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Michael Sladek: Tod eines Stromrebellen
Michael Sladek war Vordenker einer dezentralen Energiewende
Stromrebell nannten ihn viele, manchen galt er sogar als Vordenker der Energiewende: Michael Sladek, engagierter Atomkraftgegner, Mitgründer der Elektrizitätswerke Schönau (EWS) und fraglos eine der prägenden Persönlichkeiten der Bürgerenergiebewegung, ist tot. Er starb vergangene Woche kurz vor seinem 78. Geburtstag nach schwerer Krankheit in seiner Heimatstadt Schönau im Schwarzwald.
Als Sohn eines Juristen und einer promovierten Philosophin studierte er von 1966 bis 1972 in Freiburg Medizin. 1977 ließ er sich mit eigener Praxis als Allgemeinarzt in Schönau nieder, 1984 eröffnete er in dem 2500-Seelen-Ort mit einem Internisten eine Gemeinschaftspraxis.
Die Atomkatstrophe in Tschernobyl im April 1986 war für Sladek ein politisches Schlüsselerlebnis. Mit einigen Mitstreitern gründeten er und seine Frau Ursula die Schönauer Energieinitiative, um sich aktiv gegen Atomkraft sowie für eine menschen- und umweltfreundliche Energieversorgung einzusetzen. Die Maxime: nicht auf Politik und Konzerne warten, sondern selbst die Probleme angehen. Sie organisierten Infostände und Energiesparwettbewerbe, installierten Solaranlagen und reaktivierten kleine Wasserkraftwerke.
Da der damalige örtliche Energieversorger das Vorgehen der Initiative nicht mittragen wollte, entschloss diese sich, das Schönauer Stromnetz selbst zu übernehmen, um es unabhängig von Atomstrom zu betreiben. Nach langjährigen Auseinandersetzungen und zwei gewonnenen Bürgerentscheiden gelang dies 1997.
Zunächst in der Theorie, bald aber auch praktisch trieben Sladek und die von den Mitgliedern der Bürgerinitiative gegründeten Elektrizitätswerke Schönau die Idee eines von Atom- und Kohlekraftwerken unabhängigen Systems zur Stromerzeugung durch kleine, durch regenerative Energien gespeiste Anlagen voran. »Seine ganze Schaffenskraft und unbändige Energie flossen in den Aufbau einer ökologischen, dezentralen und bürgereigenen Energieversorgung als Alternative zu den machtvollen Energiekonzernen, die bis heute die Energiewelt mit ihrem Profitdenken bestimmen«, heißt es im Nachruf der EWS. Dieses System machte es möglich, den Elektrizitätsbedarf der Kommune autark zu decken. Als erste deutsche Gemeinde wurde Schönau völlig unabhängig von der Erzeugung von Atomstrom.
Später errichtete die EWS mit ihren Tochterunternehmen auch überregional Strom-, Gas- sowie Nahwärmenetze und Blockheizkraftwerke. Seit der Liberalisierung des Strommarktes im Jahr 1998 vertreibt das Unternehmen in ganz Deutschland Ökostrom und seit 2010 auch Biogas. Der Strom stammte zunächst aus neuen Wasserkraftkraftwerken und der Kraft-Wärme-Kopplung. Einen zunehmenden Anteil haben inzwischen Windkraft- und Photovoltaikanlagen. Darüber hinaus dürfen die Anlagen über keine Kapitalbeteiligung von AKW-Betreibern oder deren Tochterunternehmen verfügen. Dies wird jährlich vom TÜV geprüft und zertifiziert. Zum Jahresende 2014 zog sich Michael Sladek aus dem operativen Geschäft der EWS zurück und übergab die Geschäftsführung an seine Söhne.
Ihr Engagement vor Ort machten Michael Sladek und die Schönauer Stromrebellen bundesweit bekannt. Er ermutigte und unterstützte viele Menschen und Initiativen in ganz Deutschland dabei, sich aktiv für eine bürgereigene und klimafreundliche Energieversorgung einzusetzen. Sladek, der in Schönau viele Jahre für die Freien Wähler im Stadtrat saß, war auch Mitgründer des »Bündnisses Bürgerenergie« und Geschäftsführer der Rheinhessen Energie GmbH. In Berlin setzte er sich als Aufsichtsrat für die 2011 gegründete Genossenschaft Bürgerenergie ein. 2017 war er an der Gründung einer Initative beteiligt, die sich für die Einführung eines CO2-Preises einsetzte und heute unter dem Namen »Klimaschutz im Bundestag e.V.« die ökologische Transformation politisch begleitet.
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