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Rechtsextreme Computerspiele: Ballernde Arier im Cyberspace

Über rechtsextreme Computerspiele, heute und früher

  • Ralf Fischer
  • Lesedauer: 5 Min.
Offiziell ist die Ästhetik von »The Great Rebellion« vom Science-Fiction-Genre Cyberpunk inspiriert.
Offiziell ist die Ästhetik von »The Great Rebellion« vom Science-Fiction-Genre Cyberpunk inspiriert.

Computerspiele mit rassistischen, antisemitischen und nationalistischen Botschaften sind angeblich in den vergangenen Jahren zu einem neuen Ideologieträger für die extreme Rechte geworden. Als Teil einer rechtsextremen Alltagskultur im World Wide Web sollen sie immer stärker für die Verbreitung neonazistischer Ideologie genutzt werden. Jedoch kursierten schon in den 80er Jahren antisemitische und antitürkische Videospiele auf bundesdeutschen Schulhöfen, die weitaus größeren Erfolg hatten als ihre Nachfolger heutzutage.

In den sozialen Medien inszenieren sich extreme Rechte allzu gerne als tapfere Helden, die gegen einen übermächtigen Gegner zu Felde ziehen, obwohl es meist im schnöden »real life« nicht einmal zum Winnetou reicht. Diese wilden Fantasien befllügelt ein im Februar erschienenes Computerspiel, das von einem Rechtsextremen aus Österreich vertrieben wird: »The Great Rebellion« ist ein Run’n’Gun Roguelite, das heißt, man rennt und schießt herum in vom programmierten Zufall generierten Levels. Von den sogenannten Flugscheiben bis hin zur jüdischen Weltverschwörung bietet das Spiel alles, was Rechtsextreme in ihrer reaktionären Gedankenwelt umtreibt.

Die im Spiel dargestellte Dystopie, wonach die Menschheit durch Chips im Gehirn kontrolliert und die weiße Bevölkerung systematisch ausgetauscht wird, entspricht einer manichäischen Weltanschauung: Die heterosexuellen Arier aus dem Reich des Lichts müssen dem multikulturellen Reich der Finsternis entrissen werden. »Nichtweiße Menschen, trans und genderqueere Personen werden hier zu apokalyptischen Bedrohungen gemacht«, fasst die Amadeu-Antonio-Stiftung auf der Plattform X das im Spiel aufgebaute Feindbild zusammen. Des Weiteren seien Nancy Faeser, George Soros und Karl Lauterbach auserkoren worden, um als sogenannte Endgegner für die ballernden Kameraden zu dienen.

Die Mehrheit der rechtsextremen Games sind, selbst wenn man bescheidene Maßstäbe anlegt, eher von niedriger Qualität, spielerisch wie auch grafisch. Genau dies wollte der österreichische Programmierer, der hinter dem Projekt »The Great Rebellion« steht, ändern. Sein Anliegen war es, aus der Nische herauszukommen. Dieses Vorhaben kann als gescheitert gelten. Mit 86 gleichzeitigen Spielern als höchstem Wert auf der Spieleplattform Steam ist die Resonanz äußerst gering. Damit erreicht das Spiel weit weniger Konsumenten als seine geistigen Vorgänger.

Die Anfänge rechtsextremer Games liegen in den 80er Jahren. 1986 erschien der »Anti-Türken-Test«, der nach eigenen Angabe »made in Buchenwald« war und als dessen Urheber »Hitler und Hess« ausgewiesen wurden. »Mit diesem Programm können unsere deutschen Freunde feststellen, ob sie Türken mögen oder lieber ohne Kopf sehen würden«, erklärte das Spiel. Bei richtiger Beantwortung der Testfragen erschien auf dem Bildschirm: »Bravo, Hitlerjunge!« Bei falscher Beantwortung: »Falsch – ab nach Auschwitz!«

