im medizinischen Bereich, um häusliche Gewalt früher zu erkennen.

Nach der Mordserie vom Wochenende fordern Frauen- und Opferschutzverbände einmal mehr wirksamere Maßnahmen und vor allem auch deren bessere Überwachung. Die Exekutive soll aufwachen. Marion Polaschek vom Österreichischen Gewerkschaftsbund beklagte ein »lautes Schweigen seitens der Bundesregierung«.

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