TV-Duell mit Trump: Arbeitssieg für Harris

Demokratische Präsidentschaftskandidatin weist fahrigen Donald Trump in die Schranken

  • Julian Alexander Hitschler
  • Lesedauer: 6 Min.
Donald Trump und Kamala Harris: Wer von ihnen wird ins Weiße Haus einziehen?
Donald Trump und Kamala Harris: Wer von ihnen wird ins Weiße Haus einziehen?

Maximal staatstragende Rhetorik von der rechten Seite der Bühne, maximal apokalyptische von der linken – so könnte man das Schauspiel zusammenfassen, das sich dem Publikum der zweiten US-Präsidentschaftsdebatte von 2024 – und der ersten zwischen Donald Trump und Kamala Harris – am Dienstag im Fernsehsender ABC bot. Überraschungen gab es dabei wenige, denn beide Kandidieren setzten damit im Wesentlichen die gleichen Akzente wie bei ihren übrigen Wahlkampfauftritten. Für Trump sind »kriminelle« Einwanderer an allem Schuld, er sieht das Land am Abgrund. Harris betont hingegen die autoritäre Gefahr, die durch den Ex-Präsidenten für die US-amerikanische Demokratie droht und präsentiert sich als meritokratische Idealbesetzung für das Weiße Haus. Diese beiden Grundrezepte wurden von beiden Kandidierenden am Dienstag wenig variiert – mit recht drögen Resultaten. Die technische Umsetzung war hierbei bei Harris dennoch deutlich solider als bei Trump.

Die US-Vizepräsidentin leistete sich am Dienstagabend in Philadelphia kaum offensichtliche Fehler. Vor allem gelang es Harris immer wieder, den Ex-Präsidenten durch gezielte Sticheleien zu provozieren – worauf dieser dann meist mit einer seiner üblichen Tiraden antwortete. Diese mögen bei der Parteibasis der Republikaner weiterhin gut ankommen, bei Wechselwähler*innen könnte sich aber der Eindruck von Trump als inkompetentem Egomanen verfestigt haben. Das gelang Harris vor allem gegen Ende der Debatte immer besser. So rief sie etwa Trumps Versuch, die wenig ambitionierte, aber dennoch beliebte Gesundheitsreform von Barack Obama rückgängig zu machen, ins Gedächtnis der Zuschauer. Trump fiel nichts anderes darauf zu erwidern ein, als dass er »das Konzept eines Plans« für ein alternatives Krankenversicherungssystem habe und dies demnächst vorstellen werde. In diesem Moment wirkte der Ex-Präsident wie ein Trickbetrüger, der in Erklärungsnot geraten ist. Und auch auf wiederholte Nachfrage der Moderation kann er lediglich beteuern, dass er den Ukraine-Krieg innerhalb von 24 Stunden beenden würde, aber nicht erklären, wie er dies zustande bringen würde.

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Insgesamt blieb Harris während des Fernsehduells am Dienstabend merkwürdig gehemmt und wenig angriffslustig – vielleicht, weil sie auf die Stimmen von Wechselwähler*innen zählt und nicht als primär ideologisch motiviert wahrgenommen werden will, möglicherweise aber auch, weil sie fürchtet, als Frau in einer machtvollen Position schnell die Ängste männlicher Wähler zu wecken. Das Trauma von Hillary Clintons Niederlage von 2016 sitzt bei den Demokraten immer noch tief. Möglicherweise tappte Harris hierbei jedoch in dieselbe Falle wie Clinton: Weniger als ihr Geschlecht dürfte manche Wähler*innen stören, dass sie streckenweise den Eindruck machte, sie habe qua ihrer Qualifikation praktisch ein Anrecht auf das Präsidentenamt. »Mein einziger Mandant sind Sie«, wendet sich Harris an das Publikum und spielt dabei auf ihre Karriere als Staatsanwältin an. Nicht unbedingt der beste Weg, um sympathischer und nahbarer zu wirken.

