Opportuner Terror

Deutsche Politiker instrumentalisieren den tödlichen Anschlag in Moskau für ihre eigenen Zwecke, meint Pauline Jäckels

Nach dem Anschlag in Moskau wird auch hierzulande wieder aufgeregt über die Bedrohung durch islamistischen Terror diskutiert. »Noch nie war die Terrorgefahr so groß wie jetzt«, behauptete etwa der CDU-Star Philipp Amthor. Auch Innenministerin Nancy Faeser (SPD) sprach von einer »aktuen Bedrohung« durch Islamisten. Klar, runterspielen sollte man die reale Gefahr von Terroranschlägen auf keinen Fall. Doch ein Blick auf die Angaben von Verfassungsschutz und Bundeskriminalamt zeigt: Die Anzahl derer, die die Behörden als potentielle Gefährder einstufen, ist in den vergangenen Jahren sogar leicht gesunken.

Aber das spielt in der Welt der Politik keine allzu große Rolle. Denn immer dann, wenn irgendwo etwas passiert, das Menschen Angst macht – ein Terroranschlag eben, eine Naturkatastrophe oder Kriegsausbruch – öffnet sich in der Politik ein Fenster: das Fenster der politischen Möglichkeiten – in der Politikwissenschaft auch »Policy Window« genannt. Meist stehen Politiker dann schon bereit, um ihre eigenen Agendapunkte möglichst schnell durch das neu-geöffnete Fenster zu schieben, bevor die öffentliche Debatte zum nächsten Thema wandert.

So nutzt Amthor etwa die »Gunst der Stunde«, um Werbung für ein Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung zu machen und die Ampel für ihre lasche Sicherheitspolitik zu rügen. Auch wenn der Moskauer Anschlag kaum bis gar nichts mit dieser zu tun hat. Und Faeser erinnert eben noch mal alle daran, wie gut es ist, dass ihr Haus auch weiterhin von Haushaltskürzungen verschont bleibt.

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