Das berüchtigtste Spiel zu dieser Zeit war »KZ Manager«. Die erste Version, in der man in die Rolle eines Kommandanten eines Konzentrationslagers schlüpft, wurde für den Commodore 64 entwickelt. In einem Bericht des Simon-Wiesenthal-Centers aus dem Jahr 1991 wird eine Version für den Amiga beschrieben, die im Gegensatz zu besagter vorangegangener Version eine sehr gute Grafikqualität hatte. Daraus schlussfolgerten die Verfasser des Berichts, dass die Programmierer des Spiels tiefe Kenntnisse von der Computerspielherstellung haben mussten – da waren Profis am Werk. Eine Umfrage unter Studenten zu jener Zeit in Österreich ergab, dass 39 Prozent der Befragten das Spiel kannten und 22 Prozent es schon einmal gespielt hatten.

Die massenhafte Verbreitung von Raubkopien ermöglichte damals eine schwindelerregende Reichweite. Dies wird dem Spiel »The Great Rebellion« nicht vergönnt sein. Die Distribution über die Online-Plattform Steam garantiert zwar eine weltweite Vermarktung, aber das Spiel hat deshalb auch seinen Preis, nämlich 19,50 Euro. Solange es nicht kostenlos angeboten wird, geht »The Great Rebellion« mit Sicherheit in der Masse von mehreren zehntausend Spielen unter. Offiziell ist seine Ästhetik übrigens vom Science-Fiction-Genre Cyberpunk inspiriert. In der Produktbeschreibung auf Steam ist von »technokratischen Eliten, die nach digitaler Unsterblichkeit streben«, die Rede, als hilfreiche Verbündete gewinnen kann man »Geister europäischer Helden, die dir besondere Kräfte verleihen«. Reaktionärer Kitsch-Quatsch also.

Rechtsextreme Games sind das Ergebnis einer politischen Instrumentalisierung. Sie bringen aber auch die Widersprüche eines Generationenkonflikts innerhalb der extremen Rechten zum Ausdruck: So wie einst der Rechtsrock bei den alteingesessenen Kameraden größtenteils auf Ablehnung stieß, weil die afroamerikanischen Wurzeln der Musik ihrer rassistischen Ideologie widersprachen, er aber dennoch eines der wichtigsten Segmente rechtsextremer Musik wurde, könnte es auch im Bereich Gaming eine Etablierung geben. Diese funktioniert jedoch anders, als es sich die Entwickler der Nazi-Spiele vorstellen: In den Online-Gruppen bekannter Spiele tummeln sich schon lange organisierte Rechtsextreme und nutzen die Freiräume im Internet, um ihr menschenfeindliches Gedankengut zu verbreiten. Auf der Gaming-Plattform Roblox, die von 60 Millionen Kindern und Jugendlichen weltweit bevölkert wird, sind rechtsextreme Memes und Symbole keine Seltenheit. »Er kam mit seiner Nazi-Uniform in ein Star-Wars-Spiel und sagte, dass sein Land stolz auf diese Uniform sei«, berichtete ein User auf Heise Online über eine solche Begegnung. Hakenkreuz-Symbole seien zwar auf der Plattform Roblox verboten, aber es gibt viele Wege, solche Verbote zu umgehen.

Auf der Plattform fanden Journalisten Spielewelten, in denen man rechtsextreme Terroranschläge nachspielen kann, so zum Beispiel auch den Anschlag von 2019 auf die Synagoge in Halle und den darauffolgenden Amoklauf. Auf dem beliebten Dienst Discord, der für die Kommunikation bei Online-Games häufig zum Einsatz kommt, wurden laut dem SWR-Investigativformat »Vollbild« ebenfalls zahlreiche neonazistische Parolen, Hakenkreuze und eine Anleitung zum Bombenbau aufgefunden.

Die Verbreitung rechtsextremer Inhalte über solche massentauglichen Kanäle erfordert weitaus weniger Einsatz von Kapital und Arbeit als die Programmierung eines Computerspiels. Solange die Anbieter solcher Spiele und Dienste nicht die Einhaltung ihrer eigenen Regeln durchsetzen, werden sich Rechtsextreme diese Freiräume erfolgreich zunutze machen.

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