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Unter normalen Umständen – und gegen einen normalen Gegner – wäre Kamala Harris Leistung im Fernsehduell auf ABC am Dienstagabend wohl allenfalls mittelmäßig gewesen. Neben einem aggressiven, fahrigen und teilweise wirren Ex-Präsidenten wirkte sie jedoch souverän. Harris hatte dabei Glück, dass sich Trump so oft und so bereitwillig von ihr aufs Glatteis führen ließ. Denn zu den beiden großen Themen, auf die Trump immer wieder zurückfiel – Inflation und Einwanderung –, hatte auch Harris inhaltlich erstaunlich wenig zu bieten.

Harris größter Schwachpunkt in der Debatte war, dass sie es kaum schaffte, die Erfolge der Biden-Regierung als ihre eigenen zu verkaufen. Das liegt auch daran, dass das Weiße Haus dies in den vergangenen dreieinhalb Jahren versäumt hat. Dieses kommunikative Defizit kann die Vizepräsidentin an einem Abend wie diesem nicht aufholen.

Ein gutes Beispiel hierfür ist das Thema Klimawandel. Während Trump im Wesentlichen gar nichts dazu sagt, verbindet Harris die zunehmenden Extremwetterereignisse mit der Kostenexplosion bei Gebäudeversicherungen – ein kluger Schachzug, der ein globales und gesamtgesellschaftliches Problem greifbar macht und herausstellt, dass die Destabilisierung des Weltklimas schon heute enorme Kosten verursacht – auch für einzelne Konsumentinnen. Im nächsten Schritt gelingt es ihr aber nicht, die enormen industriepolitischen Erfolge von Bidens milliardenschwerem Klimapaket per Gesetz, dem Inflation Reduction Act, klar herauszustellen und mit der Klimafrage zu verknüpfen. Tatsächlich boomen klimafreundliche Technologien in den USA und schaffen hunderttausende neuer Jobs. Das Problem ist, dass Durchschnittsamerikaner davon so gut wie nichts mitbekommen und sie auch nicht direkt davon profitieren. Diese Botschaft kann Harris ihnen in 30 Sekunden dann auch nicht mehr vermitteln.

Ein weiterer Punkt, bei dem Rhetorik und Wirklichkeit nur schwer in Einklang zu bringen sind, ist der Nahost-Konflikt. Harris betont Israels Recht auf Selbstverteidigung, fordert aber am Dienstagabend in Philadelphia auch einen sofortigen Waffenstillstand im Gazastreifen. Das Weiße Haus arbeite daran mit Hochdruck – doch nur, wer die Nahost-Politik von Biden und Harris genauer verfolgt, versteht, dass damit zahnlose Pressemitteilungen statt echtem diplomatischem Druck auf die Regierung Netanjahu gemeint ist. Aber selbst diese zaghafte Geste von Harris reicht aus, dass Donald Trump sie als »Israel-Hasserin« darstellen kann – einer der deprimierenden Momente des Abends.

Insgesamt wird sich Donald Trump mit seinem Auftritt in Philadelphia kaum einen Gefallen getan haben. Ob das TV-Duell die Vorentscheidung im Wahlkampf bringt, darf jedoch ebenfalls bezweifelt werden. Trumps Kernbotschaft – unter mir war das Leben gut, bis Corona, Biden und die Immigranten kamen – brachte er mit einer gewissen Disziplin immer wieder unter. Für viele US-Bürgerinnen, die dem Politikbetrieb skeptisch gegenüberstehen, dürfte sie durchaus weiter eine gewisse Anziehungskraft haben.

Kurz nach der TV-Debatte gab es einen Coup: Superstar Taylor Swift erklärte ihre Unterstützung für Harris. Swift hat eine gewaltige Fangemeinde und allein auf der Plattform Instagram rund 283 Millionen Follower. Auf der »Forbes«-Liste der weltweit einflussreichsten Frauen landete Swift auf Rang fünf. Etwa 53 Prozent der Erwachsenen in den USA gaben in einer 2023 veröffentlichten Umfrage an, Swift-Fans zu sein. Diese Fürsprache könnte der Harris-Kampagne weiteren Auftrieb geben.

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